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denen europäischen Sprachen des Mittelalters übertragen worden1). Diese Legen den gehen oft in das Uebertriebene und Unnatürliche über. So leiten z. B. einige Verfasser derselben den Ursprung der Mutter Maria's, Anna, auf eine dem aus Jupiters Keule entsprungenen Bacchus ähnliche Weise ab, und lassen den Vater jener Anna auf eine eben so seltsame Art zur Welt kommen, indem er aus dem Kelche einer Blume durch deren Ausdünstung erzeugt sein soll.

Als Gegenstück der christlichen apokryphischen Legenden, diene der schon angeführte Roman de Mahomet. Man findet in dem Lapidaire de Marbode, Bischof zu Rennes, einen Auszug aus Muhameds Leben; er stellt denselben als den Zögling eines Zauberers dar, redet von Konsuln und Bischöfen, und vermischt so das Alterthum mit dem Papstthum. Im Romane selbst ist Muhamed ein Feudalritter, und in einer spåtern zur Zeit der Angriffe auf Rom abgefaßten Satyre, gar Kardinal. Ein noch in Versen abgefaßtes, aus dem Lateinischen des Peter Alphons übertragenes Werk, das in diese Kategorie apokryphischer theologischer Werke gestellt werden kann, ist Le Chastoiement d'un père à son 2) fils. Es zeichnet sich durch die einfache Sagbildung sowohl als durch Reinheit des Styls aus.

Die nicht apokryphischen Legenden der Jungfrau bilden ein interessantes Kapitel diefer Literatur des Mittelalters. Jene Lobgedichte auf die Jungfrau, sowohl in Hinsicht der Religion als Dichtkunst, beweisen die ganze Geschichte christlicher Frömmigkeit. Geht man auf das Ritterthum über, wo die Frau schon hochgefeiert wird, so findet man daß der Kultus der Jungfrau jener Feier gleichsteht. Kirchen und Dichtkunst wetteiferten in diesem Bezuge. Wenn der Ritter für feine Dame stirbt, sehen Kirche und Poeten die Dame de tout le monde (wie sie in den alten französischen Legenden benannt wird) auf den Thron der Religion und Poesie. Man findet im Mittelalter eine Epoche, wo lettere der Mittelpunkt alles literarischen Bestrebens wird. Maria hilft jedem Elende ab, sie wird das Sinnbild der unerschöpflichen Zärtlichkeit. Oft geht jene aber auch in Lächerlichkeit über. Sie heilt mit ihrer Milch einen sterbenden Mönch, sie vertritt in einem Kloster eine der Schwelgerei sich preisgebende Nonne, die aus demselben entflohen ist, und hålt mit ihren weißen Hånden die Füße des am Galgen hångenden Gauners.

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Weit geringern Gehaltes sind die Miracles,3) woran sich die Vie des Pères du Désert anschließen. Die Legende hat sich allmählig von ihrem Ursprunge entfernt; sie vermengt sich mit dem übrigen Genre der mittelalterlichen Literatur. Sie neigt sich der Satyre zu: Histoire de Léocadie und Ildefonse'; dem Rit: terromane: Vie de St. George; entlehnt oft die Lebendigkeit dem Fabliau um tiefe Gefühle damit wiederzugeben, wie im Chevalier au Barizel.

Nach der geistlichen Literatur wäre die didaktische zu berücksichtigen; sie ist entweder philosophischer Tendenz, der sich die Kasuistik anschließt,

1) In Deutschland schrieb im XIII. Jahrhundert ein Geistlicher ein Lob gedicht Maria's, das jenen Tradizionen entlehnt, denselben Reim beibehalt. 2) Es giebt zwei Werke dieser Art: 1) Eins aus dem XIV. Jahrhundert: Le Chastoiement d'un père à son fils, traduction en vers français de l'ouvrage de Pierre Alphonse. 2) Uebersetzung der Disciplina clericalis von Peter Alphons unter dem Titel Castoiement que li pères ensaigne à son fils. Ersteres Werk ift vom l'Abbé la Bouderie, leßteres von Barbazan, herausgegeben. Die prosaische Uebersehung dieses Werkes jenes umgetauften Juden, der 1062 in Huesca (Ura= gonien) geboren ward, führt den Titel Discipline de clergie, und ist mit einer Notiz de la Bouderie von der Société des Bibliophiles, veröffentlicht worden. 3) von Hugues Farsi, Monch zu Soissons, in lateinischer Sprache im XII. Jahrhundert geschrieben, und von Coinsi Triens de St. Médard ins Französische übertragen.

