Page images
PDF
EPUB

Vieles sagt' ich noch gern; doch, ach! die Scheidende weilt nicht,

Wie sie wollte; mich führt streng ein gebietender Gott. Lebe wohl! schon zieht mich's dahin in schwankendem Eilen. Einen Wunsch nur vernimm, freundlich gewähre mir ihn: Laß nicht ungerühmt mich zu den Schatten hinabgehn! Nur die Muse gewährt einiges Leben dem Tod. Denn gestaltlos schweben umher in Persephoneia's Reiche, massenweis', Schatten vom Namen getrennt; Wen der Dichter aber gerühmt, der wandelt, gestaltet, Einzeln, gesellet dem Chor aller Heroen sich zu. Freudig tret' ich einher, von deinem Liede verkündet, Und der Göttin Blick weilet gefällig auf mir.

Mild empfängt sie mich dann, und nennt mich; es winken die hohen

Göttlichen Frauen mich an, immer die nächsten am Thron. Penelopeia redet zu mir, die treuste der Weiber,

Auch Euadne, gelehnt auf den geliebten Gemahl. Jüngere nahen sich dann, zu früh herunter Gesandte, Und beklagen mit mir unser gemeines Geschick. Wenn Antigone kommt, die schwesterlichste der Seelen, Und Polyrena, trüb noch von dem bräutlichen Lod, Seh' ich als Schwestern sie an und trete würdig zu ihnen; Denn der tragischen Kunst holde Geschöpfe sind sie. Bildete doch ein Dichter auch mich; und seine Gesänge,

Ja, sie vollenden an mir, was mir das Leben versagt." Also sprach sie, und noch bewegte der liebliche Mund sich Weiter zu reden; allein schwirrend versagte der Ton. Denn aus dem Purpurgewölk, dem schwebenden, immer bewegten.

Trat der herrliche Gott Hermes gelassen hervor:

Goethe, Gedichte.

14

Mild erhob er den Stab und deutete; wallend verschlangen Wachsende Wolken, im Zug, beide Gestalten vor mir. Tiefer liegt die Nacht um mich her; die stürzenden Wasser Brausen gewaltiger nun neben dem schlüpfrigen Pfad. Unbezwingliche Trauer befällt mich, entkräftender Jammer, Und ein moosiger Fels stüzet den Sinkenden nur. Wehmuth reißt durch die Saiten der Brust; die nächtlichen Thränen

Fließen, und über dem Wald kündet der Morgen sich an.

Hermann und Dorothea.

Also das wäre Verbrechen, daß einst Properz mich begeistert, Daß Martial sich zu mir auch, der verwegne, gesellt? Daß ich die Alten nicht hinter mir ließ, die Schule zu hüten;

Daß sie nach Latium gern mir in das Leben gefolgt? Daß ich Natur und Kunst zu schaun mich treulich bestrebe,

[ocr errors]

Daß kein Name mich täuscht, daß mich kein Dogma be

schränkt?

Daß nicht des Lebens bedingender Drang mich, den Menschen, verändert,

Daß ich der Heuchelei dürftige Maske verschmäht? Solcher Fehler, die du, o Muse, so emsig gepfleget, Zeihet der Pöbel mich; Pöbel nur sieht er in mir. Ja, sogar der Bessere selbst, gutmüthig und bieder,

Will mich anders; doch du, Muse, befiehlst mir allein: Denn du bist es allein, die noch mir die innere Jugend Frisch erneuest, und sie mir bis zu Ende versprichst.

Aber verdopple nunmehr, o Göttin, die heilige Sorgfalt! Ach die Scheitel umwallt reichlich die Locke nicht mehr: Da bedarf man der Kränze, sich selbst und Andre zu täuschen;

Kränzte doch Cäsar selbst nur aus Bedürfniß das Haupt. Hast du ein Lorbeerreis mir bestimmt, so laß es am Zweige

Weiter grünen, und gieb einst es dem Würdigern hin; Aber Rosen winde genug zum häuslichen Kranze;

Bald als Lilie schlingt silberne Locke sich durch.

Schüre die Gattin das Feuer, auf reinlichem Herde zu kochen!

Werfe der Knabe das Reis, spielend, geschäftig dazu! Laß im Becher nicht fehlen den Wein! Gesprächige Freunde,

Gleichgesinnte, herein! Kränze, sie warten auf euch. Erst die Gesundheit des Mannes, der, endlich vom Namen

Homeros

Kühn uns befreiend, uns auch ruft in die vollere Bahn. Denn wer wagte mit Göttern den Kampf? und wer mit dem Einen?

[ocr errors]

Doch Homeride zu seyn, auch nur als leßter, ist schön. Darum höret das neuste Gedicht! Noch einmal getrunken! Euch besteche der Wein, Freundschaft und Liebe das Ohr. Deutschen selber führ' ich euch zu, in die stillere Wohnung, Wo sich, nah der Natur, menschlich der Mensch noch erzieht;

Uns begleite des Dichters Geist, der seine Luise

Rasch dem würdigen Freund, uns zu entzücken, verband. Auch die traurigen Bilder der Zeit, sie führ' ich vorüber; Aber es siege der Muth in dem gesunden Geschlecht.

Hab' ich euch Thränen in's Auge gelockt, und Lust in die

Seele

Singend geflößt, so kommt, drücket mich herzlich an's

Herz!

Weise denn sey das Gespräch! Uns lehret Weisheit am Ende

Das Jahrhundert; wen hat das Geschick nicht geprüft? Blicket heiterer nun auf jene Schmerzen zurücke,

Wenn euch ein fröhlicher Sinn manches entbehrlich erklärt. Menschen lernten wir kennen und Nationen; so laßt uns, Unser eigenes Herz kennend, uns dessen erfreun.

Episteln.

« PreviousContinue »