Page images
PDF
EPUB

doch überall sonst bestrebt, der Naturwahrheit so nahe wie möglich zu kommen. Die Stimme des Plutarch war ihm aber Autorität genug und seinem Beispiele folgend, schrieb er dem Eibenbaume eine Wirkung zu, die keine der uns bekannten Pflanzen besitzt. Ihm war jedoch die bloße Angabe, daß der Saft den Schlafenden tödte, nicht genug; er schmückte die Wirkung desselben noch besonders aus und nahm zu seinem Vorbilde hierbei, wie ich schon ausgeführt habe, die Folgen der syphilitischen Blutvergiftung.

Plutarch ist übrigens nicht der Einzige, welcher dem Eibenbaume eine so wunderbare Kraft zuschreibt. Plinius (Hist. nat. Lib. 16, 20) spricht weitläufiger über den Taxusbaum und sagt, daß seine Beeren besonders in Spanien ein tödtliches Gift führten, und daß in Gallien aus Taxus gefertigte Weingefäße Tod bringend erfunden worden seien. Sextius sage, daß der Taxus von den Griechen smilax genannt werde und daß er in Arkadien ein so heftiges Gift besitze, daß Diejenigen, welche unter ihm schlafen, oder Speise einnehmen, sterben müßten. Manche seien deshalb geneigt, die Benennung der Gifte als taxica hiervon abzuleiten, welche man jetzt toxica nenne, weil die Pfeile damit vergiftet würden. Auch Cäsar erzählt (de bello Gallico) einen Selbstmord durch Taxus, der viel in Gallien wachse. Indessen will ich nicht verschweigen, daß nach Plinius (Lib. 25, 17) das aus den Samen des Bilsenkrautes bereitete Oel den Verstand angreift, wenn es in die Ohren gegossen wird.1) Die Angaben des Plinius wurden von den medizinischen Autoren bis in die neuere Zeit nachgeschrieben und galten als Evangelium, so daß Shakespeare auch von dieser Quelle aus auf den Gedanken gekommen sein kann, den Mörder das Gift in das Ohr seines Opfers gießen zu lassen. Daß dieses Oel hierbei tödtlich wirke, giebt Plinius jedoch nicht an, und wir wissen, daß es so gut wie unschädlich bei solcher Anwendung ist.

Die Giftigkeit des Eibenbaumes, jedoch unter dem Namen yew, berührt Shakespeare noch einmal in Richard II. ш, 2:

Selbst deine Pater lernen ihre Bogen

Von Eiben, doppelt tödtlich, auf dich spannen.

Der Ausdruck of double-fatal yew bezieht sich darauf, daß nicht nur die vom Bogen geschossenen Pfeile verderblich wirken; der Bogen selbst ist gefährlich, da er von Eibenholz ist.

1) Et oleum fit ex semine, ut diximus, quod ipsum auribus infusum tentat

mentem.

Auch unter den Substanzen, welche die Hexen im Macbeth (IV, 1) in die poison'd entrails ihres Kessels werfen, sind Eibenzweige, bei Mondfinsterniß abgeschnitten1), und nur Schierlingswurzel) begleitet dieselben. Beide sind hier also die einzigen Vertreter des Schädlichsten aus dem Pflanzenreiche, welches sich Shakespeare gewiß mit einigem Nachdenken zusammensuchte, während die Liste des Schrecklichen aus dem Thierreiche, welches die Hexen zu ihrem Zaubergebräu benutzen, weit reichhaltiger ist. Hätte der Dichter andere Pflanzen für giftiger gehalten, würde er sie gewiß hier angebracht haben. Was er im Sinne hatte, wo der Mörder des Schauspiels im Hamlet (III, 2) dem alten schlafenden Könige Gift in das Ohr gießt, wird nicht näher bezeichnet. nennt es eine Mischung von mitternächt'gen Kräutern:

Thou mixture rank, of midnight weeds collected.

