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Erste Abtheilung der Logik.

Die Lehre vom Seyn.

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$. 84.

Das Seyn ist der Begriff nur an sich, die Bestimmungen desselben sind seyende, in ihrem Unterschiede Andre gegeneinander, und ihre weitere Bestimmung (die Form des Dialektischen) ist ein Uebergehen in Anderes. Diese Fortbestimmung ist in Einem ein Heraussehen und damit Entfalten des an sich seyenden Begriffs, und zugleich das Insich gehen des Seyns, ein Vertiefen desselben in sich selbst. Die Erplikation des Begriffs in der Sphäre des Seyns wird eben so sehr die Totalität des Seyns, als damit die Unmittelbarkeit des Seyns oder die Form des Seyns als solchen aufgehoben wird.

S. 85.

Das Seyn selbst, so wie die folgenden Bestimmungen nicht nur des Seyns, sondern die logischen Bestimmungen überhaupt, können als Definitionen des Absoluter, als die metaphyfischen Definitionen Gottes angesehen werden; näher jedoch immer nur die erste einfache Bestimmung einer Sphäre, und dann die dritte, als welche die Rückkehr aus der Differenz zur einfachen Beziehung auf sich ist. Denn Gott metaphysisch definiren, heißt dessen Natur in Gedanken als solchen ausdrücken; die Logik aber umfaßt alle Gedanken, wie sie noch in der Form von Gedanken sind. Die zweiten Bestimmungen, als welche eine Sphäre in ihrer Differenz sind, dagegen sind

die Definitionen des Endlichen. Wenn aber die Form von De

finitionen gebraucht würde, so würde sie dieß enthalten, daß ein

Substrat der Vorstellung vorschwebt; denn auch das AbsoIute, als welches Gott im Sinne und in der Form des Gedankens ausdrücken soll, bleibt im Verhältnisse zu seinem Prädifate, dem bestimmten und wirklichen Ausdruck in Gedanken, nur ein gemeinter Gedanke, ein für sich unbestimmtes Substrat. Weil der Gedanke, die Sache, um die es hier allein zu thun ist, nur im Prädikate enthalten ist, so ist die Form eines Sazes, wie jenes Subjekt, etwas völlig Ueberflüssiges (vergl. §. 31. u. unten Kap. vom Urtheile).

Zusat. Eine jede Sphäre der logischen Idee erweist fich als eine Totalität von Bestimmungen und als eine Darstellung des Absoluten. So auch das Seyn, welches die drei Stufen der Qualität, der Quantität und des Maaßes in sich enthält. Die Qualität ist zunächst die mit dem Seyn identische Bestimmtheit, dergestalt, daß etwas aufhört, das zu seyn, was es ist, wenn es seine Qualität verliert. Die Quantität ist dagegen die dem Seyn äußerliche, für dasselbe gleichgültige Bestimmtheit. So bleibt z. B. ein Haus das was es ist, es mag größer oder kleiner seyn, und Roth bleibt Roth, es mag daffelbe heller oder dunkler seyn. Die dritte Stufe des Seyns, beiden ersten, die qualitative

das Maaß, ist die Einheit der Quantität. Alle Dinge haben ihr Maaß, d. h. sie sind quantitativ bestimmt und ihr so oder so groß seyn ist für dieselben gleichgültig, zugleich hat aber auch diese Gleichgültigkeit ihre Gränze, bei deren Ueberschreitung durch ein weiteres Mehr oder Weniger die Dinge aufhören das zu seyn, was sie waren. Vom Maaß aus ergiebt sich dann der Fortgang zur zweiten Hauptsphäre der Idee, zum Wesen.

Die hier genannten drei Formen des Seyns sind, eben weil es die ersten sind, zugleich die ärmsten, d. h. abstraktesten. Das unmittelbare, sinnliche Bewußtseyn ist, in sofern sich dasselbe zugleich denkend verhält, vornehmlich auf die abstrakten Beftimmungen der Qualität und der Quantität beschränkt. Dieß sinn

liche Bewußtseyn pflegt als das konkretefte und damit zugleich reichste betrachtet zu werden; dieß ist es jedoch nur dem Stoff nach, wohingegen daffelbe, in Hinsicht auf seinen Gedankeninhalt, in der That das ärmste und abstrakteste ist.

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Das reine Seyn macht den Anfang, weil es sowohl reiner Gedanke, als das unbestimmte einfache Unmittelbare ist, der erste Anfang aber nichts Vermitteltes und weiter Bestimmtes seyn kann.

