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Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!
Wer kennet ihre Namen?

Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit
Schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit,
Sich staunend zu ergößen.

Der Sänger drückt' die Augen ein
Und schlug in vollen Tönen;
Die Ritter schauten mutig drein
Und in den Schoß die Schönen.
Der König, dem das Lied gefiel,
Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel,
Eine goldne Kette reichen.

Die goldne Kette gib mir nicht,
Die Kette gib den Rittern,
Vor deren kühnem Angesicht
Der Feinde Lanzen splittern.
Gib sie dem Kanzler, den du hast,
Und laß ihn noch die goldne Last
Zu andern Lasten tragen.

Ich singe, wie der Vogel singt,
Der in den Zweigen wohnet;
Das Lied, das aus der Kehle dringt,
Jst Lohn, der reichlich lohnet.
Doch, darf ich bitten, bitt ich eins:
Laß mir den besten Becher Weins
In purem Golde reichen.

Er setzt ihn an, er trant ihn aus:
Trank voll süßer Labe!

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wohl dem hochbeglückten Haus, Wo das ist kleine Gabe!

Ergeht's euch wohl, so denkt an mich,
Und danket Gott so warm, als ich
Für diesen Trunk euch danke.

25. Das Veilchen

Ein Veilchen auf der Wiese stand,
Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herzigs Veilchen.

Da kam eine junge Schäferin

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Mit leichtem Schritt und munterm Sinn
Daher, daher,

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Die Wiese her, und sang.

Ach! denkt das Veilchen, wär ich nur

Die schönste Blume der Natur,

Ach, nur ein kleines Weilchen,

Bis mich das Liebchen abgepflückt
Und an dem Busen matt gedrückt!
Ach nur, ach nur

Ein Viertelstündchen lang!

Ach! aber ach! das Mädchen kam
Und nicht in acht das Veilchen nahm;
Ertrat das arme Veilchen.

Es sank und starb und freut sich noch:
Und sterb ich denn, so sterb ich doch
Durch sie, durch sie,

zu ihren Füßen doch.

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26. Erlkönig

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? - 5 Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlenkönig mit Kron und Schweif?
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

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„Du liebes Kind, komm, geh mit mir! „Gar schöne Spiele spiel ich mit dir; „Manch bunte Blumen sind an dem Strand, „Meine Mutter hat manch gülden Gewand."—

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern fäuselt der Wind. -

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? „Meine Töchter sollen dich warten schön; „Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn „Und wiegen und tanzen und singen dich ein."

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort? -
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau.

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Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt."

Mein Vater, mein Vater, jezt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids gethan!

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Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.

27. Der Fischer

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran,

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Sah nach dem Angel ruhevoll,

Kühl bis ans Herz hinan.

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Und wie er sigt und wie er lauscht,

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Teilt sich die Flut empor:

Aus dem bewegten Wasser rauscht

Ein feuchtes Weib hervor.

Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
Was lockst du meine Brut

Mit Menschenwiß und Menschenlist

Hinauf in Todesglut?

Ach, wüßtest du, wie's Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund.

Du stiegst herunter, wie du bist,
Und würdest erst gesund.

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Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
Das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
Nicht her in ewgen Tau?

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Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll, 25 Nezt' ihm den nackten Fuß;

Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,

Wie bei der Liebsten Gruß.

Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn:

Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.

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28. Der Schakgräber

Arm am Beutel, krank am Herzen
Schleppt' ich meine langen Tage.
Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,
Ging ich, einen Schaß zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.

Und so zog ich Kreis' um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,

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