ober wissenschaftlichen Gehaltes. Oft erhebt sich dieselbe gegen die klerikalische Autorität, und eine theologische Schule, an deren Spiße Abailard steht, will die reine Vernunft über das buchstäbliche Geseß der heiligen Schrift erheben. Wir haben schon davon gesprochen. Die philosophische Literatur des Mittelalters brauchen wir nicht zu berücksichtigen, weil sie sich nur mit lateinischer Sprache befaßt, und wie man, um in französischer Sprache geschriebene theologische Werke aufzufinden, bis zum Calvin gehen muß, so muß man, um philosophische anzutreffen, bis auf Descartes1) Zeitalter warten. Es verhält sich aber nicht so mit der wissenschaftlichen Literatur, die zuweilen den Gebrauch der französischen Sprache gestattete. Einige darin abgefaßte sind: l'Image du Monde und le Trésor von Brunetto Latini.2) Jene Werke gehören mehr der Geschichte der Wissenschaften als der der Literatur an, und oft erstaunt man, zu jener Zeit bei verschiedenen Autoren Kenntnisse über Sachen anzutreffen, wovon man sich keine Begriffe machen konnte.3) ·

Die Rechtsgelehrsamkeit hat nichts Literarisches aufzuweisen, denn man kann die Geseze nicht literarisch betrachten, obgleich man in vielen Charten und Gesegsammlungen jener Zeit, die Wortformen der Sprache aufsuchen muß. Da in neueren Jahren viele derselben veröffentlicht worden sind, so wollen wir sie hier chronologisch ordnen. Charten: 1122, de Carpentier, Histoire de Cambray, II. Preuves. 1138, Histoire de Jean de Montmirel, p. 503.

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1147, La Thaumassière, Anciennes Coûtumes d'Orléans p. 465. 1167, Les Chroniques et Annales de Flandres, par P. Oudegherst. Anvers, 1571, p. 134. 1178, Charte de Sens, du Plessis, Histoire de Meaux, 11, 67.1187, Histoire généalogique des Maisons de Guines, d'Ardres, de Gand et de Coucy, par André du Chesne, Preuves, p. 108. 1215, Cartulaire d'Auchy. Gesehbücher. Ordonnance des Rois de France de la troisième race, T. I, 1723, in-fol. 1168, Ordonnance de Louis le Jeune. 1254, Ordonnance de St. Louis. lesquelles le Roy abolit plusieurs mauvaises Coûtumes dans la ville d'Orléans. Ordonnances de Louis IX. 1245, 1254, 1256; Ordonnance sur les Duels, 1260. - Ord. touchant les Monoyes, 1262. – Les Etablissements de Saint-Louis, p. 1074).— 1272.- Ord. de Philippe III. 1272, 1287, 1302. Ord. de Philippe IV. · Das älteste aber ift: les Lois de Guillaume le Conquérant3)

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1168, Lettres par

Mehrere jener oben erwähnten Literaturen nehmen oft ein allegorisches Gewand an. Man findet dasselbe die moratische Theologie umhüllend in: le Pélérinage d'Alexis de Guilleville. F. Hellnard, Poëme sur la Mort. Leg

1) Unter Descartes Hand starb die Scholastik, die im Ganzen genommen Vieles zur Bildung der französischen Sprache beigetragen hatte. Ein sehr interessantes Werk hierüber ift G. de St. Hilaire, Influence de la Scolastique sur la Langue française, au Moyen-Age, Paris 1840. Cousin, in feinen Fragments Philosophiques II, und der Préface aux Oeuvres de Descartes, hat ebenfalls diesen Punkt berührt.

2) Man muß dieses Werk nicht mit dem Gedichte Gauthier de Metz verwechseln, von dem eine prosaische Bearbeitung: Livre de clergie ou l'Image du Monde vor handen ist. Vergleiche deshalb: Wachler, Geschichte der Literatur des Mittelalters. Frankfurt, 1828, II, p. 165.

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Vincent de Beauvais wußte, daß die Korallen Kohlensäure enthalten.

4) Dieser ist der korrektefte Abdruck derselben. Der Abbé de St. Martin hat 1786
dieselben abdrucken lassen, seine Lieferung ist aber nicht korrekt. Es finden sich
mehrere korrekte Eremplare davon in den königlichen Bibliotheken zu Paris.
5) Der Text derselben steht in A Dictionary of the Norman or old French Lan-
guage; London, Edward Brooke, 1799, Sehr alte Formen, schwer zu verstehen;
follte von Raynouard bearbeitet werden, der Tod aber hinderte ihn daran, denn

་ er starb 1836.

