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Macduff, die er bis zum Auftreten des Lenox (bei Shakespeare Rosse) vorher fortgeführt, dort aber gänzlich unmotivirt unterbrochen hatte.

Das berühmte: He has no children, in Macduff's Munde, in seiner bedeutsamen prägnanten Kürze konnte der seichte Davenant nicht unverwässert lassen. Es heißt bei ihm:

He has no children, nor can he feel

A father's grief.

A. V, Sc. 1. Die Nachtwandelscene war von Davenant durch die frühere Vorführung der Lady Macbeth als Visionärin so ungeschickt anticipirt und um ihre Wirkung gebracht, daß er es für angemessen gehalten hat, sich flüchtig und summarisch mit ihr abzufinden. Statt des Arztes, der ex officio den Zustand der Lady zu beobachten hat, figurirt auch hier wieder der Allerwelts-Seyton, wo es sich denn seltsam ausnimmt, wenn der Bearbeiter den nur der Stellung eines Arztes entsprechenden Vers:

You may to me; and 'tis most meet you should

gedankenlos hat stehn lassen. Dagegen sind die so bedeutungsvollen Reden der Nachtwandlerin, Reminiszenzen aus der Mordnacht, und die Zwischenreden der beiden Zeugen unbarmherzig zusammengestrichen, und die ganze Scene schließt mit dem Weggange der Lady. Die Warnungen des Arztes an die Kammerfrau in Betreff der Vorsichtsmaßregeln für die Lady, vorbereitende Andeutungen ihres späteren Selbstmordes, hätten sich allerdings im Munde Seyton's kurios ausgenommen und sind deshalb ausgelassen.

A. V, Sc. 2. Ein abermaliger Einschub einer Davenant'schen Scene, der nur ein kleines Bruchstück aus Shakespeare, die arg verstümmelte Schilderung des verzweifelten Gemüthszustandes Macbeth's, einverleibt ist. Die von Shakespeare beseitigten Figuren, Donalbain und Fleance, läßt der Bearbeiter hier wieder auftreten, wahrscheinlich um die vorher vorhandenen Personen möglichst vollständig wieder beisammen zu haben, die unterdessen ermordeten natürlich abgerechnet. Zu den Beiden stößt Lenox und berichtet ihnen, was Shakespeare in dieser Scene uns selbst von dem Fortschritt des Aufstandes gegen Macbeth vorgeführt hat.

A. V, Sc. 3. Die Apostrophe an die falschen Thanes in Macbeth's erster Rede schließt Davenant mit dem kostbaren Bombast: By your revolt you have inflam'd my rage,

And now have borrow'd English blood to quench it.

Daß Macbeth dem vom Schrecken blassen Boten das Aussehen einer erschreckten Gans zuschreibt und dessen Bericht: There are ten thousand - mit geese unterbricht, das mochte dem Bearbeiter zu familiär vorkommen. So setzt er ghosts für geese und läßt Macbeth fortfahren:

But such as shall be ghosts ere it be night.

Die folgende so ergreifende Rede, in welcher Macbeth die ganze Verzweiflung seiner Seele schildert, war dagegen für den Bearbeiter vielleicht zu tragisch und ist durch sein eignes Fabrikat ersetzt worden. Statt des Arztes muß Seyton von dem schlimmen Befinden der Königin Bericht erstatten, wobei natürlich Macbeth's bitterer Spott über die Ohnmacht der Arzneikunde als pointelos wegfällt. Statt dessen sagt er kurz:

And I, methinks, am sick of her disease.

Aber auch der bisher dem Macbeth in allen möglichen Funktionen so treu ergebene Seyton bekehrt sich nun zur siegreichen Fahne der Legitimität und spricht beiseite zur Rechtfertigung seiner Ueberläuferei:

I'll to the English train, whose hopes are built

Upon their cause, and not on witches' prophecies.

A. V, Sc. 4. Diese Scene ist von dem Bearbeiter ganz neu stilisirt, u. A. mit zeitgemäßen Komplimenten für das freundnachbarliche England versehen, im Uebrigen desselben Inhalts, wie bei Shakespeare.

A. V, Sc. 5. Da Seyton, der bisherige Vertraute, wie Macbeth bedauernd bemerkt, zu den Feinden übergegangen ist, so übernimmt ein gewöhnlicher Diener das Amt, die Trauerbotschaft von dem Tode der Königin zu melden. Die letzten Worte Macbeth's lauten in Davenant'scher verbessernder Version:

Methinks I now grow weary of the sun,

And wish the world's great glass of life were run.

A. V, Sc. 7. Statt des jungen Siward, dessen Rolle als überflüssig Davenant gestrichen hat, besteht Lenox den unglücklichen Zweikampf mit Macbeth nach einem rekapitulirenden Zwiegespräch, das ganz aus der Feder des Bearbeiters ist, ohne irgend welche Anlehnung an sein Original. Für Macbeth's Zweikampf mit Macduff hat sich natürlich Davenant an seine Vorlage halten müssen, mit den unvermeidlichen obligaten Auslassungen und Zuthaten, sowie mit der durchgängigen Verwässerung der Shakespeare'schen Phraseologie. Macbeth stirbt mit dem Ausruf:

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Farewell, vain world, and what's most vain in it, ambition!

