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dieß freilich noch eine formale Bestimmung von Gott, die deswegen in der That nur die Natur des Begriffes selbst enthält. Daß aber dieser schon in seinem ganz abstrakten Sinne das Seyn in sich schließe, ist leicht einzusehen. Denn der Begriff, wie er sonst bestimmt werde, ist wenigstens die durch Aufhebung der Vermittlung hervorgehende, somit selbst unmittelbare Beziehung auf sich selbst; das Seyn ist aber nichts Anderes als dieses. Es müßte, kann man wohl sagen, sonderbar zugehen, wenn dieß Innerste des Geiftes, der Begriff, oder auch wenn Ich oder vollends die konfrete Totalität, welche Gott ist, nicht einmal so reich wäre, um eine so arme Bestimmung wie Seyn ist, ja welche die allerärmste, die abstrakteste, ist, in sich zu enthalten. Es kann für den Gedanken dem Gehalte nach nichts Geringeres geben als Seyn. Nur dieß mag noch geringer seyn, was man sich etwa beim Seyn zunächst vorstellt, nämlich eine äußerliche sinnliche Eristenz, wie die des Papiers, das ich hier vor mir habe; von einer finnlichen Eristenz eines beschränkten, vergänglichen Dinges aber wird man ohnehin nicht sprechen wollen. Uebrigens vermag die triviale Bemerkung der Kritik: daß der Gedanke und das Seyn verschieden seyen, dem Menschen etwa den Gang feines Geistes vom Gedanken Gottes aus zu der Gewißheit, daß er ist, höchstens zu ftören aber nicht zu benehmen. Dieser Uebergang, die absolute Unzertrennlichkeit des Gedankens Gottes von seinem Seyn ist es auch, was in der Ansicht des unmittelbaren Wissens oder Glaubens in fein Recht wieder hergestellt worden ist, wovon nachher.

§. 52.

Dem Denken bleibt auf diese Weise auf seiner höchsten Spiße die Bestimmtheit etwas Aeußerliches; es bleibt nur schlechthin abstraktes Denken, welches hier immer Vernunft heißt. Diese, ist hiemit das Resultat, liefert nichts als Encyklopädie. I. Thl. 2te Aufl.

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die formelle Einheit zur Vereinfachung und Systematistrung der Erfahrungen, ist ein Kanon, nicht ein Organon der Wahrheit, vermag nicht eine Doktrin des Unendlichen sondern nur eine Kritik der Erkenntniß zu liefern. Diese Kritik besteht in ihrer lezten Analyse in der Versicherung, daß das Denken in sich nur die unbestimmte Einheit und die Thätigkeit dieser unbestimmten Einheit sey.

Zusat. Kant hat zwar die Vernunft als das Vermögen des Unbedingten aufgefaßt, wenn dieselbe indeß bloß auf die abstrakte Identität reducirt wird, so liegt darin zugleich das Verzichten auf ihre Unbedingtheit und die Vernunft ist dann in der That nichts Anderes als leerer Verstand. Unbedingt ist die Vernunft nur dadurch, daß dieselbe nicht von außen durch einen ihr fremden Inhalt bestimmt wird, sondern vielmehr sich selbst bestimmt und hiermit in ihrem Inhalt bei sich selbst ist. Nun aber besteht nach Kant die Thätigkeit der Vernunft ausdrücklich nur darin, den durch die Wahrnehmung gelieferten Stoff durch Anwendung der Kategorien zu systematisiren d. H. in eine äußerliche Ordnung zu bringen und ihr Princip ist dabei bloß das der Widerspruchslosigkeit.

§. 53.

b) Die praktische Vernunft wird als der sich selbst und zwar auf allgemeine Weise bestimmende d. i. denkende Wille gefaßt. Sie soll imperative, objektive Geseße der Freiheit geben, d. i. solche, welche sagen, was geschehen soll. Die Berechtigung, hier das Denken als objektiv bestimmende Thätigkeit (d. i. in der That eine Vernunft) anzunehmen, wird darein geseßt, daß die praktische Freiheit durch Erfahrung bewiesen d. i. in der Erscheinung des Selbstbewußtseyns nachgewiesen werden könne. Gegen diese Erfahrung im Bewußtseyn rekurrirt alles, was der Determinismus ebenso aus der Erfahrung dagegen vorbringt, insbesondere die skeptische (auch humesche) Induktion von der unendlichen Verschie

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denheit desjenigen, was für Recht und Pflicht unter den Menschen gilt, d. i. der objektiv seyn sollenden Gefeße der Freiheit. §. 54.

Für das, was das praktische Denken sich zum Gesez mache, für das Kriterium des Bestimmens seiner in fich selbst ist wieder nichts Anderes vorhanden, als dieselbe abstrakte Identität des Verstandes, daß kein Widerspruch in dem Bestimmen Statt finde; - die praktische Vernunft kommt damit über den Formalismus nicht hinaus, welcher das Lezte der theoreti schen Vernunft seyn soll.

Aber diese praktische Vernunft sezt die allgemeine Beftimmung, das Gute, nicht nur in sich, sondern ist erst eigentlicher praktisch in der Forderung, daß das Gute weltliches Daseyn, äußerliche Objektivität habe d. i. daß der Gedanke nicht bloß fubjektiv, sondern objektiv überhaupt sey. Von diesem Postulate der praktischen Vernunft nachher.