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teres zeichnet sich durch kaustische Freimüthigkeit und reiche Phantasie vor allen Uebrigen aus. Man muß hier noch den ersten Theil des schon zitirten Roman de la Rose, eines chevaleresken und galant moralischen Rittergedichts, in Erwähnung bringen. Das Image du Monde, eine Encyclopådie der Wissen= schaften, worin bedeutende, die allegorische Form annehmende. Aufschlüsse über das damalige Treiben gegeben werden, und in welcher Dichtung und Wahrheit hart neben einander stehen, vereinigt einen besonderen Epikuráismus mit groben und beißenden Angriffen auf die Kirche, und erzeugt den zweiten Theil jenes Romans, wovon J. de Mehung der Verfasser ist. Aber alle mittelalterliche Literaturen, didaktische sowohl als theologische, konzentriren sich in einem nicht französischen Werke, der divina comedia des Dante, einem erhabenen und großartigen, philosophisch-theologisch-moralischen Gedichte, das noch nicht übertroffen wurde.

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Bald darauf verlåßt aber die Geschichte allmählig die lateinische Sprache, um sich der französischen zu bedienen. Früher war deren Bearbeitung lange im Besige der Geistlichkeit gewesen, sie geht aber jezt zu den Laien über. So zeigt sich auch allmählig das moderne Leben in der historischen Schreibart, und die von den Chronikenschreibern in der Muttersprache erzählten Begebenheiten geben dem historischen Tone eine nationale Eigenthümlichkeit. Bevor man aber die wahre Geschichte erreicht, muß man zwei in Versen abgefaßte Chroniken, den Roman de Brut und Roman de Rou berücksichtigen, wo unter schwülstigen Erzählungen ein schwaches Licht auf die Begebenheiten der Zeit fällt. Beide wurden im XII. Jahrhundert von Wace geschrieben. Der Erstere enthält eine fabelhafte Geschichte der Könige Großbritanniens; es ist ein Chaos historischer Verwirrung und unvollständiger Reminiszenzen des Alterthums, die mit einigen Grundzügen aus der neuern Geschichte vermengt sind, und worin eine pedantische Unwissenheit die Irrthümer gehäuft hat. Das einzige Interesse dieses Werkes besteht darin, eine britische Volkstradizion, einige zweifelhafte Züge des Nationalkarakters aufzufinden, die der Verfasser unter geschmacklosen und vielgestaltigen Legenden zerstreuet hat. Der Roman de Rou enthält die Geschichte der Normannischen Herzöge, von Rollon bis zu Wilhelms Söhnen, und mehr rein Geschichtliches. Die Sprache hat alterthümliche Kraft, selten schroffe Hårte ; der Stoff ist besser bearbeitet, man findet einheimischen romantischen, durch die normannische Sympathie des Dichters belebten Rittersin; der Schauplag, auf welchem sich die Karaktere bewegen, ist mit Mannigfaltigkeit geschildert worden, und die Tendenz des Ganzen erhebt dieses zweite Werk weit über das erstere. Als Denkmåler wahrer geschichtlicher Darstellung, redlicher Wahrheitsliebe und reicher Erfahrung muß man aber die Werke Villehardouin's, Joinville's und Froissart's anerkennen. Mit ihnen tritt das Leben in die Geschichte ein, sie beseelen die Thatsachen mit der ihnen eigenen Physiognomie, und behalten den damit verbundenen energischen und leidenschaftlichen Karakter bei. Villehardouin, Marschall der Champagne, erzählt die Eroberung Konstantinopels durch die Abendländer; seine Prosa gefällt durch Aufrichtigkeit; selbst an dem darin herrschenden Styl erkennt man das junge Idiom, das mit demselben emporgekommene Dinge beschreibt. Hundert Jahre später beschreibt Joinville, der die Kreuzzüge mitgemacht hatte, diese Feldzüge, und wird der naive Biograph des heiligen Ludwigs. Wie Herodot erzählt er die Begebenheiten in einer, für sein Zeitalter trefflichen Sprache; er legt für den heiligen Ludwig eine unbegränzte Verehrung an den Tag, so daß die zauberische Individualisirung des Stoffes, oft Wahrheit zu 1 Man sehe über die in lateinischer Sprache abgefaßten Werke: Wachler, II., 229.

