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Mit tausendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne!

Doch ich dich fassen möcht'

In diesen Arm!

Ach an deinem Busen
Lieg' ich, schmachte,

Und deine Blumen, dein Gras
Drängen sich an mein Herz.
Du kühlst den brennenden
Durst meines Busens,

Lieblicher Morgenwind!

Ruft drein die Nachtigall

Liebend nach mir aus dem Nebelthal.

Ich komm', ich komme!

Wohin? Ach, wohin?

Hinauf! Hinauf strebt's.
Es schweben die Wolken
Abwärts, die Wolken

Neigen sich der sehnenden Liebe.

Mir! Mir

In euerm Schooße

Aufwärts!

Umfangend umfangen!

Aufwärts an deinen Busen,

Alliebender Vater!

Gränzen der Menschheit.

Wenn der uralte
Heilige Vater

Mit gelassener Hand

Aus rollenden Wolken

Segnende Blizze

Ueber die Erde sä't,

Küss' ich den letzten

Saum seines Kleides,
Kindliche Schauer

Treu in der Brust.

Denn mit Göttern
Soll sich nicht messen
Irgend ein Mensch.

Hebt er sich aufwärts,
Und berührt

Mit dem Scheitel die Sterne,

Nirgends haften dann
Die unsichern Sohlen,
Und mit ihm spielen
Wolken und Winde.

Steht er mit festen.
Martigen Knochen

Auf der wohlgegründeten

Dauernden Erde;

Reicht er nicht auf,
Nur mit der Eiche

Oder der Rebe

Sich zu vergleichen.

Was unterscheidet
Götter von Menschen?
Daß viele Wellen

Vor jenen wandeln,
Ein ewiger Strom:
Uns hebt die Welle,
Verschlingt die Welle,
Und wir versinken.

Ein kleiner Ring
Begränzt unser Leben,
Und viele Geschlechter
Reihen sich dauernd
An ihres Daseyns
Unendliche Kette.

Das Göttliche.

Edel sey der Mensch,
Hülfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von allen Wesen,
Die wir kennen.

Heil den unbekannten

Höhern Wesen,

Die wir ahnen!

Sein Beispiel lehr' uns
Jene glauben.

Goethe, Gedichte.

21

Denn unfühlend Ist die Natur:

Es leuchtet die Sonne Ueber Bös' und Gute, Und dem Verbrecher Glänzen, wie dem Besten,

Der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,
Donner und Hagel

Rauschen ihren Weg,
Und ergreifen,

Vorübereilend,

Einen um den andern.

Auch so das Glück

Lappt unter die Menge,
Faßt bald des Knaben
Lockige Unschuld,

Bald auch den kahlen
Schuldigen Scheitel.

Nach ewigen, ehrnen,
Großen Gesezen
Müssen wir alle

Unseres Daseyns

Kreise vollenden.

Nur allein der Mensch
Vermag das Unmögliche;
Er unterscheidet,

Wählet und richtet;

Er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.

Er allein darf

Den Guten lohnen,

Den Bösen strafen,

Heilen und retten;
Alles Jrrende, Schweifende

Nüglich verbinden.

Und wir verehren

Die Unsterblichen,

Als wären sie Menschen,

Thäten im Großen,

Was der Beste im Kleinen

Thut oder möchte.

Der edle Mensch

Sey hülfreich und gut!
Unermüdet schaff' er
Das Nüßliche, Rechte,
Sey uns ein Vorbild

Jener geahneten Wesen!

Königlich Gebet.

Ha, ich bin der Herr der Welt! mich lieben Die Edlen, die mir dienen.

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