Er

Auch die Eibenzweige der Hexen im Macbeth sind bei Nacht und Finsterniß gesammelt, und auf diesen Umstand bezieht sich das midnight weeds ebenfalls, weil der Thau der Nacht besondere Kräfte geben sollte. Daß auch Eibenbaum unter der Mischung des Mörders im Schauspiel sich befinden soll, ist mir wahrscheinlich. Vom Bilsenkraut (hyoscyamus: henbane), sowie daß die Giftigkeit desselben dem Dichter besonders bekannt und auffallend gewesen sein solle, habe ich keine streng beweisende Stelle in seinen Dramen finden können.

IV. Shakespeare's Grab.

(Athaeneum No. 2956.)

Mr. Macray entdeckte kürzlich in der „Bodleian Library" einen alten Brief von einigem Interesse in Bezug auf Shakespeare. Mr. Halliwell-Phillipps hat denselben abgedruckt und einige Bemerkungen hinzugefügt, denen wir das Folgende entnehmen. Das Manuskript ist ohne Datum, aber „daß es gegen Anfang Dezember 1694 geschrieben wurde", bemerkt Mr. Macray, „geht aus einem der folgenden Briefe hervor, der von Lichfield, 2. Januar 1694/5, datirt ist."

[blocks in formation]

Frühe traditionelle Notizen über Shakespeare sind sehr selten. Die Nachforschungen in den zahlreichen englischen Archiven haben bis jetzt nur vier Manuskripte dieser Art aus dem 17. Jahrhundert zu Tage gefördert, und die obige Entdeckung fügt ein fünftes hinzu. Es ist das einzige, in welchem eine leise Andeutung von den Gefühlen des großen Dichters zu finden ist.

SO

Bemerkenswerth ist, daß man Sorge trug, des Dichters Grab heilig zu halten; denn obwohl die von Hall (im unten stehenden Briefe) gegebenen Maße übertrieben sein können Zahlen sind in solch alten Notizen am meisten Irrthümern unterworfen kann doch in keiner Weise Hall's Angabe bezweifelt werden, daß das Grab von außergewöhnlicher Tiefe gewesen sei. Man muß sich daran erinnern, daß zu der Zeit, als der Brief geschrieben wurde, die Nachkommen der Shakespeares noch in Stratford-onAvon lebten, unter ihnen George Hart, dessen Vater persönlich mit dem Dichter und seiner Familie bekannt gewesen war.

Hall's Brief ist auch in anderer Beziehung interessant. Vor seiner Entdeckung war die älteste Notiz darüber, daß Shakespeare's Wünsche bezüglich seines Grabes durch eine Erinnerung an das Beinhaus hervorgerufen worden seien, eine Bemerkung vom Juli 1777, gelegentlich eines Besuches in Stratford-on-Avon: „An der Seite des Altarraums ist ein Beinhaus, das mit menschlichen Gebeinen, Schädeln etc. beinahe angefüllt ist; der Führer sagte, Shakespeare sei von diesem Beinhause so erschüttert worden, daß er seine Grabschrift verfaßte, um zu verhindern, daß auch seine Gebeine hineinkämen."

Der folgende Auszug, den wir mit Genehmigung Mr. Halliwell's veröffentlichen, enthält die wichtigsten Abschnitte des Briefes:

"Dear Neddy, -I very greedily embrace this occasion of acquainting you with something which I found at Stratfordupon-Avon. That place I came unto on Thursday night, and the next day went to visit the ashes of the great Shakespear which lye interr'd in that church. The verses which, in his lifetime, he ordered to be cut upon his tomb-stone, for his monument have (sic) others, are these which follow:

Reader, for Jesus's sake forbear

To dig the dust enclosed here;

Blessed be he that spares these stones,
And cursed be he, that moves my bones.

The little learning these verses contain would be a very strong argument of the want of it in the author, did not they carry something in them which stands in need of a comment. There is in this church a place which they call the bone-house, a repositary for all bones they dig up, which are so many that they would load a great number of waggons. The Poet, being willing to preserve his bones unmoved, lays a curse upon him that moves them, and having to do with clarks and sextons, for the most part a very ignorant sort of people, he descends to the meanest of their capacitys, and disrobes himself of that art which none of his cotemporaries wore in greater perfection. Nor has the design mist of its effect, for, lest they should not only draw this curse upon themselves, but also entail it upon their posterity, they have laid him full seventeen foot deep, deep enough to secure him. And so much for Stratford, within a mile of which Sir Robinson lives, but it was so late before I knew, that I had not time to make him a visit.“

Der Schreiber des Briefes, William Hall, ,,hatte in Queen's College studirt; er wurde B. A. im Oktober 1694 und M. A. im Juli 1697; er scheint ein sehr gebildeter und eifriger Forscher gewesen zu sein." Der Adressat, Edward Thwaites, war ein auf angelsächsischem Gebiete wohl bekannter Gelehrter.

