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laßte, daß Kant nur vier Antinomien aufführt. Er kam auf diese, indem er wie bei den sogenannten Paralogismen die Kategorientafel vorausseßte, wobei er die späterhin so beliebt gewordene Manier anwendete, statt die Bestimmungen eines Gegenstandes aus dem Begriffe abzuleiten, denselben blos_unter ein sonst fertiges Schema zu seßen. Das weitere Bedürftige in der Ausführung der Antinomien habe ich gelegent= lich in meiner Wissenschaft der Logik aufgezeigt. Die Hauptsache, die zu bemerken ist, ist, daß nicht nur in den vier besondern aus der Kosmologie genommenen Gegenständen die Antinomie sich befindet, sondern vielmehr in allen Gegenständen aller Gattungen, in allen Vorstellungen, Begriffen und Ideen. Dieß zu wissen und die Gegenstände in dieser Eigenschaft zu erkennen, gehört zum Wesentlichen der philosophischen Betrachtung; diese Eigenschaft macht das aus, was weiterhin sich als das dialektische Moment des Logischen bestimmt.

Zufaß. Auf dem Standpunkt der alten Metaphysik wurde angenommen, daß wenn das Erkennen in Widersprüche gerathe, so sey dieses nur eine zufällige Verirrung und beruhe auf einem subjektiven, Fehler im Schließen und Raisonniren. Nach Kant hingegen liegt es in der Natur des Denkens selbst, in Widersprüche (Antinomien) zu verfallen, wenn dasselbe das Unendliche erkennen will. Ob nun schon, wie in der Anmerfung zum obigen S. erwähnt worden, das Aufzeigen der Antinomien in sofern als eine sehr wichtige Förderung der philofophischen Erkenntniß zu betrachten ist, als dadurch der starre Dogmatismus der Verstandesmetaphysik beseitigt und auf die dialektische Bewegung des Denkens hingewiesen worden ist, so muß doch dabei zugleich bemerkt werden, daß Kant auch hier bei dem bloß negativen Resultat der Nichterkennbarkeit des Ansich der Dinge stehen geblieben und nicht zur Erkenntniß der wahren und positiven Bedeutung der Antinomien hindurch ge

drungen ist. Die wahre und positive Bedeutung der Antinomien besteht nun überhaupt darin, daß alles Wirkliche entgegengesezte Bestimmungen in sich enthält und daß somit das Erkennen und näher das Begreifen eines Gegenstandes eben nur so viel heißt, sich dessen als einer konkreten Einheit entgegengesegter Bestimmungen bewußt zu werden. Während nun, wie früher gezeigt wurde, die alte Metaphysik bei Betrachtung der Gegenstände, um deren metaphysische Erkenntniß es zu thun war, so zu Werke ging, daß abstrakte Verstandesbestimmungen, mit Ausschluß der denselben entgegengesetzten, zur Anwendung gebracht werden, so hat Kant dagegen nachzuweisen gesucht, wie den auf solche Weise sich ergebenden Behauptungen immer mit gleicher Berechtigung und gleicher Nothwendigkeit andere Behauptungen des entgegengesezten Inhalts gegenüber zu stellen sind. Kant hat sich beim Aufzeigen dieser Antinomien auf die Kosmologie der alten Metaphysik beschränkt und bei seiner Polemik gegen dieselbe unter Zugrundlegung des Schema's der Kategorien vier Antinomien herausgebracht. Die erste betrifft die Frage: ob die Welt als nach Raum und Zeit begränzt zu denken sey oder nicht? Bei der zweiten Antinomie handelt es sich um das Dilemma, ob die Materie als in's Unendliche theilbar oder aber als aus Atomen bestehend zu betrachten sey? Die dritte Antinomie bezieht sich auf den Gegensaß der Freiheit und Nothwendigkeit, in sofern nämlich, als die Frage aufgeworfen wird: ob in der Welt Alles als durch den Kausalnerus bedingt angesehen werden müsse, oder ob auch freie Wesen d. h. absolute Anfangspunkte der Aktion in der Welt anzus nehmen seyen. Hierzu kömmt dann endlich noch als vierte Antinomie das Dilemma, ob die Welt überhaupt eine Ursache habe oder nicht. Das Verfahren, welches Kant bei seiner Erörterung über diese Antinomien beobachtet, ist nun zunächst dieses, daß er die darin enthaltenen entgegengesezten Bestimmungen als Thesis und Antithesis einander gegenüberstellt und

