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le-Diable, Richard Coeur-de-Lion; einige rein erdichtete, als: Portonopeus, la belle Meleusine, und der neueste derselben, Amadis des Gaules, mehr exotischen als französischen Ursprungs, denn er ist nach dem Muster spanischer und portugiesischer Originale abgefaßt.

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Diese Ritterromane haben sich über ganz Europa erstreckt; unter verschiedenen Gestalten sind sie in den verschiedenen Låndern vorhanden. In Spanien steht Bernard de Carpio Karl dem Großen entgegen; in Calderons Puente de Mentible findet man den Ferabras, in Italien in den I Reali Francia de, Karl den Großen; in Dante's Werken Lancelot und Tristan, wovon ersterer eine große Rolle im Schicksale der Françoise de Rimini spielt. England hat viele von den französischen mittelalterlichen Romañen übersett, worin aber die Namen meist immer verstümmelt find, Deutschland hat auch Skizzen daraus entlehnt, wie man es aus Wachlers Literaturgeschichte ersehen kann, und wenn man die Fortpflan= zung der Ritterromane gänzlich verfolgen wollte, müßte man bis aufSkandinavien zurück ́gehen. Island hat, so wie die slavischen Nazionen, der runden Tafel gehuldigt, denn der Fürst Kartaus und seine zwölf Ritter, die in Rußland Eingang gefunden haben, sind nur Arthur und die Ritter der runden Tafel1.

Das mittelalterliche Epos geht unmerklich zu den Fabliaux über; was ist denn der Roman du Sire de Coucy anders als ein langes Fabliau? Diese Fabliaux gehören zu den interessantesten Dichtungen des Mittelalters. Die Erzählungsweise ist darin zu weit getrieben, weiter noch als in den großen ritterlichen Epopõen. Der beißende Geist der Franzosen damaliger, Zeit zeigt sich darin mit der Feinheit und Naivität, die späterhin den Lafontaine auszeichnet. Marie de France verdient hier erwähnt zu werden; die Namen der übrigen Dichter sind nicht bekannt. Eine große Sammlung von Fabliaux haben Barbazan und Méon herausgegeben. Zu den Fabliaux gehören auch noch die Histoires, Contes et Nouvelles, wovon die vorzüglichsten les Cent-et-une Nouvelles aus dem Italienischen des Boccacio übertragen find.

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Ehe wir vom Mittelalter zur neueren Literatur übergehen, die wir aber nicht beschreiben wollen, haben wir noch einige Werke, und besonders die Dramaturgie zu erwähnen. Die dramatische Dichtkunst stellt unter der ihr eigenen Form die verschiedenen literarischen Leistungen des Mittelalters dar. Aus der Bibel entlehnt sie ihre Mystères, aus der Legende ihre Miracles; die allegörische und didaktische Dichtkunft erzeugt die Moralités. Die ritterliche Poesie nimmt darin nur einen sehr geringen Plaß ein und das Fabliau erweckt die fatyrische Poffe, la Farce satyrique. Das Theater, das hier nicht berührt werden kann, schließt die mittelalterliche Literatur.

In dieser Uebersicht der mittelalterlichen Literatur Frankreichs sind wir vielleicht in manchem Bezuge zu weitschweifig, in andern zu kurz gewesen, da aber bekannte Sachen keiner Erwähnung bedürfen, unbekannte aber besonders berücksichtigt werden müssen, wird man uns dieses verzeihen. In wenigen Worten” dürfen wir hier wol_noch die Hauptereignisse der von uns beschriebenen Epochen hervorheben: Nach Kart dem Großen crhält die französische Sprache und Literatur einen besondern Aufschwung. Die Kreuzzüge entflammen die Begeisterung und geben den profanen Geistesprodukten einen ritterlichen Karakter, den religiösen cine lebendige, hinreißende Beredsamkeit, die aber durch scholastische Spitfindigkeiten 1 Dietrich, russische Volksmåhrchen.

verderbt wird. Die Dichtkunst verliert ihre Anmuth, ihre kaustische Freimüthigkeit; durch Selbstdenken angeregt, wird sie aber gelehrter und gewinnt an Reichhaltigkeit und Genauigkeit; die Prosa erhebt sich durch ihre regelmåßige_und kernige Sprache, womit sie die Chronikenschreiber und Philosophen bereichern und die sich bis zum XV. Jahrhundert stets erhålt.

In demselben verleihen die darin gemachten Entdeckungen, das verbreitete Studium der griechischen und lateinischen Sprache, die Feldzüge in Italien dem französischen Idiome ein neues Gewand; im folgenden Jahrhundert erreicht sie einen hohen Punkt der Reife. Alle früheren Zeiten verschwinden vor der merkwürdigen Epoche die mit dem XVI. Jahrhunderte beginnt ; die französische Sprache und Literatur, durch Phantasie befruchtet, durch neue Wörter bereichert, erhålt eine neue Richtung. Die politische Einheit des Staates wird begründet; die literarische Einheit beginnt. Im Jahre 1512 befiehlt Ludwig XII. die Einführung der französischen Sprache in die Gesezbücher; die lateinische wird aber dennoch beibehalten und crst unter Franz I., der 1529 denselben Befehl ertheilte, welcher aber kraftlos blieb und 1538 erneuert werden mußte, verschwindet sie gänzlich.

