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der Satyr steif und kalt ist, so muß er starren und frieren im Norden, schon in Holland und Dänemark, wie erft da, wo es zwei Winter gibt, einen grünen wie bei uns am grünen Donnerstag, und einen weißen wie um's Neujahr; da wärmen fich auch Wig und Laune an deutschen, französischen und englischen Herden. In den Niederlanden zeichneten sich jedoch die Redwyker (Rhetoriker) aus, die das Volk beluftigten wie die alten Meistersänger, aber von den hochwürdigen Dominis nicht übel verfolgt wurden; ihren Ursprung nahmen fte zur Faktionszeit der Kabliauen und Höken, die man auch zur Reformationsepoche auf die Pfaffen loshezte, und fte erleichterten nicht wenig den Eingang der neuen Lehre. Kein Buch trug mehr dazu bei als St. Aldegarde's Bienenkorb, die merkwürdigste Satire der Niederländer, die Fischart trefflich übersetzt hat: Bienenkorb des heiligen römischen Immenschwärmens, seiner Hummels- (Himmels) zellen, Hurennester (Hornißnester), Bremengeschwärme und Wespengetös. Christlingen 1580. 8. Vondel, der erste Dichter dieser Nation, schrieb auch Satiren, aber ganz in Juvenals ernster Manier, politische und persönliche; dafür aber gehören Deckers Lob der Goldgierde und der Cornelia de Launoy Gaftmahl, das Adelsnarren züchtigt, hieher, und die Satiren eines Foke, die ich nicht kenne, die aber in Holland berühmt find.

Dänemark hat in Holberg (Mehres unter Luftspiel) seinen Molière und Voltaire, und der Satyr plagt ihn selbst in seinen ernsten historischen Werken. Wer kennt nicht seinen Peter Paars und Klimms unterirdische Reise, die in alle Sprachen übersetzt wurden und einft auch bet uns Lieblingsbücher waren? Lettere steht weit über Veter Paars. In diesem Klimm brach des dänischen Erasmus satirische Laune noch einmal hervor am Abend seines Lebens, da die Pietisterei wie ein Heerrauch ganz Dänen

Land durchzog, und nur der Umstand, daß sle lateinisch geschrieben waren, schüßte ihn vor der Verfolgung dieser

Frommen. Holberg hinterließ noch vier sogenannte Scherzgedichte; aber auch in seinen Moralischen Gedanken und vorzüglich in seinen Briefen, die mir intereffanter find als seine Luftspiele, find treffliche satirische Züge. Mit ihm buhlte Falster um den Kranz. Unter den Neuern verdienen Baggesen, Brunn, Guldberg, Lürdorf, TrofelStorm, Zedlig, Olsen, Sneedorf, Rabbeck und Pram genannt und namentlich Trøjels neun Satiren in poeti schen Briefen verdeutscht zu werden, da Holberg längst verdeutscht worden ist.

Unter Schwedens Satirikern Teiewald, Dalin, Bergenström, Gyllenborg 2c. ragt Kellgren hervor, den uns ein gelehrter Pommer übersehen sollte. In Polen ist der Fürstbischof Kraftki durch seine Mauseade berühmt, wie die Satiren des Naruszewiß, und kein Politiker darf die kleine treffliche Satire des Starosten Wilhorpanjorsley ungelesen laffen, vorzüglich gegen Preußen gerichtet : Dictionnaire politique à l'usage du cabinet de Berlin 1796. Polen, nach Franzosen gebildet, haben herrliche Anlagen, sind voll Jovialität, und ihre Sprache nicht ungebildet; unter einer glücklichen Verfassung könnte was werden; fte haben satirischen Wig wie Russen, aber von beiden ist mir kein ausgezeichnetes Werk bekannt. Von den gelehrten halblateinischen Ungern kenn' ich bloß Szegendii speculum pontificum rom. 1586. 8., wo er herumhaut wie ein besoffener Szekler.

Wir fehren zurück ins sanftere Vaterland. Unser John Bull, obgleich jezt auch conftitutionell, ist eine arme meckernde Ziege, die Swift vielleicht eher gefüttert als gegeißelt hätte. Zur Zeit der Gewitter pflegen Flöhe und Mücken mehr als sonst zu stechen; wir hatten wahrlich Gewitter genug; aber wir haben zwar muthwillige Knaben,

