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Unmöglich ist es, die Literatur eines Volkes, die Schönheiten seiner Sprache zu kennen, wenn man keine Auswahl zwischen dem Gediegenen und dem Schlechten zu treffen weiß. Diesen Grundsaß haben selbst sehr gelehrte Deutsche, unter andern die Herren Jdeler und Nolte, nicht immer befolgt, denn man findet in ihrem Handbuche nicht selten Bruchstücke, die der gute Geschmack bereits aus Frankreich verbannt hat. Diesem abzuhelfen habe ich in dem hier dargebotenen Werke, daß die neuere französische Literatur von ihrem Entstehen bis auf die Gegenwart umfaßt, eine strenge Prüfung aller mir vorliegenden Bruchstücke vorgenommen und nur solche gewählt, die als Meisterwerke gelten können. Viele im Allgemeinen unbekannte Dichter und Schriftsteller find angeführt worden, doch nur das Gediegenste aus ihren Werken. (Z. B. Longepierre, Bruchstück aus Médée; Lafosse, Bruchstück aus Manlius; Desstouches, Bruchstück aus le Philosophe marié; Chénier, la Jeune Captive; Nodier, Ruines de l'Abbaye de Jumièges &c.) Dieses Verfahren habe ich bei jedem Schriftsteller beobachtet, und so kann das Buch als Einleitung dienen für diejenigen, welche weiter fortschreiten, und als ausreichend für die, welche kein tieferes Studium der französischen Sprache machen wollen.

Wir beginnen mit einem kurzen Umrisse der ältern französischen Literatur bis zu Malherbe; dieser Umriß ist nach Ampère1, Bruce-Whyte2, Fallot3, Wachler4 zc. bearbeitet, die beiden ersten §. aber sind ein Auszug aus einem größern

1 Histoire de la Formation de la Langue Française, Paris 1841.

2 Histoire de la Littérature des Langues Romanes, Paris 1841.

3 Recherches sur les Formes grammaticales de la Langue Française au XIII. Siècle, Paris, Imp. Royale 1839.

4 Wachler's Literaturgeschichte, Frankfurt 1825.

Werke, worin ich die hier ausgesprochenen Ansichten erweitert und begründet habe, und das ich nächstens veröffentlichen werde. Dann ging ich zu der neueren Literatur über, die nach Jahrhunderten chronologisch geordnet ist. Jedem Schriftsteller geht eine biographische Skizze voran. Diese sind nach Palissot's Memoiren, Laharpe, Léon Halévy1, Feller2 und dem neuen Werke Bescherelle's3 im Auszuge aufgestellt. Bei vielen vorzüglichen Schriftstellern steht das Urtheil, das entweder ein Klassiker oder Gelehrter über sie gefällt hat, und alsdann folgen die gediegensten Bruchstücke aus ihren Meisterwerken, die mit kritischen, grammatischen und etymologischen Noten zur Genüge ausgestattet sind.

Es mag nun sein, daß ich auf diesem weiten Felde manchen guten Schriftsteller unberücksichtigt gelassen habe; dieses war der Fall, wenn seine Werke entweder für das moralische Gefühl verlegend oder wenn sie streng philosophischen Inhalts waren (so Diderot, Neigeon, Crebillon der Jüngere und die neueren Romantiker); daß andere hingegen mit besonderer Vorliebe behandelt wurden; (so Corneille, Racine, Voltaire, Delavigne und Lamartine, 2c.). Deßhalb bitte ich um Nachsicht, da dasjenige, was geliefert wird, nur meinem Zwecke entsprechen sollte. Alle diese Fragmente aber sind einer strengen Prüfung unterworfen worden.

Und nun noch ein Wort über den Gebrauch dieses Buches. Soll es zum Schulunterrichte dienen, so muß der Lehrer nicht mit dem XVII. Jahrhundert, sondern gleich mit dem XVIII. beginnen, weil in der ältern Sprache Ausdrücke

1 Léon Halévy, Histoire et Modèles de la Littérature Française, Paris 1837.

2 Feller, Biographie universelle, ed. Perennès, Besançon 1834.

3 Leçons analytiques de Littérature et de Style, publiées par une Société de Littérateurs et de Grammairiens sous la direction de Martin et Bescherelle. Paris 1838.