In diesem Zeitalter öffnet Marot der Dichtung eine neue Bahn, die mit dem fester geordneten gesellschaftlichen Leben ihren Kreis vergrößert; er erweckt mit seiner naiven, leichten und sarkastischen Feder das nazionale Selbstgefühl, während Amyot, in seiner profaischen Ueberseßung Plutarchs, für eine allmählige Sicherstellung grammatischer Reinheit sorgt und das Gebiet der Sprache erweitert. Montaigne erstrebt stylistische Korrektheit und kühnere Wendungen, die aber durch die griechischen und lateinischen Austrücke Ronsard's verdorben werden; Rabelais waltet nach seinem Belieben über sie. Reich an wißiger Laune, unübertrefflich in Ernst und Scherz, tief gelehrt und vielseitig gebildet, überströmend von Luftigkeit in der Unschauung weltlicher Dinge und dennoch das Wahre, Würdige nicht versåumend, geißelt er sein Zeitalter mit allgewaltiger Hand und bestreitet kühn die herrschenden Vorurtheile und Irrthümer, enthüllt Vieles mit einer Freimüthigkeit sonder Gleichen und übt einen großen Einfluß auf die folgenden Schriftsteller aus.

Enfin Malherbe vint, et le premier en France,

Fit sentir dans les vers une juste cadence.
D'un mot mis en sa place enseigna le pouvoir,
Et réduisit la muse aux règles du devoir.

Note. Sollten die im Anfange dieser Einleitung ausgesprochenen Ideen über das Fortbestehen des gallischen Idioms in Gallien angegriffen werden, so weisen wir nur auf das so eben in Dessau, von Fuchs erschienene Werk »zur Geschichte und Beurtheilung der Fremdwörter im Deutschen §. 1 zurück, worin der Verfasser eine ähnliche Behauptung aufstellt.

Siebzehntes Jahrhundert.

XVII. Siècle.

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Siebzehntes Jahrhundert.

XVII. Siècle.

1. MALHERBE (François de).

Malherbe ward 1555 in Caën, Normandie, geboren und starb 1628 in Paris, im 73. Lebensjahre. Berühmter Dichter, begriff er den Geist der Sprache, in der er schrieb, und ohne ihr das Naive, das ihr eigen war, zu nehmen, wußte er sie nach seinem Gedankenstrome zu beugen, und ihr Erhabenheit und Anmuth zu verleihen. »Malherbe, sagt Balzac sein Zeitgenosse, apprit à la France ce que c'était que la poésie, et parvint à contenter l'oreille, ce juge délicat et sévère. Il inventa l'art d'écrire avec pureté et bienséance, montra que l'éloquence prend sa source dans le choix des pensées et des paroles, et prouva que souvent l'arrangement des choses et des mots est préférable aux choses et aux mots mêmes.<< Seine Dichtungen find zwar zu rhetorisch, zeichnen sich aber durch_stylistische Musterhaftigkeit aus; auch seine Prosa ist vortrefflich, und verråth Reinheit und Wohllaut.

Man hat von ihm überseßte Bruchstücke aus dem Seneca und dem 33ften Buche des Livius. Seine Zeitgenossen, unter andern Racan, ließen ihm vollkommene Gerechtigkeit widerfahren und legten ihm den Namen le prince des poètes et le poète des princes bei. Einige jedoch machten ihm den Vorwurf, daß es ihm an Begeisterung fehle. Dieses Urtheil fällt auch Wachler über ihn. Jest stimmt man darin überein, daß Malherbes Verdienst mehr in den feinen Wendungen der Sprache als in Erfindung und Gedankenfülle liege. Er war 43 Jahr alt, als er sein erstes Gedicht machte, und es scheint, daß er sich überhaupt erst in den spåtern Jahren der Dichtkunst gewidmet habe.

Halévy begeht einen Fehler, wenn er sagt, daß Malherbe die vierte Strophe des Gedichts, das wir gleich anführen werden, auf den Tod seiner Tochter gedichtet habe. Er verlor seine Tochter und spåterhin fiel sein Sohn im Duell mit einem provenzalischen Edelmann, Sein Schmerz war so groß, daß er sich im 73ften Jahre mit dessen Gegner schlagen wollte. Seine Freunde stellten ihm die Thorheit vor, die er begehen würde, da die Kämpfenden nicht gleichen Alters feien, "C'est à cause de cela,« entgegnete er, "que je veux me battre; je ne basarde qu'un denier contre une pistole.«Sein ganzes Leben hindurch prozessirte er mit seinem åltesten Bruder. Als ihm eines Tags ein Freund darüber Vorwürfe machte, sagte er: »Avec qui voulez-vous donc que je plaide? Avec les Turcs et les Moscovites, avec qui je n'ai rien à partager? ein, mit_den_Grundsågen brüderlicher Liebe sehr unvereinbares Wort, deffen Originalität sich aber nicht läugnen läßt. Malherbe wohnte meist immer en garni, mehr aus Sonderlingsneigung als aus Geiz. Sein Mobiliar war eben nicht brillant, denn er hatte nur einige Strohstühle; wenn ihn jemand besuchte und diese bescht waren, sagte er gewöhnlich durch's Schlüsselloch: "Attendez, il n'y a plus de chaises.<<

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