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es im Begriff des Geistes, daß der Mensch von Natur böse ist und man hat sich nicht vorzustellen, daß dieß auch anders seyn könnte. Insofern der Mensch als Naturwesen ist und fich als solches verhält, so ist dieß ein Verhältniß, welches nicht seyn soll. Der Geist soll frei und das was er ist, durch sich selbst seyn. Die Natur ist für den Menschen nur der Ausgangspunkt, den er umbilden soll. Der tiefen kirchlichen Lehre von der Erbsünde steht die Lehre der modernen Auf- klärung gegenüber, daß der Mensch von Natur gut sey und also dieser getreu bleiben müsse. Das Heraustreten des Menschen aus seinem natürlichen Seyn, ist die Unterscheidung desselben, als eines felbstbewußten von einer äußerlichen Welt. Dieser zum Begriff des Geistes gehörige Standpunkt der Trennung ist es dann aber auch nicht, auf welchem der Mensch bleiben soll. In diesen Standpunkt der Entzweiung fällt die ganze Endlichkeit des Denkens und des Wollens. Der Mensch macht sich hier Zwecke aus sich und nimmt aus sich den Stoff seines Handelns. Indem er diese Zwecke auf die höchste Spize treibt, nur sich weiß und will in seiner Besonderheit mit Ausschluß des Allgemeinen, so ist er böse und dieses Böse ist seine Subjektivität. Wir haben hier dem ersten Anschein nach ein gedoppeltes Böses; allein beide sind in der That daffelbe. Der Mensch insofern er Geist ist, ist nicht ein Naturwesen; insofern er als solches sich verhält und den Zwecken der Begierde folgt, so will er dieses. Das natürliche Böse der Menschen ist also nicht wie das natürliche Seyn der Thiere. Die Natürlichkeit hat dann näher diese Bestimmung, daß der natürliche Mensch ein Einzelner als solcher ist, denn die Natur liegt überhaupt in den Banden der Vereinzelung. Insofern der Mensch somit seine Natürlichkeit will, so will er die Einzelnheit. Gegen dieses der natürlichen Einzelnheit angehörige Handeln aus Trieben und Neigungen, tritt dann allerdings auch das Gesez, oder die

allgemeine Bestimmung auf. Dieses Gesetz mag nun eine äußere Gewalt seyn oder die Form göttlicher Autorität haben. Der Mensch ist in der Knechtschaft des Gesezes, so lange er in seinem natürlichen Verhalten bleibt. In seinen Neigungen und Gefühlen, hat nun der Mensch wohl auch über die selbstische Einzelnheit hinausreichende wohlwollende, sociale Neigungen, Mitleid, Liebe u. f. f. Insofern aber diese Neigungen unmittelbar sind, so hat der an sich allgemeine Inhalt derselben doch die Form der Subjektivität; Selbstfucht und Zufälligkeit haben hier immer das Spiel.

§. 25.

Der Ausdruck von objektiven Gedanken bezeichnet die Wahrheit, welche der absolute Gegenstand nicht blos das Ziel der Philosophie seyn soll. Er zeigt aber überhaupt sogleich einen Gegensaß und zwar denjenigen, um dessen Bestimmung und Gültigkeit das Interesse des philosophischen Standpunkts jeziger Zeit und die Frage um die Wahrheit und um die Erkenntniß derselben sich dreht. Sind die Denkbestimmungen mit einem festen Gegensage behaftet, d. i. sind sie nur endlicher Natur, so sind sie der Wahrheit, die absolut an und für sich ist, unangemessen, so kann die Wahrheit nicht in das Denken eintreten. Das Denken nur endliche Bestimmungen hervorbringend und in solchen sich bewegend, heißt Verstand (im genauern Sinne des Wortes). Näher ist die Endlichkeit der Denkbestimmungen auf die gedoppelte Weise aufzufafsen, die eine, daß sie nur subjektiv sind und den bleibenden Gegensaz am Objektiven haben, die andere, daß sie als beschränkten Inhaltes überhaupt sowohl gegen einander als noch mehr gegen das Absolute im Gegensaze verharren. Die dem Denken zur Objektivität gegebenen Stellungen sollen als nähere Einleitung, um die Bedeutung und den Standpunkt, welcher hier der Logik gegeben ist, zu erläutern und herbeizuführen, nun betrachtet werden.

