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Du sagst mir heimlich ein leises Wort, Und giebt mir den Strauß von Cypreffen. Ich wache auf, und der Strauß ist fort, Und das Wort hab' ich vergessen.

Heine.

CCLV.

Ich hab' im Traum geweinet.

Ich hab' im Traum geweinet,
Mir träumte, du lägest im Grab.
Ich wachte auf, und die Thräne
Floß noch von der Wange herab.

Ich hab' im Traum geweinet,
Mir träumt', du verließest mich.
Ich wachte auf, und ich weinte
Noch lange bitterlich.

Ich hab' im Traum geweinet,
Mir träumte, du bliebest mir gut.
Ich wachte auf, und noch immer
Strömt meine Thränenfluth.

Heine.

CCLVI.

Seit sie gestorben.

Seit sie gestorben, ist mir Eins gewiß: Daß es ein Ewiges muß geben;

Denn über meines Herzens Riß

Fühl ich ein ew'ges Leiden schweben,
Seit sie gestorben.

Seit sie gestorben, bin ich stolz und kühn:
Ich weiß es nun, was Herzen tragen;
Was sind mir fürder alle Mühn?
Was giebt es ferner noch zu wagen,
Seit sie gestorben?

Seit sie gestorben, lebt im Herzen mir
Ein Bild der seligsten Verklärung,
Bin ich ein Baum, den für und für
Die Heilge schützet vor Zerstörung,
Seit sie gestorben.

Seit sie gestorben, ist ein fester Wall
Der Einsamkeit um mich gezogen,
Vergebens ist der Ueberfall

Der Freuden, die mich rings umwogen,
Seit sie gestorben.

Seit sie gestorben, hat die tiefste Nuh
Sich heimisch in mein Herz gesenket,
Die Seele schließt die Augen zu

Und ahnt und träumt mehr, als sie denket,

Seit sie gestorben.

Moriz Hartmann.

CCLVII.

frage.

O Menschenherz, was ist dein Glüd?
Ein räthselhaft geborner,

Und, kaum gegrüßt, verlorner,
Unwiederholter Augenblick!

CCLVIII.

Ein Jüngling liebt ein Mädchen.

Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen Andern erwählt;
Der Andre liebt eine Andre

Und hat sich mit Dieser vermählt.

Das Mädchen heirathet aus Merger

Den ersten, besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jüngling ist übel dran.

Es ist eine alte Geschichte, Doch bleibt sie immer neu; Und wem sie just passieret, Dem bricht das Herz entzwei.

Lenen.

CCLIX.

Muth.

Herz, laß ab zu zagen,
Und von dir wirf das Joch!
Du hast so viel getragen,
Du trägt auch dieses noch.

Tritt auf in blanken Waffen,
Mein Geist, und werde frei!
Es gilt noch mehr zu schaffen,
Als einen Liebesmai.

Und ob die Brust auch blutet,
Nur vorwärts in die Bahn!
Du weißt, am vollsten fluthet
Gesang dem wunden Schwan.

CCLX.

Aulde, gedulde dich fein!

Dulde, gedulde dich fein!

Ueber ein Stündlein

Ift deine Kammer voll Sonne.

Ueber den First, wo die Glocken hangen,
Ist schon lange der Schein gegangen,
Ging in Thürmers Fenster ein;

Wer am nächsten dem Sturm der Glocken,
Einsam wohnt er, oft erschrocken,

Doch am frühsten tröstet ihn Sonnenschein.

Geibel.

Wer in tiefen Gassen gebaut, Hütt' an Hüttlein lehnt sich traut; Glocken haben ihn nie erschüttert, Ueber ihm ist's, wenn's gewittert, Aber spät sein Morgen graut.

Höh' und Tiefe hat Glück und Leid. Du sag' ab dem thörichten Neid! Andrer Gram birgt andre Wonne.

Dulbe, gedulde dich fein! Ueber ein Stündlein

Ist deine Kammer voll Wonne.

Paul Heyse

CCLXI.

Am Strande.

Auf hochgestapelte Ballen blickt
Der Kausherr mit Ergeben;
Ein armer Fischer daneben flickt
Betrübt an zerrissnen Neßen.

Manch rüstig stolz bewimpelt Schiff!
Manch morsches Wrack im Sande!
Der Hafen hier, und dort das Niff,
Jezt Fluth, jest Ebb' am Strande.

Hier Sonnenblick, Sturmwolken dort;
Hier Schweigen, dorten Lieder,
Und Heimkehr hier, dort Abschiedswort;
Die Segel auf und nieder!

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