fürchten scheint. Nach ihm, um das Ende der dritten Periode des Mittelalters zu beendigen, erscheint Froissart, der glänzende, romaneske Froissart, dessen herumstreifendes Leben seinen Werken und seiner Zeit gemåß scheint. In jenem Zeitalter hat die Geschichte ihre Einheit sichtbar verloren, sie ist auf allen Punkten Europas zerstreut, Froissart's gefällige Sprache aber, die jedoch oft die Begebenheiten zu weitschweifig darstellt, eilt der Geschichte nach, sucht sie von Land zu Land, von Stadt zu Stadt auf; kein Zusammenhang in seinen Erzählungen, die immer belebt find, aber worin Alles ein chaotischer Knäuel zu sein scheint. Frankreich, England, Schottland, Spanien find bei ihm vereinigt, und vielleicht sind seine Memoiren zu sehr gerühmt worden.

In dieser lesten Hälfte des XIV. Jahrhunderts zersplittert sich das Mittelalter; seine Grundelemente zertheilen sich, das Feudalwesen stürzt zusammen, und es wächst die Volksmacht. In den demokratischen Empörungen, in den bürgerlichen Aufstånden Englands, Flanderns, und der Stadt Paris, liegt der künftige Triumph der neuen Klassen. Froissart begreift die Bewegung seiner Zeit nicht, aber durch das Naive seiner Erzählungen gibt er sie seinem Leser zu verstehen. Er sucht nur`das Ritterthum, aber es geht unter, er erblickt nur die Oberfläche der Gesellschaft; diese sucht er auszuschmücken, zu verzieren, und es gelingt ihm nicht immer, das Gehåssige derselben zu verbergen. Durch seine, für das Ritterwesen beseelte Liebe beherrscht, liegt in seinen Stoffen etwas romaneskes, das die Treue der Geschichte verlegt; oft entstellt er die Thatsachen, und wenn er fie erzählt, ist es gleichsam ohne sein Vorwissen. Mit Froissart entfernt man sich von der trockenen Chronik der vorhergehenden Jahrhunderte. Man trifft Leben in ihnen sowohl als im lezten Historiker des Mittelalters, Christine von Pisan, die uns die Geschichte Karls des V. beschrieben hat. Ihr Ruf war europäisch, ihre Sprache frei und zart; auch hat sie einige Dichtungen hinterlassen. Mit ihr endet diese Epoche, und so hat man das ganze literarische Feld mittelalterlicher Geschichte durchwandert.

Bevor man zur lyrischen Poesie der Troubadours und Trouvères übergeht, muß man Alles, was diesen Dichtern vorangegangen ist, aufsuchen, alle Vorbilder derselben, welche die neuere Dichtkunst mit den Tradizionen der alten Literatur verknüpfen, berücksichtigen. 1 Nicht in einem Tage sank das Heidenthum ; es hat tiefe Wurzeln geschlagen, die sich weit in der Geschichte des menschlichen Geistes ausgedehnt haben. Lange erhielten sich im südlichen Frankreich die Ueberbleibsel heidnischer Gebräuche, und eben so, auf denselben Ursachen beṛuhend, sind poetische Gewohnheiten, Volksarien, geblieben, deren Ursprung sich in das Dunkel der Zeiten verhüllt, und die ihr Gewand verfeinernd, sich auf die Dichtungen der Troubadours fortgepflanzt haben. Die chevalereske Pocsie, deren Erfinder sie sind, war vor ihnen nicht vorhanden; die Chansons d'amour finden sich

1 Man behauptet, den Troubadours wäre die Kenntniß des Alterthums gänzlich fremd gewesen: wol waren ihnen Mythologie und alteGeschichte bekannt. Villemain in seinem 1. Vol. Cours sur la Littérature du Moyen-Age hat einige flüchtige Bemerkungen darüber gemacht, andere aber haben dieses bestritten. Guingené, dessen Meinung als Autoritát galt, behauptet, man fånde keine Spur, keinen Begriff der alten Dichtkunst in ihren Werken. Nach ihm sollen alle Dichter neulateinischer Zunge keinen Begriff vom Alterthum gehabt haben! Erreur, mille fois erreur! Wir reden mit den Troubadours:

Barbezieux, Richard de: Ni reignie cum Dedalus. Bertrand Carbonnel: So dis un verset de Cato. Guilhem d'Anduze: Ypolites, que visquet castamen (deffen Jugend_so keusch war). — Guillem Prims: Qu’Õuidis dis qu'ieu feira desmezura. Peyrols, Car anc Narcissus, qu'amet l'ombra de se. Giraud de Calanson: Puys apenras, de Peleas, com el fetz Troya destruir.

