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So geht's bis zu der Kirchenthür,
Wo ernst der Pfarrer tritt herfür,
Des Amtes ernst zu walten."

Fletcher:

,,Doch als er Willy Kemp erschaut,
Da überkommt's ihn, daß er laut
Den Ernst in Frohsinn kehret.
Ein Aldermann, der bei ihm was,
Verstand indeß nicht Willy's Spaß

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Der packt ihn und erkläret:

,Thut Kirchenbuße, Freundchen!" Traun,

So ist's, wenn man nicht Kemp, dem Clown,
Sein Straßen-Handwerk wehret."

Allgemeiner Applaus.

,,Optime fecisti, domine Fletcher!

ein volles Glas!" donnerte Ben Jonson.

Ich bringe deiner Moral

,,Und ich ein Gleiches dem, der uns eine zweite Geschichte erzählt, mag sie wahr oder erfunden sein", lachte Sir Walter.

Sir Francis Bacon, der junge Rechtsgelehrte, damals bereits als philosophischer Schriftsteller bekannt, angesehen bei Hofe, wie im Parlamente, meldete sich zum Wort.

,,Meine Geschichte", hub Bacon an, ,,kann zwar weder auf Witz noch auf Pointe Anspruch machen, doch sie ist wahr und wird insbesondere meinen verehrten Freund William Shakespeare interessiren, da sie ihn wesentlich angeht."

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Wir sind ganz Ohr, Sir Francis."

,,Als ich", begann der Letztere, „nach der Einnahme von Cadix mit Mylord Essex und in dessen Gefolge eines Tages zu Hofe ging, hatte ich das Glück, in Whitehall eine glänzende Versammlung zu treffen, in welcher William Shakespeare seine lustigen Weiber von Windsor vorlas. Die Königin, sowie der ganze Kreis der erlauchten Zuhörer spendeten dem köstlichen Humor unseres Meisters William den ungetheiltesten Beifall. Nur die Palastdame Lady Howard, bekanntlich linkseitig schwerhörig, auf dem rechten Ohre stocktaub, war eben wegen ihres Gehörsmangels nicht in der Lage, in den allgemeinen Jubel einstimmen zu können, frug jedoch, um sich im großen Ganzen zu informiren, den zu allen Teufeleien allzeit aufgelegten Lord Kämmerer Hastings: „Was liest denn der blasse Herr mit der hohen Stirn?",,,,Liebesgeschichten!"" Ein lang gedehntes Oh der Dame folgte dieser Auskunft. „Ich hoffe, daß die Schrift nichts Unpassendes enthält. Und wer ist der Verfasser?" „Wenn Sich Ew. Gnaden bemühen wollen, Dero

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gestrengen Blicke dem jungen Manne zuzuwenden, der dort neben Mylord Essex steht der hat das ganze Buch geschrieben und noch dazu ganz aus dem Kopfe.",,,,Ihr bindet mir doch Nichts auf, wie es Eure Gewohnheit ist, Mylord Kämmerer?" „,„O, wie würde ich es wagen „Na, na! doch, wer ist's denn gleich? Ist's nicht?",,,,Sir Francis Bacon, Baronet, Advokat und Parlamentsmitglied."" "So, so - der kleine Siegelbewahrer, wie ihn Ihro Majestät zu nennen geruhten, als er noch ein Knabe war dem Lord Burleigh kein Staatsamt giebt, weil er es mit Essex hält.",,,,Derselbe aber still! er treibt das Komödienschreiben ganz incognito; es ist nicht vornehm, Theaterstücke zu verfassen, drum muß ein Schauspieler von Blackfriars seinen Namen dazu hergeben, Bacon's ungentile Passion zu decken."" „Und wie nennt sich dieser Schauspieler?" ",,,William Shakespeare mit Ew. Gnaden Erlaubniß, der Vorleser dort, der mit der hohen Stirn."" „Ah, von dem habe ich allerdings schon gehört dessen Stücke hat also der kleine Francis Bacon gemacht?" „,,„Ew. Gnaden können dies dreist nacherzählen!"" Dies hat denn nun auch die gute alte Dame mit solcher Beharrlichkeit geleistet, daß mir noch gegenwärtig Hasting's schlechter Witz zu der Ehre verhilft, als der Autor der Shakespeare'schen Dramen zu gelten. Es giebt eine Menge Narren, die darauf schwören, ich hätte den Hamlet gedichtet.“

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„Nun bei Gott!" ließ sich Shakespeare vernehmen; „wenn mein Wittenberger Student Eure Metaphysik vertreten soll, Sir Francis, dann erbarme sich der Himmel Eurer Philosophie!"

