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Wenn ich den blauen Umschlag dann erblickte:
Neugierig schnell, wie es geziemt dem Weibe,
Riff' ich ihn auf, daß nichts verborgen bleibe;
Da läs' ich was mich mündlich sonst entzückte:

Lieb Kind! Mein artig Herz! Mein einzig Wesen! Wie du so freundlich meine Sehnsucht stilltest

Mit süßem Wort und mich so ganz verwöhntest.

Sogar dein Lispeln glaubt' ich auch zu lesen,
Womit du liebend meine Seele fülltest

Und mich auf ewig vor mir selbst verschöntest.

XI.

Nemesis.

Wenn durch das Volk die grimme Seuche wüthet,
Soll man vorsichtig die Gesellschaft lassen.
Auch hab' ich oft mit Zaudern und Verpassen
Vor manchen Influenzen mich gehütet.

Und obgleich Amor öfters mich begütet,
Mocht' ich zuletzt mich nicht mit ihm befassen.
So ging mir's auch mit jenen Lacrimassen,
Als vier- und dreifach reimend sie gebrütet.

Nun aber folgt die Strafe dem Verächter,
Als wenn die Schlangenfackel der Erinnen
Von Berg zu Thal, von Land zu Meer ihn triebe.

Ich höre wohl der Genien Gelächter;
Doch trennet mich von jeglichem Besinnen
Sonettenwuth und Raserei der Liebe.

XII.

Christgeschenk.

Mein füßes Liebchen! Hier in Schachtelwänden
Gar mannichfalt geformte Süßigkeiten.
Die Früchte sind es heil'ger Weihnachtszeiten,
Gebackne nur, den Kindern auszuspenden!

Dir möchť ich dann mit füßem Redewenden
Poetisch Zuckerbrod zum Fest bereiten;
Allein was soll's mit solchen Eitelkeiten?
Weg den Versuch, mit Schmeichelei zu blenden!

Doch giebt es noch ein Süßes, das vom Junern Zum Innern spricht, genießbar in der Ferne, Das kann nur bis zu dir hinüber wehen.

Und fühlst du dann ein freundliches Erinnern, Als blinkten froh dir wohlbekannte Sterne, Wirst du die kleinste Gabe nicht verschmähen.

XIII.

Warnung.

Am jüngsten Tag, wenn die Posaunen schallen
Und alles aus ist mit dem Erdeleben,
Sind wir verpflichtet Rechenschaft zu geben
Von jedem Wort, das unnüß uns entfallen.

Wie wird's nun werden mit den Worten allen,
In welchen ich so liebevoll mein Streben
Um deine Gunst dir an den Tag gegeben,
Wenn diese bloß an deinem Ohr verhallen?

Darum bedent', o Liebchen! dein Gewissen,
Bedent' im Ernst, wie lange du gezaudert,
Daß nicht der Welt solch Leiden widerfahre.

Werd' ich berechnen und entschuld'gen müssen,
Was alles unnüß ich vor dir geplaudert:
So wird der jüngste Tag zum vollen Jahre.

XIV.

Die Bweifelnden.

Jhr liebt, und schreibt Sonette! Weh der Grille!
Die Kraft des Herzens, sich zu offenbaren,
Soll Reime suchen, sie zusammenpaaren;

Ihr Kinder, glaubt, ohnmächtig bleibt der Wille.

Ganz ungebunden spricht des Herzens Fülle
Sich kaum noch aus: sie mag sich gern bewahren;
Dann Stürmen gleich durch alle Saiten fahren;
Dann wieder senken sich zu Nacht und Stille.

Was quält ihr euch und uns, auf jähem Stege
Nur Schritt vor Schritt den läst'gen Stein zu wälzen,
Der rückwärts lastet, immer neu zu mühen?

Die Liebenden.

Im Gegentheil, wir sind auf rechtem Wege!
Das Allerstarrste freudig aufzuschmelzen
Muß Liebesfeuer allgewaltig glühen.

XV.

Mädchen.

Ich zweifle doch am Ernst verschränkter Zeilen!
Zwar lausch' ich gern bei deinen Sylbespielen ;
Allein mir scheint, was Herzen redlich fühlen,
Mein süßer Freund, das soll man nicht befeilen.

Der Dichter pflegt, um nicht zu langeweilen,
Sein Innerstes von Grund aus umzuwühlen;
Doch seine Wunden weiß er auszufühlen,
Mit Zauberwort die tiefsten auszuheilen.

Dichter.

Schau', Liebchen, hin! Wie geht's dem Feuerwerker? Drauf ausgelernt, wie man nach Maaßen wettert, Irrgänglich-flug minirt er seine Grüfte;

Allein die Macht des Elements ist stärker,
Und eh' er sich's versicht, geht er zerschmettert
Mit allen seinen Künsten in die Lüfte.

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