und Wendungen vorkommen, die aus der neuern verbannt find; er muß alsdann die neueste Literatur durchnehmen und erst von dieser zur ältern übergehen. Will der Schüler dann die Literatur des Mittelalters kennen lernen, so empfehlen wir ihm das so eben in Berlin (bei Nauck) erschienene Werk Idelers, das, vollständiger als das Magersche, eine reiche und treffliche Auswahl von Bruchstücken der alt-nord-französischen Literatur enthält, und in diesem Bezuge als das vollständigste gelten kann, das bis jezt in Deutschland erschienen' ist. Obgleich Ideler die Mundart nicht angegeben hat, worin diese Bruchstücke abgefaßt sind, und obgleich manches Werk der alten Sprache ihm noch unbekannt scheint, so kann es doch zum einleitenden Studium derselben in jeder Hinsicht genügen. genügen. Freilich muß man, um seine Bruchstücke ohne Ausnahme zu verstehen, Orell's altfranz. Grammatik zur Hand haben, worin alle altfranzösischen Formen aufgestellt sind, so wie das Gloffaire von Roquefort, worin man alle unbekannten Wörter finden kann; lezteres ist jedoch nur mit sehr großer Vorsicht zu gebrauchen.

Ueber die von mir befolgte Orthographie habe ich mich in meiner Grammaire Polydidactique1 ausgesprochen, und verweise deßhalb auf Pag. 130 derselben. Kleine Mängel mögen mit Schonung berücksichtigt und nicht nach ihnen das Werk beurtheilt werden, da es nur in meiner Absicht lag, Etwas über die französische Literatur zu liefern, das, sich über das ganze Gebiet derselben erstreckend, in kurzen Umrissen einen vollständigen Ueberblick der neuern Sprache und Literatur gewähren und bei etwaigen stylistischen

1 Hambourg 1841. Magnus & Comp.

Uebungen als Muster und Richtschnur für die Korrektheit der Sprache dienen könnte.

Schließlich erlaube ich mir noch die Bemerkung, daß durch Hamburgs Brandunglück, worin ein Theil des Manuskriptes und mehr als die Hälfte des schon gedruckten Werkes, so wie die für das Werk bestimmten Typen ein Raub der Flammen wurden, die Herausgabe leider um ein Jahr verspätet worden ist. Eben daher schreibt sich auch der Uebelstand,, daß das Buch zweierlei Druckschrift darbietet, weil neue Lettern gegossen werden mußten.

Mir selbst machte meine Abreise nach Nußland und die große Entfernung, die mich vom Druckorte scheidet, die Vollendung der Korrektur unmöglich. Herr Steinmez jedoch, Vorsteher eines Instituts in Altona, unterzog sich auf das Bereitwilligste der Durchsicht der einzelnen noch übrigen Bogen, wofür ich ihm meinen wärmsten Dank abstatte.*)

Uebrigens möge das Publikum nachsichtig entschuldigen, wenn das Werk hie und da Mängel darbieten sollte. Bei einer etwaigen zweiten Auflage würde ich,

*) Herr Castres de Tersac, früher erster französischer Lehrer an meinem Institute, hatte sich mit großer Bereitwilligkeit einer Durchsicht meines praktischen Unterrichts in der französischen Sprache nach R. J. Wurst's Jdeen (Reutlingen bei J. C. Mäcken jun. 1842) unterzogen, so daß schon die Billigkeit von mir einen Gegendienst verlangte. Wenn meine mit dem sechsten Bogen beginnende Korrektur des vorliegenden Werkes vielleicht Einiges zu wünschen übrig lassen sollte, so möge man es, bei der mir so kärglich zugemessenen Mußezeit, freundlich entschuldigen. Daß übrigens der Inhalt dieses Buches von mir eben so wenig vertreten wird, wie der Inhalt meines Büchleins vom Herrn Castres de Tersac, brauche ich wohl kaum zu erinnern, da bei aller gegenseitigen Hochachtung dennoch in einzelnen Punkten, schon der verschiedenen Nationalität wegen, Meinungsverschiedenheit stattfindet. Altona, im Mai 1843.

J. D. Steinmeß.

besonders wenn gewichtige Stimmen, wie ich Solches nicht anders wünschen kann, mir über den einen oder den andern Punkt Bemerkungen machten, Manches zu verbessern suchen, was bei schon halbvollendetem Drucke jezt nicht mehr geändert werden konnte, ohne die Grundlage des Ganzen zu zerstören.

Walk in Lievland, den 21. Januar 1843.

Der Verfasser.

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