„Ja, es ist unglaublich", fügte Jonson hinzu, „,welcher Unsinn nicht heut zu Tage zur Welt befördert und geglaubt wird. Nullus est imperitus scriptor, qui lectorem non inveniat."

„Und immer geht das Unheil von alten Weibern aus", bemerkte Nash.1)

„Oder von gallsüchtigen Kritikern", grollte Fletcher; „kein Wunder, wenn man nächstens bestreitet, daß wir überhaupt existirt haben."

,,Das dürfte bei Euch nicht ohne Grund sein, John“, entgegnete Nash. „Weiß man jetzt schon nicht, was Beaumont, was Fletcher ist, wie soll die Nachwelt darüber ins Klare kommen? Wundert Euch deshalb nicht, wenn man Euch überhaupt einmal in der Ungeduld für einen Mythus erklärt."

1) cf. Jahrbuch XIX, 287 ff.

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,,Die böse Nachwelt!" bemerkte Donne. Wird sie Wohlwollen und Besonnenheit genug aufwenden, Euch Beide, Jeden in seiner Sonderheit jemals zu indentifiziren? Wird sie dereinst an Eine Eurer Reliquien, wie etwa an Eure Schädel pietätvoll herantreten, wenn diese ein Zufall ans Licht dieser zweifelsüchtigen Welt bringen sollte? Ich will Euch einen Vorschlag zur Güte machen: Laßt Eure Knochen aichen oder doch wenigstens durch den Todtenbeschauer ex munere et officio vidimiren da seid Ihr für die Folgezeit gegen jede Verwechslung sicher gestellt."

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Inzwischen hatte Raleigh den Astrologen ins Auge gefaßt. — „Ihr habt Euch bisher, gelehrter Herr, schweigsam verhalten. Ich bitte, tretet aus Eurer Zurückhaltung heraus und gebt uns ein Pröbchen Eurer Kunst. Eure Studien setzen Euch in den Stand, unser dereinstiges Schicksal zu prognostiziren, wenn Euch Tag und Stunde der Geburt genau bestimmt werden. Ist's nicht so?" ,,Gewiß, Sir Walter", antwortete der Astrolog; „doch dünkt mich, ist's ein gefährlich Spiel —“

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„Kein Spiel, Sir hier giebt es Gläubige genug. Was meint Ihr, Ben Jonson ?"

,,Astra regunt homines, sed regit astra Deus!" rezitirte der Lateiner.

,,Sehr Ihr wohl?" wendete sich Raleigh wieder an den Oxforder Gelehrten. Und so ersuche ich Euch, stellt mir das Horoskop. Hier habt Ihr genau bis auf die Minute meinen Eintritt in diese Welt des Athmens verzeichnet." Damit beschrieb er ein Blatt Papier und reichte es dem Astrologen herüber, der erst mit der Annahme zögerte, jedoch, da er in Raleighs Mienen Etwas wahrnehmen mochte, was er für eine ernstliche Aufforderung ansehen mußte, den Mitteltisch verließ und sich auf einem Seitenplatz in seine Berechnungen vertiefte.

,,Derweil unser gelehrter Gast mit mathematischer Gewißheit die Zukunft fixirt, laßt uns, meine Freunde, die Gegenwart ausnützen", perorirte Raleigh. „Da bringt uns Franz, der Küfer, einen Pudding, wie ihn nur eine Mrs. Dumbleton hervorzuzaubern vermag, ein Gedicht von Ei und Zucker. Das will warm und andachtsvoll verspeist sein. Nash, füllt die Gläser! Wir bringen es der zehnten Muse, der Mrs. Dumbleton, dem liebreizenden Meerweibchen!"

Die Gefeierte zeigte sich in der offenen Thür des Vorgemachs, knixte lächelnd und verschwand alsbald wieder.

„Der Astrolog scheint fertig zu sein", raunte man sich zu, als dieser sich erhoben hatte.

,,Nun, das Resultat Eurer Forschung?" frug Raleigh gespannt. ,,Aber nur verkündbar in Reimen!" höhnte Bacon.

Der Astrolog heftete einen durchdringenden Blick auf den jungen Philosophen. „Ich wünschte", sagte er in scharfem Tone, ,,meine Forschung bliebe, was sie Euch ja ist, ungereimt.“

,,So nehmt sie auch ungesagt mit nach Hause", erwiderte Bacon. „Nicht um eine Million!" drängte Sir Walter. „Heraus damit und nicht hinter dem Berge gehalten! Ich frage feierlich: was wird mit ihm, dessen Nativität auf jenem Blatte dort verzeichnet steht? Ich will Wahrheit und bitte", fügte er hinzu, „dem Spötter Bacon zum Trotz, in lustigen Reimen."