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nicht in der ihnen vorangehenden lateinischen Literatur; aber alle andern lyrischen Versbauarten waren in der vorhergehenden Epoche vorhanden: religiöse Gedichte, in den Kirchenliedern; in barbarischem Latein geschriebene Kriegslieder, z. B. die, welche die Niederlage von Fontenay besingen, und worin es scheint, man höre noch ein Echo der Skalden, und das Vorspiel der kriegerischen Troubadours. Satyrische Gefänge find in lateinischer Sprache abgefaßt und zeigen sich besonders gegen das Ende des XII. Jahrhunderts. Hatte man es gleichfalls versucht, vor den Troubadours, lyrische Gesänge dieser Art in französischer Sprache zu machen? Dieses läßt sich nicht nachweisen, und im Fall es sein sollte, sind sie untergegangen. Aber jene fatyrischen Gesånge, die auf den Straßen gesungen wurden, mußten in französischer Sprache abgefaßt sein. Die Gefänge, die Abailard für seine Helorse schrieb und die das Volk wiederholte, mußten wol französisch sein. »Abailard und Heloïse, fagt Wachler, wußten sich zierlich darin auszudrücken.« Abailard kann also als der erste der Trouvères betrachtet werden. Man besigt einige aus lateinischer und französischer Sprache gemischte Gesänge: les Epitres farcies (Gesang der Studenten der Pariser Universitåt in lateinischer Sprache abgefaßt, wovon jeder Absaß sich auf einen französischen Vers endigte, und den sie bei Abailards Abreise sangen.)

Es verhält sich mit den Troubadours, wie mit der verschiedenartigen von ihnen verarbeiteten Poesie. Sie bringen etwas neues hervor, sie schaffen, wiederholen nicht das Alte, daher ihr Name: Trouvère, von trovar. Die damalige Freiheit erlaubte ihnen ihre Gedanken in tausend Gewänder einzuhüllen und nie sprühte der provenzalische Geist glänzendere Feuerfunken, als gerade in den Stücken, die wir, ihres lockern Inhaltes wegen, hier nicht anführen dürfen. Aber vor den Troubadours gab es Jongleurs, Menestrels (joculatores, ministelli), diese machten Possen, Laschenspielereien, sangen und sagten Verse her. Aus dieser Klasse von Leuten entsprangen die Troubadours; die Existenz der ersten ist eng mit der alten heiðnischen Literatur verknüpft. Als die Troubadours aufkeimten, wurden die Jongleurs, besonders im südlichen Frankreich, in den zweiten Rang versegt; denn im Norden, wo sie den Trouvères gleichstanden, war das dichterische Wesen nicht gleich organisirt. Im südlichen blieb der Jongleur der bouffon des Troubadours; ersterer soll aber, wie es Mary Lafond behauptet, Homers Gedichte gekannt haben. Die Jongleurs behielten ihren doppelten Karakter bei; sie machten Taschenspielereien und sangen. 1

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Die Troubadours und Trouvères, d. h. die Dichter der Oc- und Dilsprache, herrschten die ersten im Süden, die legten im Norden des heutigen Frankreichs.

Den besten Beweis aber liefert folgende Uebersehung Bernard Martins, der den
Horaz beinahe wörtlich wiedergiebt.

Ergo fungar vice cotis, acutum

Reddere quae ferrum valet, exsors ipsa secandi...
Ab so qu'ieu sembli be la cot,
Que non tailh e fa l'fer talhar,
Aquo de qu'ieu no sai un mot
Cugi ad autrui ensenhar.

Uber wer noch Zweifel hegen sollte, den weisen wir auf den Trésors Pierre' de
Corbian zurück. Was die ersten Trouvères betrifft, so geben wir zu, daß die-
selben wenig Kenntniß der Alten hatten, man muß fie aber nicht mit den Trous
badours über einen Kamm scheeren. Die Troubadours waren Gelehrte. Sie
erhielten drei Arten von Erziehung. Erstens im Kloster lernten fie lateinische
Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Musik und Geometrie, nachher, aus des Mönches
Hånden entnommen, bis daß fie das rothe Ritterhemb anlegten, erzog fie der Kastellan
und zulest ward ihnen die dichterische Erziehung gegeben.

2 Vor der Schlacht von Hastings sieht man Taillefer, der das Rolands - Lied fingt, und zu gleicher Zeit das Heer durch die Kunstgriffe und Poffenspiele, die er mit feiner Lanze macht, ergost. Siehe Ampère, Histoire de la Langue Française und A. Thierry, Histoire de la Conquête de l'Angleterre par les Normands.

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