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II. Karl La Roche,

der Nestor der deutschen Schauspieler, wurde am 12. Oktober 1794 zu Berlin geboren und starb als k. k. Hofschauspieler am 11. März 1884 in Wien, im 90. Lebensjahre. Den 10. Juni 1811 betrat er zum ersten Mal die weltbedeutenden Bretter, auf denen er 68 Jahre thätig war (im Jahre 1879 trat er zum letzten Mal auf). Seine künstlerische Ausbildung erhielt er in Weimar, wo er am 12. März 1823 debütirte und bis zum 1. März 1833 als Schauspieler wirkte. Goethe's Einfluß auf La Roche war entscheidend für seine Entwickelung. Von Shakespeare-Rollen spielte er in dieser Zeit Edmund und Hofnarr im Lear, Osrick und Polonius in Hamlet, Rosse in Macbeth, Mercutio in Romeo, Shylock im Kaufmann. Nach einem glänzenden Gastspiele in Wien wurde er 1833 an die Burg engagirt, der er bis zum Tode, als Liebling des Wiener Publikums, angehörte.

Laube sagt von ihm:

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„Wir würden eine Hekatombe von wirklich blos denkenden Künstlern opfern, wenn wir dem alten Herrn die 35 Jahre vom Scheitel abstreifen und ihn wieder jung machen könnten."

Miscellen.

I. F. J. Furnivall.

Dem so hochverdienten Forscher auf dem Gebiete altenglischer Literatur, einem der wichtigsten und thätigsten Mitglieder der Early English Text Society, dem Begründer und Direktor der New English Shakspere Society, F. J. Furnivall, ist die wohlverdiente Auszeichnung zu Theil geworden, daß die Berliner Universität ihm das Doktor-Diplom verliehen hat. Wir beglückwünschen unsern englischen Fachgenossen von ganzem Herzen.

II. Ueber die Bedeutung des Mandrake bei Shakespeare, sowie über die historische Entwickelnng dieses Begriffes. Von Dr. R. Sigismund.

Unter den Schrecken, welche die arme Julia zu finden fürchtet, wenn sie von dem Schlaftrunke des Mönchs Lorenzo in der Gruft ihrer Ahnen früher erwachen sollte, als ihr der liebende Romeo zu Hilfe kommen könnte, nennt sie auch

Romeo und Julia IV, 3:

Weh, weh! könnt' es nicht leicht geschehn, daß ich
Zu früh erwachend und nun ekler Dunst,
Gekreisch wie von Alraunen, die man aufwühlt,
Das Sterbliche, die's hören, sinnlos macht

O wach' ich auf, werd' ich nicht rasend werden,
Umringt von all' den gräuelvollen Schrecken...

Der englische Text:

shrieks like mandrakes' torn out of the earth,

That living mortals, hearing them, run mad

bezeichnet näher, worauf es ankommt. Nicht beim Aufwühlen der Alraune (mandrakes) geschieht es, daß sie jene Schreie von sich geben; wesentlich ist das Herausziehen derselben aus der Erde (torn out of the earth), wie ich noch näher ausführen werde.

Die Alraune waren Wurzeln, deren Besitz den Menschen mancherlei übernatürliche Gewalt gewähren sollte, aber sie waren nur mit großer Gefahr zu erlangen, da sie sich ihrer Entfernung aus der Erde widersetzten. In Romeo und Julia macht das Geschrei, welches sie hierbei ausstoßen, den Menschen wahnsinnig. Nach einer anderen Stelle aber tödtet es sogar:

Heinrich VI. II. ш, 2:

Suffolk.

Weh ihnen! Warum sollt' ich sie verfluchen? Wär' Fluchen tödtlich wie Alraunen-Aechzen, So wollt' ich bittre scharfe Wort' erfinden. Und zwar enthält der Vers:

...

Would curses kill, as doth the mandrake's groan

die allgemein giltige Meinung. Derjenige, welcher die Wurzel selbst auszog, war dem Tode verfallen, deshalb mußten besondere Maßregeln getroffen werden, wenn man sich derselben ohne eigene Gefahr bemächtigen wollte. Da aber die Alraunwurzeln als Gold-, Heck-, Galgen-, Erd- oder Alraunmännchen von Abergläubischen wegen der vermeintlichen Kraft, Glück und Geld zu gewähren, viel

begehrt wurden, so verkauften Betrüger Wurzeln, denen man die Gestalt eines Männchens gegeben hatte. Diese wurden, noch mit auffallender Kleidung angeputzt, in Kästen an geheimen Orten der Häuser aufbewahrt. Man setzte ihnen von jeder Mahlzeit Etwas zu essen und zu trinken vor, wusch sie Sonnabends, zog ihnen am Neumond frische Kleider an. Shakespeare muß dergleichen Wurzelmänner öfter gesehen haben, denn er vergleicht magere und kleine Menschen mit ihnen. So nennt Falstaff den Pagen, welchen ihm der Prinz zum Begleiter gegeben hat: thou whoreson mandrake. König Heinrich IV. II. 1, 2:

