Page images
PDF
EPUB

des Josephus, Cynocephalia oder Osiritis des Plinius, Kynospastos und Aglaophotis des Aelian zu verstehen wäre. Da ist es wohl erlaubt, anzunehmen, daß die spätere Zeit an der älteren Ueberlieferung festgehalten haben werde, und wir haben einen Anhaltepunkt dafür gerade in dem von Shakespeare gebrauchten Worte mandrake, welches ohne allen Zweifel aus dem Pflanzennamen mandragora hervorgegangen ist. Die Mandragora ist eine Pflanzengattung aus der Familie der Solaneen, perennirende stengellose Kräuter mit fleischiger, oft gespaltener Wurzel, großen, ganzen, ovalen oder lanzettförmigen Blättern, einzeln stehenden, langgestielten Blüthen. Wir haben freilich keine Sicherheit dafür, daß eine Pflanze, welcher man heutzutage den Namen Mandragora beilegt, dieselbe Benennung auch im Alterthum gehabt habe, selbst wenn ältere Autoren schon den Namen Mandragora anführen. Indessen erzählt schon Theophrast, man habe diese Pflanze mit einem Schwerte mit einem dreifachen Kreise umschrieben, beim Ausschneiden blicke man nach Abend, umtanze sie und rede soviel wie möglich über Liebessachen. Da nun auch Plinius angiebt, daß die Mandragora einschläfernde Eigenschaften habe, und daß man sie vor schweren Operationen gebe, um den Schmerz zu nehmen*), so würde nichts Wesentliches dagegen einzuwenden sein, wenn man annehmen wollte, die heutige Mandragora sei mit der des Alterthumes übereinstimmend. Auch die von uns Mandragora genannte Pflanze hat nämlich narkotische Eigenschaften, sie wirkt einschläfernd und erzeugt einen Sinnesrausch, der recht gut dazu beigetragen haben mag, daß man ihr übernatürliche Eigenschaften beilegte. Die nach dem Genusse narkotischer Pflanzen eintretenden Sinnestäuschungen und Hallucinationen haben ja ohne Zweifel den ersten Anstoß zu dem Glauben an die Zauberkraft der Pflanzen gegeben, was ich hier nicht weiter ausführen darf. Es genügt, wenn ich wahrscheinlich gemacht habe, daß die gegen Zauber schützende, über Dämonen Herrschaft verleihende Pflanze der Alten die Mandragora des Theophrast und Plinius sei, aus welcher das. englische Wort mandrake hervorgegangen ist. Nun findet sich die Mandragora nur im östlichen Südeuropa und im Orient, so daß nicht bestritten werden kann, die Sage von der wunderbaren Wurzel sei aus dem Oriente auf den Westen übertragen worden. Hier kamen nun noch neue Züge hinzu. Nur unter dem Galgen und zwar aus dem Samen eines unschuldig Gehenkten sollte die Alraun

*) Hist. nat. Lib. XXV, 94: ante sectiones punctionesque, ne sentiantur.

wurzel wachsen. Ob der bei Shakespeare sich findende Zusatz, daß die Alraunwurzel bei ihrer gewaltsamen Entfernung aus der Erde ein Geschrei ausstoße, welches die Menschen, die es hören, wahnsinnig macht (Romeo und Julia) oder tödtet (König Heinrich VI. II.), Erfindung des Dichters oder eine Eigenthümlichkeit der englischen Alraunsage sei, kann ich nicht feststellen. Sicher ist nur, daß dieser Zug in der deutschen Alraunsage ursprünglich nicht vorhanden ist. Ich führe an, was in dem 1712 von Joh. Hübner herausgegebenen Natur-, Kunst-, Berg-, Gewerk- und Handlungs-Lexikon über die Alraunwurzel gesagt ist, weil hier das über die Alraunsage von Alters her Uebermittelte wohl noch unverfälscht vorhanden ist.

,,Alraun, Mandragora, Jabora, Dudaim, Circea *), Anthropomorphia, ist zweierlei, das Männlein, so Moreon und das Weiblein, so Thridacias genennet wird. Das Männlein wird in Spanien, Welschland und Frankreich in Gärten, von dem aus Candia gebrachten Saamen oder Wurzeln gezeuget; das Weiblein wächst viel in den Apulischen Gebirgen. Die Wurzelrinde, so meist aus Welschland gebracht wird, hat eine narkotische Schlaf bringende und Schmerzstillende Kraft, wird daher in Schmerzen und vielen Wachen von einer Section oder Ustion in Wein eingebeitzt, doch aber selten innerlich gebraucht. Aeußerlich dienet sie zu den entzündeten, rothen und schmertzhaften Augen, vor die Rose, harte Geschwülste, verhärtete Miltz, Kröpfe, Beulen, Schlangenbiß, und wenn ein Fuß-Bad davon gemacht wird, zur Beförderung des Schlafs. Was die Marktschreier vorgeben, als ob dergleichen Alraun, den sie Galgen-Männlein nennen, unter den Hochgerichten gegraben würden, woselbst sie aus der Erhenkten herunterfallenden Samen sich generirten, solches ist ein Fabel-Werk und Betrügerei, indem sie dergleichen Alraun aus der Mandragora-Wurtzel schnitzen, derselben menschliche Gestalt geben und damit die Wurzel Haare bekomme, ihr ein Gersten-Korn oder andere Samen einstecken, der hiernach auswächst und kleine Zäserlein als Haare vorstellet, worauf sie diesem also geschnitzten Bildgen ein klein weiß Hemd anziehen, ihm einen Gürtel um den Leib thun, solches in ein Schächtlein legen und also den Leuten verkauffen, welche hierauf ihr Vertrauen von Gott ab und auf so ein Hexen-Werck oder Alfanzerei setzen."

