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Friedrich, der satirische Friedrich, der zu Sulzer, welHer fich Rousseau's Saß: „der Mensch ist gut“ annahm, sagen konnte: Ah! vous ne connaissez pas la maudite race à laquelle nous appartenons; (') Friedrich, dem Voltaire kein unschicklicheres Compliment machen konnte, als ihn den Salomon du Nord (2) zu nennen (Salomo, der nie ein Schwert entblößte, wohl aber 1000 Weiber!)

dieser Friedrich verwarf die Satire als unnüß, weil fle nicht beffere, sondern nur erbittere. Merkwürdig scheint mir, daß von den zwei größten Genies der Griechen, Homer, der Alles lobte, den Thersites ausgenommen, uns erhalten, Archilochus aber, der Alles tadelte und bespöttelte und zu seiner Zeit höher geschäßt war als Homer, untergegangen ist. Es wäre gut, wenn auch einige Satiren Friedrichs untergegangen wären non omnia possumus omnes (3) · und so müssen wir selbst das einem großen Manne verzeihen, daß er einen Feldarzt übel anließ, weil er statt émétique Brechmittel schreibe, und sein Latein? unsere größten Gelehrten find da nicht taktfest mehr!

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Der echte Satiriker muß Denker sein, um sich zu der Höhe zu erheben, von der er die übrigen Menschen überschauen, die herannahenden Uebel schon von ferne erblicken und sich ihnen widersehen kann; er muß warmen Herzens sein, um sich zu begeistern und den nüzlichen aber gefähr= lichen Kampf zu wagen; er muß Sinn haben für Wahrheit und Tugend; aber leider ist mit Spottgeist nur zu gerne Menschenverachtung verbunden, wie bei Aristophanes, Swift und Voltaire; ste suchen Gräten selbft in Austern, denn diese kommen fa ebendaher, woher die Fische kommen, und besprigen die armen Thoren mit Vitriol, flatt fle bloß einzuseifen. Statt erlaubter Lauge

(1) Oh, Ihr kennt nicht das verfluchte Geschlecht, dem wir angehören. — (2) Salomo des Nordens. · (3) Nicht Alles können wir alle.

führen viele, die sich für Satiriker halten, nur Urin und Roth, und können mit Lichtenbergs Schulmeister sagen: Nitimur in foetidum, (') und die satirische Literatur unserer Zeit gleicht einer empörten Schiffsmannschaft: die bloßen Passagiere springen lieber über Bord, als ihre Reise mit folchem Gesindel fortzuseßen. Wer Wahrheit geigt, dem schlägt man die Fidel um die Ohren," das bedenken gerade die Beffern; Mattera nannte eine Dame putana (2) und wollte sich damit entschuldigen, daß es sich gerade auf ihren Namen Fontana gereimt habe; aber Pabst Sirtus V. reimte auch:

Voi Signore Mattera

Ben meritate la Galera. (3)

Aristophanes fand einen Sokrates, der sich dem Varterre als Original der ungeheuren Copie in den Wolken lächelnd preisgab; unsere Zeit hat keine solche RhinocerosHaut mehr, ist kiglicher und weiß von Ehre zu sprechen. Wenn man auf hundert Narren zugleich zielt, so findet fich immer einer, der Alles lediglich auf sich bezieht und fragt: Herr! haben Sie mich gemeint? und dieser ist in der Regel der ärgfte Narr. Je wahrer der Satiriker zeichnet, desto porträtähnlicher werden seine Gemälde, aber das, was den Künstler ehrte, muß der Mensch entgelten. Graf Buffy kam in die Bastille, weil er sang:

Que Deodatus est heureux,

De baiser ce bec amoureux,
Qui d'une oreille à l'autre va.
Halleluja! (4)

(1) Wir streben nach dem Schmuzigen (für: Nach dem Verbotenen Vefitum). (2) §....

(3) Ihr Signor Mattera

Verdienet die Galeera.

(4) Der König wird sich glücklich_wissen,
Den Liebestchnabel oft zu küssen,

Der also breit, daß er den Ohren nah,
Halleluja!

Er vergaß, daß alle Gewalthaber das Recht römischer
Bürger haben, nicht gegeißelt zu werden, und nicht
allen_wird es so gut, wie Freund Horaz unter Augustus:
Carmina bona si quis

Judice condiderit laudatus Caesare, si quis
Opprobriis dignum latraverit integer ipse?
Solventur risu tabulae, tu missus abibis. (1)

Wenn auch Aretino von Kaiser Carl und König Franz Geschenke erhält, Richelieu aus Furcht vor der Satire Akademien stiftet und Johnson eine Penflon von 300 Pfð. Sterling bekommt, so erhalten Andere dafür Prügel, ober die goldenen Ketten Aretino's, die der Unverschämte dennoch zu leicht fand für die schwere Sottise der Erpedition nach Tunis, verwandeln sich in eiserne. Im besten Fall bleibt der Satyr figen, wo er figt, und während Andre bei seinen Satiren lachen, möchte er weinen. Boccalini, der in seinem politischen Probierstein" Spanien angriff, wurde zu Venedig von Spaniern so zerschlagen mit kleinen sandgefüllten Säcken, daß er starb; Nic. Franco wurde aufgeknüpft, wenn er gleich ausrief: é troppo! (2) und Pallavicino enthauptet, der aber freilich zu unverschämt mit Pabst Urban VIII. und dessen Nepoten (3) umgegangen war, seine Rhetorica delle puttane (4) nicht zu erwähnen. Voltaire wurde bloß von den Bedienten des Chevalier Rohan ein bischen herüber gelegt, was ihm weniger wehe that, als die Antwort des Herzog Regenten, da er Gerechtigkeit von ihm verlangte, das ist ja bereits geschehen," oder die überall verbreiteten Verse:

