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Sie lacht' und weint' und bet't und schwur, So fuhr die Seel' von hinnen;

Die Stund' da sie verschieden war,

Wird bang dem Buben, graus't sein Haar, Es treibt ihn fort zu Pferde.

Er gab die Sporen kreuz und quer
Und ritt auf alle Seiten,

Herüber, hinüber, hin und her,

Kann keine Ruh erreiten;

Reit't fieben Tag' und sieben Nacht,

Es blizt und donnert, stürmt und kracht,
Die Fluthen reißen über.

Und reit't in Bliß und Wetterschein

Gemäuerwerk entgegen,

Bind't 's Pferd hauß' an und kriecht hinein

Und duckt sich vor dem Regen.

Und wie er tappt, und wie er fühlt,

Sich unter ihm die Erd' erwühlt,

Er stürzt wohl hundert Klafter.

Und als er sich ermannt vom Schlag,
Sieht er drei Lichtlein schleichen.
Er rafft sich auf und krabbelt nach;
Die Lichtlein ferne weichen,

Irrführen ihn, die Quer' und Läng',
Trepp' auf Trepp' ab, durch enge Gäng',
Verfallne wüste Keller.

Auf einmal steht er hoch im Saal,
Sieht sißen hundert Gäste,
Hohläugig grinsen allzumal,
Und winken ihm zum Feste.
Er sieht sein Schäßel unten an,
Mit weißen Tüchern angethan;
Die wend't sich

Erlkönig.

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;

Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?
Mein Sohn es ist ein Nebelstreif.

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Du liebes Kind, komm geh mit mir!

,,Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir;

„Manch' bunte Blumen sind an dem Strand,

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, Meine Mutter hat manch' gülden Gewand.“

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht? -
Sen ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;

In dürren Blättern säuselt der Wind.

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? Meine Töchter sollen dich warten schön;

"

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"

Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn,

Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort?

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Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau.

„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
„Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt."
Mein Vater, mein Vater, jeßt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids gethan!

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Müh' und Noth;
In seinen Armen das Kind war todt.

Der Fischer.

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,

Ein Fischer saß daran,

Sah nach dem Angel ruhevoll,

Kühl bis an's Herz hinan.

Und wie er sißt und wie er lauscht,

Theilt sich die Fluth empor;

Aus dem bewegten Wasser rauscht

Ein feuchtes Weib hervor.

Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
Was lockst du meine Brut

Mit Menschenwiß und Menschenlist
Hinauf in Todesgluth?

Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist,
Eo wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter wie du bist
Und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenathmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?

Lockt dich der tiefe Himmel nicht,

Das feuchtverklärte Blau?

Lockt dich dein eigen Angesicht

Nicht her in ew'gen Thau?

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,

Neyt' ihm den nackten Fuß;

Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,

Wie bei der Liebsten Gruß.

Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;

Da war's um ihn geschehn:

Halb zog sie ihn, halb sank er hin,

Und ward nicht mehr gesehn.

Der König in Thule.

Es war ein König in Thule,
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,
Er leert' ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,
Zählt' er seine Städt' im Reich,
Gönnt' alles seinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.

Er saß beim Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,
Trank lezte Lebensgluth,
Und warf den heil'gen Becher
Hinunter in die Fluth.

Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief in's Meer.
Die Augen thäten ihm sinken;
Trank nie einen Tropfen mehr.

Goethe, Gedichte.

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