Es wird wohl erlaubt sein zu glauben, daß die Betrüger, welche Galgenmännchen verkauften, sich nicht streng an die Wurzel der Mandragora werden gehalten haben. Gewiß werden auch andere Wurzeln als Alraune verkauft worden sein, wenn sie nur Menschen ähnliche Gestalt hatten. Die Mandragora aber hatte in England diesen Erzeugnissen den Namen mandrake gegeben.

*) Auch Plinius giebt an, daß Einige die Mandragora Circaea nennen, also Pflanze der Circe.

III. Ueber die Wirkung des Hebenon im Hamlet und eine damit verglichene Stelle bei Plutarch.1)

Von Dr. R. Sigismund.

Ein Jeder, der mit der Wirkung der Gifte einigermaßen vertraut ist, hat wohl schon seine Bedenken gehabt über die Art und Weise, durch welche der Geist im Hamlet während seines Lebens auf der Oberwelt umgebracht worden zu sein erzählt.

Hamlet I, 5:

Da ich im Garten schlief,

Wie immer meine Sitte Nachmittags,

Beschlich dein Oheim meine sich're Stunde,

Mit Saft verfluchten Bilsenkrauts 2) im Fläschchen,
Und träufelt' in den Eingang meines Ohrs
Das schwärende Getränk; wovon die Wirkung
So mit des Menschen Blut in Feindschaft steht,
Daß es durch die natürlichen Kanäle
Des Körpers hurtig, wie Quecksilber, läuft;
Und wie ein saures Lab, in Milch getropft,
Mit plötzlicher Gewalt gerinnen macht
Das leichte reine Blut. So that es meinem,
Und Aussatz schuppte sich mir augenblicklich,
Wie einem Lazarus, mit ekler Rinde
Ganz um den glatten Leib.

So ward ich schlafend und durch Bruderhand

In meiner Sünde Blüthe hingerafft ...

Wir kennen kein Mittel, welches eine solche Veränderung im menschlichen Körper hervorzubringen im Stande wäre, besonders durch den unverletzten Gehörgang eingegossen. Nur ein Stoff, der zerstörend durch die Weichtheile und Knochen in das Gehirn dränge, könnte vom Gehörgange aus tödtlich wirken, wie z. B. konzentrirte Schwefelsäure, wenn sie in das Ohr gegossen würde; doch würde auch nach dieser nicht so augenblicklich der Tod erfolgen, wie der Geist beschreibt. Alle jene Gifte aber, welche in den Magen, oder gar in die Blutbahn gebracht, fast augenblicklich tödten, wie z. B. Blausäure, würden im unverletzten Gehörgange doch erst nach längerer Zeit zur Geltung kommen. Robiquet durfte seinen Finger den Dämpfen der Blausäure aussetzen, ohne Schaden für seine Gesundheit zu fühlen. Ganz absurd aber ist die Beschreibung des Geistes da, wo er von dem auf der Stelle tödtenden Gifte behauptet, der damit umgebrachte Körper habe sich augenblicklich 1) hebenon.

2) Siehe im Anschlusse hieran, Jahrbuch XVII, pag. 34.

