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Ach wohl ein tausendmal,
Und ihn an's Herz gedrücket
Wie hunderttausendmal!

An ein goldenes Herz, das er am Halse trug.

Angedenken du verklungner Freude,

Das ich immer noch am Halse trage,

Hältst du länger als das Seelenband uns beide?
Verlängerst du der Liebe kurze Tage?

Flieh' ich, Lili, vor dir! Muß noch an deinem Bande

Durch fremde Lande,

Durch ferne Thäler und Wälder wallen!

Ach, Lili's Herz konnte so bald nicht

Von meinem Herzen fallen.

Wie ein Vogel, der den Faden bricht
Und zum Walde kehrt,

Er schleppt des Gefängnisses Schmach
Noch ein Stückchen des Fadens nach;
Er ist der alte freigeborne Vogel nicht,
Er hat schon jemand angehört.

Herbstgefühl.

Fetter grüne, du Laub,

Am Rebengeländer

Hier mein Fenster herauf!

Gedrängter quellet,
Zwillingsbeeren, und reiset
Schneller und glänzend voller!
Euch brütet der Mutter Conne
Scheideblick, euch umjäuselt
Des holden Himmels
Fruchtende Fülle,

Euch fühlet des Mondes
Freundlicher Zauberhauch,
Und euch bethauen, ach!
Aus diesen Augen

Der ewig belebenden Liebe
Vollschwellende Thränen.

Schäfers Klagelied.

Da droben auf jenem Berge
Da steh' ich tausendmal,
An meinem Stabe gebogen,

Und schaue hinab in das Thal.

Dann folg' ich der weidenden Heerde,

Mein Hündchen bewahret mir sie;
Ich bin herunter gekommen

Und weiß doch selber nicht wie.

Da stehet von schönen Blumen
Die ganze Wiese so voll;
Ich breche sie, ohne zu wissen
Wem ich sie geben soll.

Und Regen, Sturm und Gewitter
Verpass' ich unter dem Baum.
Die Thüre dort bleibet verschlossen;
Doch alles ist leider ein Traum.

Es stehet ein Regenbogen
Wohl über jenem Haus!
Sie aber ist weggezogen,
Und weit in das Land hinaus.

Hinaus in das Land und weiter,
Vielleicht gar über die See.
Vorüber, ihr Schafe, vorüber!
Dem Schäfer ist gar so weh.

Trost in Thränen.

Wie kommt's, daß du so traurig bist,

Da alles froh erscheint?

Man sieht dir's an den Augen an,
Gewiß du hast geweint.

Und hab' ich einsam auch geweint,
So ist's mein eigner Schmerz,
Und Thränen fließen gar so süß,
Erleichtern mir das Herz."

Die frohen Freunde laden dich:
O komm an unsre Brust!
Und was du auch verloren hast,
Vertraure den Verlust.

„Ihr lärmt und rauscht und ahnet nicht Was mich den Armen quält.

Ach nein, verloren hab' ich's nicht,

So sehr es mir auch fehlt.“

So raffe denn dich eilig auf,
Du bist ein junges Blut.

In deinen Jahren hat man Kraft
Und zum Erwerben Muth.

„Ach nein, erwerben kann ich's nicht,

Es steht mir gar zu fern.

Es weilt so hoch, es blinkt so schön,
Wie droben jener Stern."

Die Sterne, die begehrt man nicht,
Man freut sich ihrer Pracht,

Und mit Entzücken blickt man auf
In jeder heitern Nacht.

"

Und mit Entzücken blick' ich auf

So manchen lieben Tag;

Verweinen laßt die Nächte mich,
So lang ich weinen mag."

Nachtgefang.

Ogieb, vom weichen Pfühle,
Träumend, ein halb Gehör!
Bei meinem Saitenspiele

Schlafe! was willst du mehr?

Bei meinem Saitenspiele
Segnet der Sterne Heer
Die ewigen Gefühle;

Schlafe! was willst du mehr?

Die ewigen Gefühle

Heben mich, hoch und hehr,

Aus irdischem Gewühle;

Schlafe! was willst du mehr?

Vom irdischen Gewühle
Trennst du mich nur zu sehr,
Bannst mich in diese Kühle;
Schlafe! was willst du mehr?

Bannst mich in diese Kühle,
Giebst nur im Traum Gehör.
Ach, auf dem weichen Pfühle
Schlafe! was willst du mehr?

An Mignon.

Ueber Thal und Fluß getragen
Ziehet rein der Sonne Wagen.

Ach, fie regt in ihrem Lauf,
So wie deine, meine Schmerzen,
Lief im Herzen,

Immer Morgens wieder auf.

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