Zufah. Was Kant der theoretischen Vernunft abgesprochen die freie Selbstbestimmung das hat derselbe der

praktischen Vernunft ausdrücklich vindicirt. Es ist vornämlich diese Seite der kantischen Philosophie, welche derselben große Gunst erworben hat und zwar mit vollem Recht. Um das Verdienst, welches Kant in dieser Hinsicht gebührt, zu würdigen, hat man sich zunächst diejenige Gestalt der praktischen Philosophie und näher der Moralphilosophie, welche derselbe als herrschend vorfand, zu vergegenwärtigen. Es war dieß überhaupt das System des Eudaemonismus, von welchem auf die Frage nach der Bestimmung des Menschen die Antwort ertheilt wurde, daß derselbe sich seine Glückseligkeit zum Ziel zu sehen habe. Indem nun unter der Glückseligkeit die Befriedigung des Menschen in seinen besondern Neigungen, Wünschen, Bedürfnissen u. s. w. verstanden wurde, so war hiermit das Zufällige und Partikuläre zum Princip des Willens und seiner Bethätigung gemacht. Diesem alles festen Halts in sich entbehrenden

und aller Willkür und Laune Thür und Thor öffnenden Eudaemonismus hat dann Kant die praktische Vernunft entgegengestellt und damit die Forderung einer allgemeinen und für Alle gleich verbindlichen Bestimmung des Willens ausgesprochen. Während, wie in den vorhergehenden §§. bemerkt worden, die theoretische Vernunft nach Kant bloß das negative Vermögen des Unendlichen und, ohne eigenen positiven Inhalt, darauf beschränkt seyn soll, das Endliche der Erfahrungserkenntniß einzusehen, so hat derselbe dagegen die positive Unendlichkeit der praktischen Vernunft ausdrücklich anerkannt und zwar in der Art, daß er dem Willen das Vermögen zuschreibt, auf allgemeine Weise, d. h. denkend, sich selbst zu bestimmen. Dieß Vermögen besigt nun zwar der Wille allerdings und es ist von hoher Wichtigkeit zu wissen, daß der Mensch nur in sofern frei ist als er daffelbe befizt und in seinem Handeln sich desselben bedient, allein es ist mit diesem Anerkenntniß die Frage nach dem Inhalt des Willens oder der praktischen Vernunft noch nicht beantwortet. Wenn dann gesagt wird, der Mensch solle das Gute zum Inhalt seines Willens machen, so rekurrirt sofort die Frage nach dem Inhalt d. h. nach der Bestimmtheit dieses Inhalts und mit dem bloßen Princip der Uebereinstimmung des Willens mit sich selbst, so wie mit der Forderung, die Pflicht um der Pflicht willen zu thun, kömmt man nicht von der Stelle.

§. 55.

c) Der reflektirenden Urtheilskraft wird das Princip eines anschauenden Verstandes zngeschrieben, d. i. worin das Besondere, welches für das Allgemeine (die abstrakte Identität) zufällig sey und davon nicht abgeleitet werden könne, durch dieß Allgemeine selbst bestimmt werde; was in den Produkten der Kunst und der organischen Natur erfahren werde.

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Die Kritik der Urtheilskraft hat das Ausgezeichnete, daß Kant in ihr die Vorstellung, ja ven Gedanken der Idee

ausgesprochen hat. Die Vorstellung eines intuitiven Vers standes, innerer Zweckmäßigkeit u. f. f. ist das Allge= meine zugleich als an ihm selbst konkret gedacht. In diesen Vorstellungen allein zeigt daher die kantische Philosophie fich spekulativ. Viele, namentlich Schiller, haben an der Idee des Kunstschönen, der konkreten Einheit des Gedankens und der sinnlichen Vorstellung, den Ausweg aus den Abstraktionen des trennenden Verstandes gefunden; Andere an der Anschauung und dem Bewußtseyn der Lebendigkeit überhaupt, es sey natürlicher oder intellektueller Lebendigkeit.

Das Kunstprodukt, wie die lebendige Individualität sind zwar beschränkt in ihrem Inhalte; aber die auch dem Inhalte nach umfassende Idee stellt Kant in der postulirten Harmonie der Natur oder Nothwendigkeit mit dem Zwecke der Freiheit, in dem als realisirt gedachten Endzwecke der Welt auf. Aber die Faulheit des Gedankens, wie es genannt werden kann, hat bei dieser höchsten Idee an dem Sollen einen zu leichten Ausweg, gegen die wirkliche Realisirung des Endzwecks an dem Geschiedenseyn des Begriffs und der Realität festzuhalten. Die Gegenwart hingegen der lebendigen Organifationen und des Kunstschönen zeigt auch für den Sinn und die Anschauung schon die Wirklichkeit des Ideals. Die kantischen Reflerionen über diese Gegenstände wären daher besonders geeignet, das Bewußtseyn in das Faffen und Denken der konkreten Idee einzuführen.

S. 56.

Hier ist der Gedanke eines andern Verhältnisses vom Allgemeinen des Verstandes zum Besondern der Anschauung aufgestellt, als in der Lehre von der theoretischen und praktischen ́Vernunft zu Grunde liegt. Es verknüpft sich damit aber nicht die Einsicht, daß jenes das wahrhafte, ja die Wahrheit selbst ist. Vielmehr wird diese Einheit nur aufgenommen wie sie in endlichen Erscheinungen zur Eristenz kommt, und wird in

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