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Das Sonett.

Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben,
Jst heil'ge Pflicht, die wir dir auferlegen:
Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen
Nach Tritt und Schritt, wie es dir vorgeschrieben.

Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben,
Wenn sich die Geister gar gewaltig regen;
Und wie sie sich denn auch geberden mögen,
Das Werk zulezt ist doch vollendet blieben.

So möcht' ich selbst in künstlichen Sonetten,
In sprachgewandter Maaße kühnem Stolze,
Das Beste, was Gefühl mir gäbe, reimen.

Nur weiß ich hier mich nicht bequem zu betten:
Ich schneide sonst so gern aus ganzem Holze,
Und müßte nun doch auch mitunter leimen.

Natur und Kunst.

Natur und Kunst sie scheinen sich zu fliehen, Und haben sich, eh' man es denkt, gefunden; Der Widerwille ist auch mir verschwunden, Und beide scheinen gleich mich anzuziehen. Goethe, Gedichte.

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Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst, in abgemeßnen Stunden,
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

So ist's mit aller Bildung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebundne Geister

Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Wer Großes will, muß sich zusammen raffen: In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, Und das Geseß nur kann uns Freiheit geben.

Vorschlag zur Güte.

Er.

Du gefällst mir so wohl, mein liebes Kind,

Und wie wir hier bei einander find,

So möcht' ich nimmer scheiden;

Da wär' es wohl uns beiden.

Sie.

Gefall' ich dir, so gefällst du mir;
Du sagst es frei, ich sag' es dir.
Eh nun! heirathen wir eben!

Das übrige wird sich geben.

Er.

Heirathen, Engel, ist wunderlich Wort;
Ich meint', da müßt' ich gleich wieder fort.

Sie.

Was ist's denn so großes Leiden?
Geht's nicht, so lassen wir uns scheiden.

Vertrauen.

A.

Was krähst du mir und thust so groß?

B.

Hab' ich doch ein köstlich Liebchen!

A.

So weis' mir sie doch! Wer ist sie denn?
Die kennt wohl manches Bübchen!

B.

Kennst du sie denn, du Lumpenhund?

A.

Das will ich grad' nicht sagen;

Doch hat sie wohl auch zu guter Stund'
Dem und Jenem nichts abgeschlagen.

B.

Wer ist denn der Der und der Jener denn?

Das sollst du mir bekennen!

Ich schlage dir gleich den Schädel ein,

Wenn du sie mir nicht kannst nennen!

A.

Und schlügst du mir auch gleich den Schädel ein,

Da könnt' ich ja nimmer reden;

Und wenn du denkst: „Mein Schäßel ist gut!" Ist weiter ja nichts vonnöthen.

Stoßfeufzer.

Ach, man sparte viel!

Seltner wäre verruckt das Ziel,

Wär' weniger Dumpfheit, vergebenes Sehnen, Ich könnte viel glücklicher seyn

Gäb's nur keinen Wein

Und keine Weiberthränen!

Erinnerung.

Er.

Gedenkst du noch der Stunden,
Wo eins zum andern drang?

Sie.

Wenn ich dich nicht gefunden,
War mir der Tag so lang.
Er.

Dann herrlich! ein Selbander,
Wie es mich noch erfreut.

Sie.

Wir irrten uns an einander;

Es war eine schöne Zeit.

Perfectibilität.

Möcht' ich doch wohl besser seyn,

Als ich bin! Was wär' es.
Soll ich aber besser seyn,

Als du bist, so lehr' es!

Möcht' ich auch wohl besser seyn,
Als so mancher andre!
Willst du besser seyn, als wir,
Lieber Freund, so wandre!

Geständniß.

A.

Du toller Wicht, gesteh' nur offen:
Man hat dich auf manchem Fehler betroffen!

B.

Ja wohl! doch macht' ich ihn wieder gut.

Wie denn?

A.

B.

Ei, wie's ein jeder thut.

A.

Wie hast du denn das angefangen?

B.

Ich hab' einen neuen Fehler begangen;
Darauf waren die Leute so versessen,
Daß sie des alten gern vergessen.

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