mit einem Aussatze überschuppt. Wenn die Vernichtung des Lebens so plötzlich eintritt, kann sich nicht erst eine solche Veränderung der Haut bilden, wie sie der Geist angiebt. Höchst wahrscheinlich hatte hier der Dichter die Folgen im Auge, welche das gerade zu seiner Zeit mit furchtbarer Heftigkeit wüthende syphilitische Gift im affizirten Organismus nach sich zog. Der dasselbe oft begleitende schuppige Hautausschlag, welcher den Körper wie mit einer Borke überdeckt, war von dem Dichter gewiß an verschiedenen Menschen beobachtet worden und hatte auf seine Einbildungskraft einen solchen Eindruck gemacht, daß sich die Beschreibung desselben von selbst aufdrängte, als er die Wirkung eines recht fürchterlichen Giftes ausmalen wollte.1) Die genaue Kenntniß Shakespeare's von den Folgen der syphilitischen Ansteckung geht aus verschiedenen Stellen in seinen Stücken hervor, die ich in meiner Abhandlung: „Die medizinische Kenntniß Shakespeare's" gesammelt habe. Auch giebt es kein Medikament, welches eine Hautkrankheit von solcher Gewalt, wie sie der Geist im Hamlet uns vor die Augen führt, hervorzurufen im Stande wäre. Am wenigsten aber wäre hierzu das Bilsenkraut fähig, wodurch in der Schlegel und Tieck'schen Uebersetzung das cursed hebenon im Hamlet wiedergegeben ist. Es ist kein Zweifel, daß Shakespeare mit hebenon den Eibenbaum (taxus baccata) gemeint hat, wenn auch die Wirkung desselben durchaus nicht so energisch ist, wie sie der Geist im Hamlet darstellt. Gewiß ist, daß Blätter und Zweige als Narkotika wirken, so daß Erbrechen, Schwindel, Erweiterung der Pupille, selbst Konvulsionen entstehn, und man wird nicht bestreiten können, daß der Genuß großer Quantitäten selbst den Tod eines Menschen herbeiführen könne. Bei alledem bleibt auffallend, daß Shakespeare dem Safte des Hebenon die Kraft zuschreibt, das Leben eines schlafenden Menschen vernichten zu können, wenn er in das Ohr desselben gegossen wird. Weder bei den Aerzten, noch im Volksglauben konnte er die Anregung zu diesem Gedanken geschöpft haben, und ich kann eine Erklärung dafür nur in einer Stelle des Plutarch finden. Im dritten Buche seines Symposiakon im ersten Problem behandelt er die Frage, ob man beim Zechen Blumenkränze gebrauchen solle und führt einen Arzt Tryphon redend auf, welcher darlegt, daß Dionysos nicht nur den Wein, das stärkste und angenehmste Arzeneimittel, erfunden habe, weshalb er für einen guten

1) a most instant tetter bark'd about ... with vile and loathsome crust all my smooth body.

Jahrbuch XX.

21

Arzt gehalten worden sei; er habe auch die Bacchanten gelehrt, sich mit Epheu zu bekränzen, weil der Epheu die Kraft besitze, dem Weine Widerstand zu leisten und durch die ihm eigenthümliche Kälte die Trunkenheit zu löschen. Schon die Namen mancher Pflanzen, welche die Alten aufgelegt hätten, bewiesen ihre Kenntniß von deren Wirksamkeit. Den Nußbaum hätten sie Karya genannt, weil er einen schweren, betäubenden (xaqwrixóv) Hauch von sich gebe, welcher die unter ihm Gelagerten schädige u. s. w.

[ocr errors]

Wegen ihrer Bekanntschaft mit den Kräften der Pflanzen hätten die Alten beim Trinken Kränze angelegt, denn die Aushauchungen der Blumen befestigten den Kopf wie eine Burg zur Vertreibung der Trunkenheit...... die Kränze von Veilchen und Rosen hätten etwas Zusammenziehendes und unterdrückten durch ihren Geruch die Kopfschmerzen. Die Kyprosblüthe, der Krokos, die Bakkaris führe Diejenigen, welche getrunken hätten, zu einem angenehmen Schlafe hinüber. Es sei aber nicht zu verwundern, wenn die Ausdünstungen der Kränze eine solche Kraft hätten, denn „man erzähle, daß sogar der Schatten des Taxus (quíλaxos) Menschen, welche unter ihm schliefen, tödte zur Zeit, wo er am meisten in Kraft stehe und Blüthen treibe."1) Auch der Geist im Hamlet erzählt, im Schlafe umgebracht worden zu sein, und zwar durch Hebenon, was mir zu beweisen scheint, daß Shakespeare die Anregung zu der auffallenden Art und Weise, wie er den alten Hamlet beseitigen läßt, aus dieser Stelle des Plutarch erhielt. Wenn der Dichter gelesen hatte, daß schon im Schatten des Eibenbaumes schlafende Menschen durch dessen Ausdünstungen getödtet werden könnten, so lag ihm gewiß der Gedanke nahe, daß der Saft desselben Baumes, wenn nicht mit größerer, so doch mit gleicher Energie wirken müsse, wie dessen bloße Ausdünstung. Auch mußte ihm nach der Stelle des Plutarch für wesentlich erscheinen, daß der Saft einem Schlafenden in das Ohr gegossen wurde; denn der griechische Schriftsteller sagt nichts davon, daß auch Menschen, welche wachend im Schatten des Eibenbaumes zubringen, Gefahr liefen.

Auf diese Weise erhalten wir eine Erklärung für die sonderbare Vergiftungsart im Hamlet. Wir können bei Shakespeare gewiß sein, daß er nicht als Todesursache eine Einwirkung gewählt haben wird, von deren Absurdität er überzeugt war, da er sich

1) ἱστοροῦσι γὰρ, ὅτι καὶ σκιὰ σμίλακος ἀποκτίννυσιν ἀνθρώπους ἐγκαταδαρ θόντας . . .

« PreviousContinue »