In meiner Phänomenologie des Geistes, welche deswegen bei ihrer Herausgabe als der erste Theil des Sy≤ stems der Wissenschaft bezeichnet worden, ist der Gang ges nommen, von der ersten, einfachsten Erscheinung des Geistes, dem unmittelbaren Bewußtseyn, anzufangen und die Dialektik desselben bis zum Standpunkte der philosophischen Wissenschaft zu entwickeln, dessen Nothwendigkeit durch diesen Fortgang aufgezeigt wird. Es fonnte hiefür aber nicht beim Formellen des bloßen Bewußtseyns stehen geblieben werden; denn der Standpunkt des philosophischen Wissens ist zugleich in sich der gehaltvollste und konkreteste, somit als Resultat hervorgehend fezte er auch die konkreten Gestalten des Bewußtseyns, wie z. B. der Moral, Sittlichkeit, Kunst, Religion voraus. Die Entwickelung des Gehalts, der Gegenstände eigenthümlicher Theile der philosophischen Wissenschaft, fällt daher zugleich in jene zunächst nur auf das Formelle beschränkt scheinende Entwickelung des Bewußtseyns, hinter deffen Rücken jene Entwickelung so zu sagen, vorgehen muß, insofern sich der Inhalt als das Ansich zum Bewußtseyn verhält. Die Darstellung wird dadurch verwickelter, und was den konkreten Theilen angehört, fällt zum Theil schon mit in jene Einleitung. Die hier vorzunehmende Betrachtung hat noch mehr das Unbequeme, nur historisch und räsonnirend sich verhalten zu können; ste soll aber vornehmlich zu der Einsicht mitwirken, daß die Fragen, die man in der Vorstellung über die Natur des Erkenners, über Glauben und so ferner vor sich hat, und für ganz konkret hält, sich in der That auf einfache Gedankenbestimmungen zurückführen, die aber erst in der Logik ihre wahrhafte Erledigung erhalten.

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A.

Erste Stellung des Gedankens zur Objektivität.

S. 26.

Die erste Stellung ist das unbefangene Verfahren, welches noch ohne das Bewußtseyn des Gegensazes des Denkens in und gegen sich den Glauben enthält, daß durch das Nachdenken die Wahrheit erkannt, das, was die Objekte wahrhaft sind, vor das Bewußtseyn gebracht werde. In diesem Glauben geht das Denken geradezu an die Gegenstände, reproducirt den Inhalt der Empfindungen und Anschauungen aus sich zu einem Inhalte des Gedankens und ist in solchem als der Wahrheit befriedigt. Alle anfängliche Philosophie, alle Wissenschaften, ja selbst das tägliche Thun und Treiben des Bewußtseyns lebt in diesem Glauben.

S. 27.

Dieses Denken kann wegen der Bewußtlosigkeit über seinen Gegensaz eben sowohl seinem Gehalte nach ächtes spekulatives Philosophiren seyn, als auch in endlichen Denkbestimmungen d. i. in dem noch unaufgelösten Gegensaße verweilen. Hier in der Einleitung kann es nur das Interesse seyn, diese Stellung des Denkens nach seiner Grenze zu betrachten, und daher das letztere Philosophiren zunächst vorzunehmen. Dieses in seiner bestimmtesten und uns am nächsten liegenden Ausbildung war die vormalige Metaphysik, wie sie vor der kantischen Philosophie bei uns beschaffen war. Diese Metaphysik ist jedoch nur in Beziehung auf die Geschichte der Philosophie etwas Vormaliges; für sich ist sie überhaupt immer vorhanden, die bloße Verstandes- Ansicht der VernunftGegenstände. Die nähere Betrachtung ihrer Manier und ihres Hauptinhaltes hat daher zugleich dieß nähere präsente Interesse.

§. 28.

Diese Wissenschaft betrachtete die Denkbestimmungen als die Grundbestimmungen der Dinge; sie stand durch diese Vorausseßung, daß das, was ist, damit daß es gedacht wird, an sich erkannt werde, höher als das spätere kritische Philosophiren. Aber 1) wurden jene Bestimmungen in ihrer Abstraktion als für sich geltend und als fähig genommen, Prädikate des Wahren zu seyn. Jene Metaphysik sezte überhaupt voraus, daß die Erkenntniß des Absoluten in der Weise geschehen könne, daß ihm Prädikate beigelegt werden, und untersuchte weder die Verstandesbestimmungen ihrem eigenthümltchen Inhalte und Werthe nach, noch auch diese Form, das Absolute durch Beilegung von Prädikaten zu bestimmen.

Solche Prädikate sind z. B. Daseyn, wie in dem Sage: Gott hat Daseyn; Endlichkeit oder Unendlichkeit, in der Frage, ob die Welt endlich oder unendlich ist; einfach, zusammengesezt, in dem Sage: die Seele ist einfach; ferner das Ding ist Eines, ein Ganzes u. f. f. — Es wurde nicht untersucht, ob solche Prädikate an und für fich etwas Wahres seyen, noch ob die Form des Urtheils Form der Wahrheit seyn könne.

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Zufat. Die Vorausseßung der alten Metaphysik war die des unbefangenen Glaubens überhaupt, daß das Denken das Ansich der Dinge erfasse, daß die Dinge, was sie wahrhaft find, nur als gedachte sind. Das Gemüth des Menschen und die Natur, find der sich stets verwandelnde Proteus und es ist eine sehr nahe liegende Reflexion, daß die Dinge, wie sie sich unmittelbar präsentiren, nicht an sich sind. Der hier erwähnte Standpunkt der alten Metaphysik ist das Gegentheil dessen, was die kritische Philosophie zum Refultat hatte. Man kann wohl sagen, daß nach diesem Resultat der Mensch blos auf Spreu und Träbern würde angewiesen seyn.

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