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XL.

Die verkleidete Liebe.

Den Fesseln trügerischer Triebe
Entreißt sich mein gequältes Herz:
Zwar deine Lust ist groß, o Liebe,
Jedoch noch größer ist dein Schmerz!

Du giebst für tausend traur'ge Stunden
Kaum einen freud'gen Augenblick.
Dein schönstes Glück ist bald verschwunden.
Und Schmerz und Reue bleibt zurück.

O Freundschaft, Quell erhabner Triebe!
Dir folgen ist der Menschheit Pflicht;
Du hast die Reizungen der Liebe,
Und ihre Schmerzen hast du nicht.

Schon seh' ich dich vom Himmel fliegen;
Komm, Göttin, fülle meine Brust!

Sie kommt, geschmückt mit Chloens Zügen,
Aus ihren Blicken lacht die Lust.

Es fliehen Unmuth und Beschwerden,
Und die Natur erheitert sich.

Komm, Kind des Himmels, Luft der Erden,
O Freundschaft, ich umarme dich!

Doch welchen Schmerz fühl ich entstehen?
Und welchen Pfeil seh' ich bereit ?
Was ich für Freundschaft angesehen,
War Amor in der Freundschaft Kleid.

Cronegk.

Dritte Periode.

Von Goethe bis Schiller's Tode.

XLI.

An die Günstigen.

Dichter lieben nicht zu schweigen,
Wollen sich der Menge zeigen:
Lob und Tadel muß ja sein!
Niemand beichtet gern in Prosa,
Doch vertraun wir oft sub Nosa
In der Musen stillem Hain.

Was ich irrte, was ich strebte,
Was ich litt und was ich lebte,
Sind hier Blumen nur im Strauß;
Und das Alter wie die Jugend,
Und der Fehler wie die Tugend
Nimmt sich gut in Liedern aus.

Goethe

XLII.

Das menschliche Herz.

In Ein Gewebe wanden
Die Götter Freud' und Schmerz,

Sie webten und erfanden
Ein armes Menschenherz;

Du armes Herz, gewebet
Aus Lust und Traurigkeit,
Weißt du, was dich belebet?
It's Freude, ist es Leid?

Die Göttin selbst der Liebe

Sah es bedauernd an:

O zweifelhafte Triebe,

Die dieses Herz gewann!

Im Wünschen nur und Sehnen

Wohnt seine Seligkeit,

Und selbst der Freude Thränen
Verkündigen ihm Leid.

Schnell trat ihr holder Knabe

Hinzu mit seinem Pfeil;
Auf, meine beste Gabe
Sie werde ihm zu Theil!
Ein unbezwingbar Streben
Sei Liebe dir, o Herz,
Und Liebe sei dein Leben,
Und Freude sei dein Schmerz.

Herder.

XLIII.

Sehnsucht.

Ach, aus dieses Thales Gründen,
Die der kalte Nebel drückt,

Könnt' ich doch den Ausgang finden,
Ach, wie fühlt' ich mich beglückt!
Dort erblick' ich schöne Hügel,

Ewig jung und ewig grün!

Hätt' ich Schwingen, hätt' ich Flügel,
Nach den Hügeln zög' ich hin.

Harmonieen hör' ich klingen,
Töne süßer Himmelsruh,
Und die leichten Winde bringen
Mir der Düfte Balsam zu.
Goldne Früchte seh' ich glühen,
Winkend zwischen dunkelm Laub,
Und die Blumen, die dort blühen,
Werden keines Winters Raub.

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Ach, wie schön muß sich's ergehen
Dort im ew'gen Sonnenschein!
Und die Luft auf jenen Höhen
O, wie labend muß sie sein!
Doch mir wehrt des Stromes Toben,
Der ergrimmt dazwischen braust;
Seine Wellen sind gehoben,

Daß die Seele mir ergraust.

Buchheim's Deutsche Lyrik.

4

Einen Nachen seh' ich schwanken,
Aber, ach! der Fährmann fehlt.
Frisch hinein und ohne Wanken!
Seine Segel sind beseelt.
Du mußt glauben, du mußt wagen,
Denn die Götter leihn kein Pfand;
Nur ein Wunder kann dich tragen
In das schöne Wunderland.

XLIV.

Licht und Wärme.

Der beffre Mensch tritt in die Welt
Mit fröhlichem Vertrauen;

Er glaubt, was ihm die Seele schwellt,
Auch außer sich zu schauen,

Und weiht, von edlem Eifer warm,
Der Wahrheit seinen treuen Arm.

Doch alles ist so klein, so eng;
Hat er es erst erfahren,
Da sucht er in dem Weltgedräng
Sich selbst nur zu bewahren;
Das Herz, in kalter, stolzer Ruh,
Schließt endlich sich der Liebe zu.

Sie geben, ach! nicht immer Gluth.
Der Wahrheit helle Strahlen.
Wohl denen, die des Wissens Gut

Nicht mit dem Herzen zahlen.

Schiller.

Drum paart zu eurem schönsten Glüc

Mit Schwärmers Ernst des Weltmanns Blick!

Schiller.

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