Schließlich tritt Macduff nicht mit Macbeth's abgehauenem und auf eine Stange gestecktem Haupte auf, sondern nur mit Macbeth's Schwerte, wahrscheinlich um die Nerven des Davenant'schen Publikums mit dem grausen Anblick zu verschonen. Ueber den Leichnam des Usurpators verfügt aber Malcolm Folgendes: Drag his body hence, and let it hang upon

A pinnacle in Dunsinane! to show
To future ages what to those is due

Who others' right by lawless power pursue.

Damit schließt denn Davenant's dramatisches Machwerk, das im Stande gewesen ist, Shakespeare's dramatisches Meisterwerk auf einen Zeitraum von fast achtzig Jahren hin von der englischen Bühne und auch aus der populären Literatur zu verdrängen!

Shakespeare's Helden.

Von

Julius Thümmel.

Der altgriechische Mythus führt uns eine Reihe heroischer

Erscheinungen, ja sogar ganze Geschlechter vor, die das Ideal männlicher Kraft und Erhabenheit repräsentiren. Für die moderne Anschauung nehmen die Erzählungen, die die Heldenthaten jener hellenischen Männer und Geschlechter in Liedern und Gesängen feiern, insofern einen supernaturalistischen Beigeschmack an, als sie in phantastischer Mischung des Unendlichen mit dem Endlichen, des Transcendentalen mit dem Realistischen die Gefeierten zu Halbgöttern erheben, ihnen olympische Abstammung beilegen und ihre Großthaten dem Kultus, der religiösen Verehrung überliefern. Diese märchenhafte Zuthat scheidet bei den griechischen Helden selbst da nicht aus, wo die Historie anfängt, im Gegensatze zum Sagenhaften ihren sichtenden Einfluß geltend zu machen. Harmodios und Aristogeiton, die der Schreckensherrschaft der Pisistratiden in Athen um 514 vor Christo ein Ende. bereiten und darüber selbst den Heldentod sterben, werden nicht bloß in dem Skolion des Kallistratos als Märtyrer gepriesen; man celebrirt sie noch immer als Halbgötter, ihren am Aufgange der Akropolis aufgestellten Bildsäulen religiöse Verehrung zuerkennend. Selbst das nach dieser Seite hin sich mehr und mehr ernüchternde Zeitalter des Perikles durchweht jener Hauch des phantastischen Heroenkultus, der, wenn auch in schwachen Nachklängen, sogar noch unter den Seleukiden und Ptolemäern zu verspüren ist. Anders verhält es sich bei den phantasielosen, praktisch gearteten

Römern. Hier betreten wir von vorn herein einen rein geschichtlichen Boden, und wo eine Apotheose römischer Männer, namentlich in der Imperatorenzeit auftaucht, stellt sie sich lediglich als der Abklatsch morgenländischer Sitte dar, und noch dazu als das widerwärtige Produkt von Verkommenheit und Servilität in den Höflingen der Cäsaren. In das Bewußtsein des römischen Volks ist jene hellenische Anschauung niemals eingedrungen.

Wo bei den Alten der Monotheismus herrscht, bei den Israeliten, verbietet sich jedes Halbgötterwesen von selbst: du sollst nicht andere Götter haben neben mir, gebietet Jehovah dem auserwählten Volke. Ebenso bestimmt verwirft ja auch das Christenthum alle Arten von Abgötterei - nur begnügt es sich nicht mit den ehernen Sätzen des alten Bundes; es bringt durch seine ethische Durchdringung alles Gebotenen das starre Gesetz zum lebendigen Bewußtsein; es verlegt den Schwerpunkt alles Seins in die sittliche Nothwendigkeit des inwendigen Menschen. Der christlichen Anschauung gemäß wird fortan das Erhabene, das Heldenhafte nicht mehr ausschließlich in den sich nach außen hin manifestirenden Proben einer an das Uebernatürliche grenzenden Manneskraft gefunden. An der Sittenlehre Christi, an seiner eigenen Person, die das höchste Ideal des Erhabenen selbst offenbart, erweitert sich der Begriff des Heroischen dergestalt, daß von nun an die Selbstkraft der ganzen, auch der geistigen und sittlichen Individualität, der letzteren sogar in vorwiegendem Grade, bestimmend eintritt. So ist denn auch schon die deutsche Heldensage von dieser Idee durchdrungen; wenn sie auch des Märchenhaften vielerlei aufzuweisen hat, so muß man dies eben nur als das Ueberbleibsel volksthümlicher Ueberlieferung aus der germanischen Heidenzeit, als mythisches Beiwerk mit in den Kauf nehmen: der tiefinnerste Kern des Nibelungenliedes, der Gudrun-Gesänge, dieser mächtigsten Liederströme der deutschen Dichtung, entspringt dem Quell des Christenthums. Das ethische Moment der Treue ist es, was das germanische Heroenepos beseelt der darin gefeierte Heldenkreis charakterisirt sich in seinem Geistes- und Gemüthsleben als rein menschlich.

Auf dieselbe Anschauung über den Begriff des Erhabenen, des Heldenhaften, finden sich demgemäß auch die Anfänge der dramatischen Poesie bei den germanischen Völkerschaften, den Deutschen und den Engländern, gegründet. Wenngleich sich dieselben, ähnlich wie bei den Griechen, freilich in sonst weit ab

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