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Deßwegen er, im nahen Bad,
In den sogenannten Salon eintrat.
Verblüfft war er gleich an der Thür',
Als wenn's ihm zu vornehm widerführ';
Macht daher dem ersten Fremden rechts
Einen tiefen Bückling, es war nichts Schlechts;
Aber hinten hätt er nicht vorgesehn,

Daß da auch wieder Leute stehn,
Gab einem zur Linken in den Schooß
Mit seinem Hintern einen derben Stoß.
Das hätt er schnell gern abgebüßt;
Doch wie er eilig den wieder begrüßt,
So stößt er rechts einen andern an,
Er hat wieder jemand was Leids gethan.
Und wie er's diesem wieder abbittet,
Er's wieder mit einem andern verschüttet.
Und complimentirt sich zu seiner Qual,
Von hinten und vorn, so durch den Saal,
Bis ihm endlich ein derber Geist
Ungeduldig die Thüre weis't.

Möge doch Mancher, in seinen Sünden,
Hievon die Nuzanwendung finden.

II.

Da er nun seine Straße ging,

Dacht' er: Ich machte mich zu gering;

Will mich aber nicht weiter schmiegen;

Denn wer sich grün macht, den fressen die Ziegen.

So ging er gleich frisch querfeldein,
Und zwar nicht über Stock und Stein,
Sondern über Aecker und gute Wiesen,
Zertrat das alles mit latschen Füßen.
Ein Besizer begegnet ihm so

Und fragt nicht weiter wie? noch wo?
Sondern schlägt ihn tüchtig hinter die Ohren.
Bin ich doch gleich wie neu geboren!
Ruft unser Wandrer hochentzückt.

Wer bist du, Mann, der mich beglückt?
Möchte mich Gott doch immer segnen,
Daß mir so fröhliche Gesellen begegnen!

Legende vom Hufeisen.

Als noch, verkannt und sehr gering,
Unser Herr auf der Erde ging,
Und viele Jünger sich zu ihm fanden,
Die sehr selten sein Wort verstanden,
Liebt' er sich gar über die Maßen
Seinen Hof zu halten auf der Straßen,
Weil unter des Himmels Angesicht
Man immer besser und freier spricht.
Er ließ sie da die höchsten Lehren
Aus seinem heiligen Munde hören ;
Besonders durch Gleichniß und Exempel
Macht' er einen jeden Markt zum Tempel.

So schlendert' er in Geistes Ruh
Mit ihnen einst einem Städtchen zu,
Sah etwas blinken auf der Straß',
Das ein zerbrochen Hufeisen was.
Er sagte zu Sanct Peter drauf:
Heb' doch einmal das Eisen auf!
Sanct Peter war nicht aufgeräumt,
Er hatte so eben im Gehen geträumt
So was vom Regiment der Welt,
Was einem jeden wohlgefällt:

Denn im Kopf hat das keine Schranken;
Das waren so seine liebsten Gedanken.
Nun war der Fund ihm viel zu klein,
Hätte müssen Kron' und Zepter seyn;
Aber wie sollt' er seinen Rücken
Nach einem halben Hufeisen bücken?
Er also sich zur Seite kehrt

Und thut, als hätt' er's nicht gehört.

Der Herr, nach seiner Langmuth, drauf
Hebt selber das Hufeisen auf,

Und thut auch weiter nicht dergleichen.
Als sie nun bald die Stadt erreichen,
Geht er vor eines Schmiedes Thür,
Nimmt von dem Mann drei Pfennig dafür.
Und als sie über den Markt nun gehen,
Sieht er daselbst schöne Kirschen stehen,
Kauft ihrer, so wenig oder so viel,
Als man für einen Dreier geben will,
Die er sodann, nach seiner Art,
Ruhig im Aermel aufbewahrt.

Nun ging's zum andern Thor hinaus,
Durch Wies' und Felder ohne Haus,
Auch war der Weg von Bäumen bloß;
Die Sonne schien, die Hig' war groß,
So daß man viel an solcher Stätt'
Für einen Trunk Wasser gegeben hätt'.
Der Herr geht immer voraus vor allen,
Läßt unversehens eine Kirsche fallen.
Sanct Peter war gleich dahinter her,
Als wenn es ein goldner Apfel wär';
Das Beerlein schmeckte seinem Gaum.
Der Herr, nach einem kleinen Raum,
Ein ander Kirschlein zur Erde schickt,
Wornach Sanct Peter schnell sich bückt.
So läßt der Herr ihn seinen Rücken
Gar vielmal nach den Kirschen bücken.
Das dauert eine ganze Zeit.

Dann sprach der Herr mit Heiterkeit:
That'st du zur rechten Zeit dich regen,
Hätt'st du's bequemer haben mögen.
Wer geringe Ding' wenig acht't,
Sich um geringere Mühe macht.

Erklärung eines alten Holzschnittes

vorstellend

Hans Sachsens poetische Sendung.

In seiner Werkstatt Sonntags früh
Steht unser theurer Meister hie,

Sein schmuzig Schurzfell abgelegt,
Einen saubern Feierwamms er trägt,
Läßt Pechdraht, Hammer und Kneipe rasten,
Die Ahl steckt an dem Arbeitskasten ;
Er ruht nun auch am sieb'nten Tag
Von manchem Zug und manchem Schlag.

Wie er die Frühlingssonne spürt,
Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert:
Er fühlt, daß er eine kleine Welt
In seinem Gehirne brütend hält,

Daß die fängt an zu wirken und zu leben,
Daß er sie gerne möcht' von sich geben.

Er hätt ein Auge treu und klug
Und wär' auch liebevoll genug,
Zu schauen manches klar und rein,
Und wieder alles zu machen sein;
Hätt auch eine Zunge, die sich ergoß,
Und leicht und fein in Worte floß;
Deß thäten die Musen sich erfreun,
Wollten ihn zum Meistersänger weihn.

Da tritt herein ein junges Weib,
Mit voller Brust und rundem Leib,
Kräftig sie auf den Füßen steht,
Grad, edel vor sich hin sie geht,

Ohne mit Schlepp' und Steiß zu schwenzen,
Oder mit den Augen herum zu scharlenzen.
Sie trägt einen Maaßstab in ihrer Hand,
Ihr Gürtel ist ein gülden Band,

Goethe, Gedichte.

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