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beide zu beweisen, d. h. als nothwendige Ergebnisse des Nachdenkens darüber darzustellen sucht, wobei er sich ausdrücklich dagegen verwahrt, als habe er Blendwerke gesucht, um etwa einen Advokaten-Beweis zu führen. Nun aber sind in der That die Beweise, welche Kant für seine Thesen und Antithefen beibringt, als bloße Scheinbeweise zu betrachten, da dasjenige, was bewiesen werden soll, immer schon in den Voraussetzungen enthalten ist, von denen ausgegangen wird und nur durch das weitschweifige, apagogische Verfahren der Schein einer Vermittelung hervorgebracht wird. Gleichwohl bleibt die Aufstellung dieser Antinomien in sofern immer ein sehr wichtiges und anerkennenswerthes Resultat der kritischen Philosophie, als dadurch (wenn auch zunächst nur subjektiv und unmittelbar) die thatsächliche Einheit jener Bestimmungen ausgesprochen ist, welche vom Verstand in ihrer Trennung festgehalten werden. So ist z. B. in der ersten der vorher erwähnten kosmologischen Antinomien dieß enthalten, daß der Raum und die Zeit nicht nur als kontinuirlich, sondern auch als diskret zu betrachten sind, wohingegen in der alten Metaphysik bei der bloßen Kontinuität stehen geblieben und demgemäß die Welt als dem Raum und der Zeit nach unbegränzt betrachtet wurde. Es ist ganz richtig, daß über jeden bestimmten Raum und eben so über jede bestimmte Zeit hinausgegangen werden kann, allein es ist nicht minder richtig, daß Raum und Zeit nur durch ihre Bestimmtheit (d. h. als hier und jezt) wirklich sind und daß diese Bestimmtheit in ihrem Begriff liegt. Dasselbe gilt dann auch von den übrigen vorher angeführten Antinomien, so z. B. von der Antinomie der Freiheit und Nothwendigkeit, mit welcher es sich, näher betrachtet, so verhält, daß dasjenige, was der Verstand unter Freiheit und Nothwendigkeit versteht, in der That nur ideelle Momente der wahren Freiheit und der wahren Nothwendigkeit sind und daß diesen beiden in ihrer Trennung keine Wahrheit zukömmt.

S. 49.

7) Der dritte Vernunftgegenstand ist Gott (S. 36.), welcher erkannt, d. i. denkend bestimmt werden soll. Für den Verstand ist nun gegen die einfache Identität alle Bestimmung nur eine Schranke, eine Negation als solche; somit ist alle Realität nur schrankenlos, d. i. unbestimmt zu nehmen, und Gott wird als Inbegriff aller Realitäten oder als das allerrealste Wesen zum einfachen Abstraktum, und für die Bestimmung bleibt nur die ebenso schlechthin abstrakte Bestimmtheit, das Seyn, übrig. Abstrakte Identität, welche auch hier der Begriff genannt wird, und Seyn find die zwei Momente, deren Vereinigung es ist, die von der Vernunft gesucht wird; sie ist das Ideal der Vernunft.

$. 50.

Diese, Vereinigung läßt zwei Wege oder Formen zu; es kann nämlich von dem Seyn angefangen und von da zum Abstraktum des Denkens übergegangen, oder umgekehrt kann der Uebergang vom Abstraktum aus zum Seyn bewerkftelligt werden.

Was jenen Anfang mit dem Seyn betrifft, so stellt sich das Seyn, als das Unmittelbare, dar als ein unendlich vielfach bestimmtes Seyn, eine erfüllte Welt. Diese kann näher `bestimmt werden als eine Sammlung von unendlich vielen Zufälligkeiten überhaupt (im kosmologischen Beweise) oder als eine Sammlung von unendlich vielen Zwecken und zweckmäßigen Verhältnissen (im physikotheologischen Beweise). Dieses erfüllte Seyn denken heißt ihm die Form von Einzelnheiten und Zufälligkeiten abstreifen, und es als ein allgemeines, an und für sich nothwendiges und nach allgemeinen Zwecken sich bestimmendes und thätiges Seyn, welches von jenem ersten verschieden ist, fassen; als Gott. Der Hauptsinn der Kritik dieses Ganges ist, daß derselbe ein Schließen, ein Uebergang ist. Indem nämlich die Wahrnehmungen und deren Aggregat,

die Welt, an ihnen als solchen, nicht die Allgemeinheit zeigen, zu welcher das Denken jenen Inhalt reinigt, so werde hiemit diese Allgemeinheit nicht durch jene empirische Weltvorstellung berechtigt. Dem Aufsteigen des Gedankens von der empirischen Weltvorstellung zu Gott wird somit der humesche Standpunkt entgegengeseßt, (wie bei den Paralogismen f. §. 47.) der Standpunkt, der es für unzulässig erklärt die Wahrnehmungen zu denken, d. i. das Allgemeine und Nothwendige aus denselben herauszuheben.

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Weil der Mensch denkend ist, wird es eben so wenig der gesunde Menschenverstand als die Philosophie sich je nehmen. laffen, von und aus der empirischen Weltanschauung sich zu Gott zu heben. Dieses Erheben hat nichts anderes zu seiner Grundlage, als die denkende, nicht bloß sinnliche, thierische Betrachtung der Welt. Für das Denken und nur für das Denken ist das Wesen, die Substanz, die allgemeine Macht und Zweckbestimmung der Welt. Die sogenannten Beweise vom Daseyn Gottes sind nur als die Beschreibungen und Analysen des Ganges des Geistes in sich anzusehen, der ein denkender ist und das Sinnliche denkt. Das Erheben des Denkens über das Sinnliche, das Hinausgehen desselben über das Endliche zum Unendlichen, der Sprung, der mit Abbrechung der Reihen des Sinnlichen ins Uebersinnliche gemacht werde, alles dieses ist das Denken selbst, dieß Uebergehen ist nur Denken. Wenn solcher Uebergang nicht gemacht werden soll, so heißt dieß, es soll nicht gedacht werden. In der That machen die Thiere solchen Uebergang nicht; sie bleiben bei der sinnlichen Empfindung und Anschauung stehen; sie haben deswegen keine Religion. Es ist sowohl überhaupt als insbesondere über die Kritik dieses Erhebens des Denkens zweierlei zu bemerken. Erstens wenn dasselbe in die Form von Schlüffen (fogenannten Beweisen vom Daseyn Gottes) gebracht ist, so ist

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