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die Kahlkopf! Kahlkopf! schreien, aber wo wäre der Prophet, der Bären über sie schickte? nicht sie zu zerreißen, sondern nur so ein bischen zu beohrfeigen und in ihre Löcher zurückzuscheuchen, um Männern Plat zu machen. Wo ist unser Prophet, der die deutsche Geißel schwinge? Die Ernte ift groß, aber wenig der Arbeiter; möchte der Herr der Ernte Arbeiter senden in feine Ernte! Bis jezt scheint Mofts Fluch auf uns zu Iaften: "Der Fremdling wird der Herr und du der Schwanz sein, wenn auch Napoleon nicht mehr ist! Schwerlich wird ein deutscher Dorfschullehrer, wenn ein Bauer das Wort Satyr erklärt haben will, ihm sagen: "Peter, das will so viel sagen: Die Thiere sind fatt." Wann werden wir einen Swift oder Voltaire haben? Wir lieben Friede und Ruhe wir find gemüthliche Deutsche was werden soll, wird doch nach!

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nach und

Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci
Lectorem delectando pariterque monendo.
Hic meret aera liber Sosiis! (1)

(1) Der aber, der das Nügliche

So mit dem Angenehmen zu verbinden weiß,
Daß er den Leser im Ergößen bessert,

Verdienet alle Stimmen; solch ein Werk

Verdienet Geld den Sofern (Buchhändlern in Rom zu Horazens Zeit).

(Wielands Uebers.)

Demokritos. VIII,

IX.

Der Spott, die Ironie und Perfiflage.

Bei Niedern, die dem Spotte weichen,
Jst Spott verblümte Tyrannei;

Bei denen, die an Stand sich gleichen,
Ift er ein Quell der Zänkerei ;
Bei Großen ist er ein Verbrechen,
Das sie mit ihren Blißen rächen.

Spott ist das Vergnügen, die Fehler Anderer durch scherzhafte oder beißende Worte an den Tag zu legen, und zerfällt in den lachenden, bittern oder ernsten Spott. Wer spöttelt, um Andere in frohe Laune oder Lachen zu versezen, so daß der Verspottete selbst mitlachen kann, ist allein der echte Spötter, der uns hier angeht; wer nur kaustisch oder sarkaftisch höhnt, nur bitter um sich beißt und aus Verachtung spottet, verdient auch unsere Verachtung... Mit Salz kann man freilich leicht versalzen: der Eine findet schon etwas versalzen, wo der Andere gar kein Salz merkt mit Schmalz darf man eher ein

Uebriges thun.

Der lachende Spott entspringt aus dem Geiste, Sarkasmen nicht selten aus dem Gemüthe, die Blize derselben zischen durch die Wolken, die Unwillen und Verachtung gegen das Schlechte zusammengetrieben haben. Man muß seinen Mann genau kennen, um zu wiffen, ob er wirklich spottet oder als blinde Henne bloß ein Ei gefunden hat,

wie einer der Bedienten Napoleons, der immer einen seiner Verwandtschaft zu empfehlen hatte: "Du kommst mir zu oft!" Sire! c'est ma dynastie! Nicht so die aufgestandenen Remsthaler unter Herzog Ulrich von Württemberg: fle nannten ihren Bund den armen Conrad, weil sie bei dem überhandnehmenden Elend ko in Rath mehr wußten, und warfen das allzu kleine Maaß als Gottesurtheil in die Rems.

Haben wir recht, so fall zu Boden,

Hat der Herzog recht, so schwimm oben.

Die Spöttereien, welche Napoleon und seinen Franzosen von Moskau nachzogen, bewiesen, daß des Wüth= richs Herrschaft nun bald enden werde; denn nichts ist der Gewalt ungünstiger als Spott, und das erste Hohnlachen über einen Despoten der Anfang zu seinem Ende, denn die moralische Natur des Menschen läßt sich nur eine Zeit, Lang feffeln. Spott ist dem Menschen gegeben, wie das Salz dem Meere, daß es nicht faule, und ohne die Furcht vor Spott würde es um Welt und Erziehung des Menschengeschlechts noch weit schlimmer stehen, an der schon Jahrtausende gearbeitet worden ist, ohne daß wir noch besonders schönere Früchte sehen. Ich kann nicht der Meinung Schloffers sein: „Enthusiasmus ist ein himmlisches Feuer," sagt er, „das der Spott ausbläst, ein Sporn zur Thätigkeit, den die Gleichgültigkeit des Spottes abftumpft; der Spötter fleht Nichts rein, der Enthusiasmus Alles; der Spott macht Alles kleiner, Enthusiasmus Alles größer," wahr! aber auch hier liegt die Wahrheit in der Mitte. Wohin haben religiöse und politische Schwärmereten oder Enthusiasmus von jeher geführt? auf Ertreme! Wohin würden fle noch führen ohne die Schußgeister Lucians, Swifts und Voltaires?

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