(1)

Wenn

Die Verfe gut sind, wenn sie Cäsar selbst

Mit seinem Beifall ehrt, und wenn der Mann,

Ter einen Schandewürdigen gezüchtigt,

=

Selbst ohne Vorwurf ist dann nimmt der Handel

Ein lachend End' und du gehst frei davon.

(Wielands Uebers.)

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(4) Rhetorik der H....

Pour un epigramme indiscrète
On voltairisait un poëte. (')

Der Satyr erscheint bald in Gestalt der Fabel, wohl die älteste Art, bald in Erzählungen und Mährchen, bald in Dialogen, bald in einem Traume, bald findet er fich in gelehrten Abhandlungen, bald in Liedern, wie Michaeli's Wiegenlied der Stadtschönen, das in drei Strophen Boileau's Satire auf Weiber aufwiegt, bald in Romanen, Luftspielen und Epigrammen. Man benennt gewöhnlich die Satiren nach diesen Formen, und nur diejenigen kleineren Stücke behalten den eigentlichen Namen Satiren, die nicht zu den genannten Formen gezählt werden. Tous les genres sont bons, hors le genre ennuyeux, (2) und das ist leider so groß, daß selbst ein Meuselscher Literator fle nicht alle aufzählen könnte.

Der Ursprung der Satire ist überall derselbe; überall finden wir, daß selbst rohe Völker bei ihren Festen kein größeres Vergnügen kennen, als wenn die Wißigsten unter ihnen sich aneinander reiben, bei den Wilden so gut wie in unsern Dorfkneipen und Kasernen, bei den Bacchanalien der Alten wie bei den Fastnachtsspäßen des Mittelalters und den altdeutschen Pritschmeistern bei Volksfesten. Bei den Lauf-, Hochzeit- und Leichenschmäusen der Neuern finden wir dasselbe, wo selbst oft der Schullehrer den Spaßmacher macht, und in manchen katholischen Orten selbst der Herr Pfarrer. Das Andenken an diesen rohen Ursprung liegt in dem Worte Satyr — das Gefolge des Bacchus kleidete sich in Thierhäute und unser Ausdruck Schimpf und Ernst deutet auch darauf hin; Schimpfen ist nicht mehr als Scherzen. Die Anlagen zum Wig, die wir beim gemeinen Manne finden,

(1) Wegen eines Epigrammes, das indiscret,

Wird Voltaire geprügelt, der Poet.

(2) Alle Gattungen find gut, mit Ausnahme der langweiligen.

bleiben roher Marmor und führen sogar von Schalkheit zur Bosheit, wie den Eulenspiegel und den weniger bekannten Coburger Schreiner Geuß, worüber man Schlichtegroll (II. 1799) nachsehen mag.

Unter den berühmten Nürnberger Spruchsprechern bei Hochzeiten und andern Feierlichkeiten, die als obrigkeitlich bestätigte Lob-, Ruhm und Ehrenredner bis 1805 fortdauerten und begreiflich machen, wie Norica eine größere Bibliothek aufzuweisen hat, als ganz Rußland', denn ihre Wünsche wurden so gut gedruckt als die Leichenpredigten auf die hohen Patricier und deren Genealogien -zeichnete sich vorzüglich ein Wilhelm Weber (1640 bis 1660) aus, der lange noch nach seinem Tode be= dauert wurde; aber so beliebt er war, so fanden doch einst einige Gäfte seine Sprüche so stachelig, daß sie ihm Nachts aufpaßten und ihn in den Fischbach stürzten; aber er raffte fich auf, sprang heraus und rief:

Herr Gott, du gerechter Richter!

Der du bei Nacht kennst alle Gesichter,
Thue doch mir so viel zu lieb,

Sage mir, wer sind die Dieb ?

So werd' ich fröhlich sein und wieder lachen,

Wenn man sie ftraft, daß ihr Herzbendel thut krachen!

Die Fabel, in der die Satire zuerst auftritt, ift nichts anders als die furchtsame Vernunft, die fich hinter die Larve der Thorheit verbirgt, und es ist merkwürdig, daß die Erfinder unserer Fabeln Sklaven waren, wie Aesop und Phädrus, und selbft Birpay am Hofe Indiens, der Grundleger der Fabeln, kann für einen Sklaven gelten, so gut als Nathan am Hofe Davids. Dieser alte Hofprediger sprach zu David weder von Mördern noch Chebrechern, die das Reich Gottes nicht ererben, sondern erzählt seine Fabel vom Reichen, der das einzige

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