Wenn der Prinz dich aus irgend einer anderen Ursache bei mir in Dienst gegeben hat, als um gegen mich abzustechen, so habe ich keinen Menschenverstand. Du verwünschtes Alräunchen, ich sollte dich eher auf meine Mütze stecken, als daß du meinen Fersen folgst. Auch der Friedensrichter Shallow wird von Falstaff mit einem Wurzelmännchen verglichen, and the whores called him mandrake. König Heinrich IV. II. ш, 2:

.. Ich erinnere mich seiner in Clemens-Hof, da war er wie ein Männchen, nach dem Essen aus einer Käserinde verfertigt; wenn er nackt war, sah er natürlich aus wie ein gespaltner Rettig, an dem man ein lächerliches Gesicht mit dem Messer ausgeschnitzt hat; er war so schmächtig, daß ein stumpfes Gesicht gar keine Breite und Dicke an ihm wahrnehmen konnte. Der wahre Genius des Hungers, dabei so geil wie ein Affe, und die Huren nannten ihn Alräunchen.

Da, wie diese Stellen beweisen, die Alraunwurzel in der Phantasie unseres Dichters keinen geringen Raum einnahm, so dürfte es wohl zu entschuldigen sein, wenn wir uns hier der Mühe unterziehn, der Entstehung der Alraunsage nachzuspüren. Wir haben zu diesem Zwecke in die graue Vorzeit zurückzukehren, denn die ersten uns erhaltenen Spuren finden sich bei dem unsterblichen Sänger der Odyssee. Auf seiner Irrfahrt war der göttliche Dulder Odysseus mit seinen Gefährten an der Insel Aeaea gelandet, wo Kirke, die Tochter der Okeanide Perse und des Sonnengottes, wohnte. Diese nimmt die als Kundschafter ausgeschickten Genossen des Odysseus freundlich auf, bewirthet sie, hat aber bethörende Säfte in das vorgesetzte Gericht gemischt und als sie die Männer nach dem Genusse desselben mit ihrer Ruthe berührt, verwandeln sie sich in Schweine, und diese werden in Kofen gesteckt.

Als nun Niemand zu ihm zurückkehrt, macht sich Odysseus selbst auf den Weg, die Verlorenen aufzusuchen; und sicher wäre auch er dem Verderben durch die Zauberin nicht entgangen, hätte

sich nicht der Gott Hermeias seiner erbarmt und ihm ein Mittel gegeben, durch welches er sich gegen die Künste der Kirke schützen konnte, bestehend in einer heilsamen Pflanze, deren Tugend verhinderte, daß ihn die genossenen Mittel umschaffen konnten. (S. Odyssee X, v. 275 an). Die Verse, welche diese Wunderpflanze näher bezeichnen, lauten folgendermaßen (nach Voß):

Also sprach Hermeias und gab mir die heilsame Pflanze, Die er dem Boden entriß und zeigte mir ihre Natur an: Ihre Wurzel war schwarz, und milchweiß blühte die Blume; Moly wird sie genannt von den Göttern. Sterblichen Menschen Ist sie schwer zu graben; doch Alles vermögen die Götter. In dieser Stelle ist der ganze Kern der Wundersage von der Alraunwurzel enthalten. Die Worte:

Sterblichen Menschen

Ist sie schwer zu graben; doch Alles vermögen die Götter*)

sind nicht so zu deuten, als habe die Pflanze eine so tief gehende, feststeckende Wurzel gehabt, daß man sie nur schwer habe ausgraben können. In diesem Sinne schreibt zwar noch Theophrast in seiner Geschichte der Pflanzen (Lib. IX, 15) von einer Pflanze, die er Moly nennt und die eine Zwiebelpflanze ist, man brauche sie zu Gegengiften und Zaubereien, sie sei aber nicht, wie Homer behaupte, schwer zu graben.**) Auch Plinius erzählt, demselben Gedankengange folgend (Hist. nat. Lib. XXV, 4), daß man zum Ausgraben der dreißig Fuß langen, zwischen Felsen wachsenden Wurzel einer Pflanze Moly in Campanien einige Tage nöthig habe. Man muß aber berücksichtigen, daß die Sage von der gegen Zauberei schützenden Wurzel nicht auf griechischem Boden erstanden ist, sowie der Gedanke an Zauberei überhaupt den Hellenen ursprünglich fremd war. In der Ilias finden wir keine Spur davon und Alles, was die Odyssee von Zauberei erwähnt, verlegt sie auf außerhellenischen Boden. Höchst wahrscheinlich sind hier nur ägyptische, arabische, indische, persische Stoffe von den Hellenen angenommen und überarbeitet worden. Erst später hatte Thessalien seine Zauberinnen, die frühere Zeit der Odyssee aber hatte die ausländische Vertreterin der Zauberei in der Kirke, während die Argonautensage die Ausländerin Medea hatte. Nur in Aegypten hatte Helena das Mittel gegen Kummer und Groll und aller Leiden

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ἀνδράσι γε θνητοῖσι· θεοὶ δὲ τε πάντα δύνανται. **) οὐ μὴν ὀρύττειν γε εἶναι χαλεπὸν ὡς Ομηρός φησι.

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