Alle Zweifel und Erinnerungen, die gegen das Anfangen der Wissenschaft mit dem abstrakten leeren Seyn gemacht werden könnten, erledigen sich durch das einfache Bewußtseyn deffen, was die Natur des Anfangs mit sich bringt. Seyn kann bestimmt werden als Ich-Ich, als die absolute Indifferenz oder Identität u. s. f. Im ́ Bedürfnisse, entweder mit einem schlechthin Gewissen, d. i. der Gewißheit seiner selbst, oder mit einer Definition oder Anschauung des absoluten Wahren anzufangen, können diese und andere dergleichen Formen dafür angesehen werden, daß sie die Ersten seyn müssen. Aber indem innerhalb jeder dieser Formen bereits Vermittlung ist, so sind sie nicht wahrhaft die Erften; die Vermittlung ist ein Hinausgegangenseyn aus einem Ersten zu einem Zweiten und Hervorgehen aus Unterschiedenen. Wenn Ich-Ich, oder auch die intellektuelle Anschauung wahrhaft nur als das Erste genommen wird, so ist es in dieser reinen Unmittelbarkeit nichts anderes als Seyn, so wie das reine Seyn umgekehrt als nicht mehr dieses abstrakte, sondern in sich die Vermittlung enthaltende Seyn, reines Denken oder Anschauen ist.

Wird Seyn als Prädikat des Absoluten ausgesagt, so giebt dieß die erste Definition desselben: Das Absolute ist das Seyn. Es ist dieß die (im Gedanken) schlechthin anfängliche, abstrakteste und dürftigste. Sie ist die Definition der Eleaten, aber zugleich auch das Bekannte, daß Gott der Inbegriff aller Realitäten ist. Es soll nämlich von der Beschränktheit, die in jeder Realität ist, abstrahirt werden, so daß Gott nur das Reale in aller Realität, das AlIerrealste sey. Indem Realität bereits eine Reflexion enthält, so ist dieß unmittelbarer in dem ausgesprochen, was Jacobi von dem Gotte des Spinoza sagt, daß er das Principium des Seyns in allem Daseyn sey.

Zusat 1. Wir haben, wenn angefangen wird zu denken, nichts als den Gedanken in seiner reinen Bestimmungslofigkeit, denn zur Bestimmung gehört schon Eines und ein Anderes; im Anfang aber haben wir noch kein Anderes. Das Bestimmungslose, wie wir es hier haben, ist das Unmittelbare, nicht die vermittelte Bestimmungslosigkeit, nicht dir Aufhebung aller Bestimmtheit, sondern die Unmittelbarkeit der Bestimmungslosigkeit, die Bestimmungslosigkeit vor aller Bestimmtheit, das Bestimmungslose als Allererstes. Dieß aber nennen wir das Seyn. Dieses ist nicht zu empfinden, nicht anzuschauen und nicht vorzustellen, sondern es ist der reine Gedanke und als solcher machi es den Anfang. Auch das Wesen ist ein Bestimmungsloses, aber das Bestimmungslose, welches als bereits durch die Vermittelung gegangen, die Bestimmung schon als aufgehoben in sich enthält.

Zusat 2. Die verschiedenen Stufen der logischen Idee finden wir in der Geschichte der Philosophie in der Gestalt nach einander hervorgetretener philosophischer Systeme, deren jedes eine besondere Definition des Absoluten zu seiner Grundlage hat. So wie nun die Entfaltung der logischen Idee sich als ein Fortgang vom Abstrakten zum Konkreten erweist, eben so

sind dann auch in der Geschichte der Philosophie die frühesten Systeme die abstraktesten und damit zugleich die ärmsten. Das Verhältniß aber der frühern zu den spätern philosophischen Systemen ist im Allgemeinen dasselbe, wie das Verhältniß der frühern zu den spätern Stufen der logischen Idee, und zwar von der Art, daß die spätern die frühern als aufgehoben in sich enthalten. Dieß ist die wahre Bedeutung der in der Geschichte der Philosophie vorkommenden und so oft mißverstandenen Widerlegung des einen philofophischen Systems durch ein anderes, und näher des frühern durch die spätern. Wenn vom Widerlegen einer Philosophie die Rede ist, so pflegt dieß zunächst nur im`abstrakt negativen Sinn genommen zu werden, dergestalt, daß die widerlegte Philosophie überhaupt nicht mehr gilt, daß dieselbe beseitigt und abgethan ist. Wenn dem so wäre, so müßte das Studium der Geschichte der Philosophie als ein durchaus trauriges Geschäft betrachtet werden, da dieses Studium lehrt, wie alle im Verlauf der Zeit hervorgetretenen philosophischen Systeme ihre Widerlegung gefunden haben. Nun aber muß, eben so gut als zugegeben ist, daß alle Philosophieen widerlegt worden sind, zugleich auch behauptet werden, daß keine Philosophie widerlegt worden ist, noch auch widerlegt zu werden vermag. Lezteres ist in der gedoppelten Beziehung der Fall, als einmal eine jede Philosophie, welche diesen Namen verdient, die Idee überhaupt zu ihrem Inhalt hat, und als zweitens ein jedes philosophisches System als die Darstellung eines besondern Moments oder einer besondern Stufe im Entwickelungsproceß der Idee zu betrachten ist. Das Widerlegen einer Philosophie hat also nur den Sinn, daß deren Schranke überschritten und daß das bestimmte Princip derselben zu einem ideellen Moment herabgesezt wird. Die Geschichte der Philosophie hat es somit, ihrem wefentlichen Inhalt nach, nicht mit Vergangenem, sondern mit Ewigem und schlechthin Gegenwärtigem zu thun, und ist in ihrem Resultat nicht einer Galerie von Verirrungen des menschlis

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