V. Zur Sonetten-Frage.

(Academy No. 631, 635, 637.)

William Herbert's frühe Verheirathung.

Rev. W. A. Harrison, Ausschußmitglied der New-ShakspereSociety, hat eine der Schwierigkeiten beseitigt, welche der Anerkennung William Herbert's als „W. H." der Shakespere-Sonette entgegenstanden. Diese Schwierigkeit bestand darin, daß Shakespeare kaum einen jungen Menschen von achtzehn Jahren so eifrig angefeuert haben würde, sofort zu heirathen. In der Versammlung der Gesellschaft vom vergangenen Freitag meinte Mr. Furnivall, daß Nachforschungen nach ähnlichen Beispielen früher Verheirathung bei jungen Adligen das Vorherrschen dieses Brauchs zeigen würden. Am Sonnabend darauf fand Mr. Harrison in dem „Calendar of State Papers", daß die Eltern William Herbert's, als er erst siebzehn Jahre zählte, schon in Unterhandlungen getreten wären, um ihn

mit Bridget de Vere, aus der Familie Cecil, zu verheirathen, und daß Herbert's Mutter, die Gräfin von Pembroke und Philipp Sidney's Schwester, sich ganz besonders für diese Ehe interessirte. Der vertraute Agent des Earl of Pembroke in dieser Angelegenheit war Arthur Massinger, der Vater des Dramatikers Philipp Massinger; so ergibt sich wahrscheinlich ein Bindeglied zwischen den Massingers und Shakespeare; denn daß Shakespeare 1598 die Gräfin vou Pembroke kannte, wird kein Leser der Sonette bezweifeln, der sich der Zeilen erinnert:

[ocr errors][merged small]

VI. Die „dunkle Dame" in Shakespeare's Sonetten und Mrs. Mary Fitton.

London, 30. Juni 1884.

Mr. Tyler's Briefe an die ,,Academy" vom 8. und 22. März und 19. April, sowie die von ihm in der New-Shakspere-Society verlesenen Berichte, die in der „Academy" am 7. und 21. Juni besprochen sind, geben uns ziemlich sichere Beweise für die Beziehungen zwischen William Herbert, dem späteren Earl of Pembroke, und Mary Fitton, dem Ehrenfräulein der Königin Elisabeth. Wir hatten jedoch noch keine direkten Beweise für einen Zusammenhang zwischen Mrs. Fitton und Shakespeare, wenn auch ein solcher gemuthmaßt worden ist. Gestatten Sie mir daher, Ihre Leser von einer interessanten darauf bezüglichen Thatsache in Kenntniß zu setzen, welche beweist, daß eine enge Beziehung zwischen der erwähnten Dame und einem bekannten Mitgliede von Shakespeare's Truppe bestand.

Im Frühling des Jahres 1599 unternahm William Kemp eine Reise von London nach Norwich, die historisch geworden ist; in den Städten, die er passirte, tanzte er den „,morris" (Mohrentanz). Im folgenden Jahre veröffentlichte er ein Schriftchen mit genauer Angabe seiner Erlebnisse. In den Registern der Buchhändler steht es am 22. April 1600 als „Kemp's Morris to Norwiche" verzeichnet; gewöhnlich nennt man es åber nach der ersten Zeile des Titelblattes: „Kemp's Nine daies Wonder". Er erzählt uns, ,,daß er es selbst verfaßt habe zur Genugthuung seiner Freunde und zur Widerlegung der verleumderischen Gerüchte, die über ihn verbreitet wurden. Es trägt folgende Widmung: „To the true Ennobled Lady,

« PreviousContinue »