,,Ihr wollt "es", sagte der Astrolog mit zitternder Stimme, so hört:

,,Wohl

Bei hoher Fluth und Vollmondschein

Kamst du zur Welt. Groß magst du sein,

Doch röthlich ging der Tag dir auf

Und blutig endet einst dein Lauf." 1)

Ueber Raleigh's schönes Gesicht flog ein Schatten. Der philosophische Rechtsgelehrte musterte unwillkührlich und mit seinem stereotypen Lächeln den vollen, langgestreckten Hals des Höflings.2) ,,Wie ungeschickt!" flüsterte Shakespeare.

,,Ein plumper Geselle, dieser Chaldäer", meinte Donne.

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,,Er hat die Lust verscheucht und die Geselligkeit gestört durch höchst fremdart'ge Grillen","), deklamirte Burbage.

„Ich bitte Euch, meine Freunde", nahm Raleigh das Wort, ,,laßt Euch den Spruch des gelehrten Herrn nicht verdrießen bin ich doch Soldat und hoffe sogar, meinen letzten Seufzer nicht in ein friedliches Kopfkissen auszuhauchen. Nash! schafft neuen Stoff! Denn seht, da kommt der magre Heinz, da kommt das Beingerippe Henry Zuckersekt! Sagt an, Chettle, warum so spät? Warum post coenam?"

1) Diese Prophezeihung ist eigentlich dem am 23. Aug. 1628 ermordeten Georg Villiers, Herzog v. Buckingham, dem Günstling Jakobs I. und Karls I., zu Theil geworden.

2) Als Raleigh am 29. Oktober 1618 das Schaffot bestieg, war Bacon, nachdem er inzwischen zum Viscount v. St. Albans und Lord v. Verulam befördert worden, Großsiegelbewahrer.

3) Macbeth, III, 4.

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er nährt

„Oh, Henry Chettle hat mit den Göttern gespeist sich bekanntlich nur von Ambrosia", sagte Shakespeare und verschwand mit Kemp aus dem Herrenzimmer.

Da stand er, der leibhaftige Sir John Falstaff mit seinem weingedunsenen Gesicht, auf dessen faunischen Zügen sich eben so viel Gutmüthigkeit als Verschmitztheit abspiegelte; da stand er mit seiner kahlen Krone, umsäumt von einem Kranz kurzwolliger, stark ins Weiße spielender Haare; da stand er mit seinem massigen Schmerbauch, dessen Vollgewicht selbst das stämmige Untergestell nur mühsam zu stützen schien. Der fette Stiernacken, die breiten Schultern, über die sich das hellgelbe, knapp anliegende Wams spannte, die Kürze der mit ungeheuren Pluderhosen bekleideten Beine gaben der Figur des Dramatikers, wenn sie sich nach vorwärts schob, das Aussehen einer rollenden Kugel. Dabei ließ er bei jedem Schritt, den er that, seinen Raufdegen mit solchem Nachdruck gegen den Erdboden klirren, daß sich Jedermann für verwarnt ansehen mußte, sich nicht allzu leichtfertig in das Bereich dieser Klinge zu wagen. Auch war der vom Gürtel herabhängende Dolch im Verein mit dem stark gekräuselten martialischen Schnauzbart sehr wenig dazu angethan, für die Friedensliebe des Inhabers ein besonders günstiges Vorurtheil zu erwecken.

„Ich sehe schon", sagte er, Mantel und Degen ablegend, „man hat mir Nichts übrig gelassen, als ein paar armselige Nüsse; da muß ich mich wohl an den Sekt halten. Schenk ein, Nash!"

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Woher des Wegs, Henry!" frug dieser.

,,Von Bankside, Tom, wo du nicht warst und wo du hättest sein sollen."

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Warum das?"

Warum das? O caeca mens mortalium! In die Finsterniß deines Hirns wird schwerlich ein Lichtstrahl der Erkenntniß Eingang finden, wenn du ihm geflissentlich die Thür vor der Nase zuschlägst. Du ein Kritiker? Häng deine Kritik, wenn sie sich nur im Sumpfe der Selbstgefälligkeit mästet. Ihr Alle! wo wart Ihr, als man in Bankside Chettle's Hoffmann vorführte? Und der Shakespeare "

,,Alle Wetter, du giftiger Molch", rief Jonson, „wenn du William Shakespeare verlästern willst, so warte wenigstens, bis er wieder da ist."

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Was da! es kommt Alles auf Eins hinaus! Lernen hätte er

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