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Uns begleite des Dichters Geist, der seine Luise

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Rasch dem würdigen Freund, uns zu entzücken, verband. Auch die traurigen Bilder der Zeit, sie führ ich vorüber; Aber es siege der Mut in dem gefunden Geschlecht. Hab ich euch Thränen ins Auge gelockt, und Luft in die Seele Singend geflößt, so kommt, drücket mich herzlich ans

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Weise dann sei das Gespräch! Uns lehret Weisheit am Ende Das Jahrhundert; wen hat das Geschick nicht geprüft? Blicket heiterer nun auf jene Schmerzen zurücke,

Wenn euch ein fröhlicher Sinn Manches entbehrlich erklärt. Menschen lernten wir kennen und Nationen; so laßt uns, 45 Unser eigenes Herz kennend, uns dessen erfreun.

3. Alexis und Dora

Ach! unaufhaltsam strebet das Schiff mit jedem Momente
Durch die schäumende Flut weiter und weiter hinaus!
Langhin furcht sich die Gleise des Kiels, worin die Delphine
Springend folgen, als flöh ihnen die Beute davon.
Alles deutet auf glückliche Fahrt: der ruhige Bootsmann 5
Rudt am Segel gelind, das sich für Alle bemüht;
Vorwärts dringt der Schiffenden Geist, wie Flaggen und
Wimpel;

Einer nur steht rückwärts traurig gewendet am Mast, Sieht die Berge schon blau, die scheidenden, sieht in das Meer sie

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Niedersinken, es sinkt jegliche Freude vor ihm. Auch dir ist es verschwunden, das Schiff, das deinen Alexis, Dir, o Dora, den Freund, ach! dir den Bräutigam raubt.

Auch du blickest vergebens nach mir. Noch schlagen die

Herzen

Für einander, doch, ach! nun an einander nicht mehr.
Einziger Augenblick, in welchem ich lebte! du wiegest

Alle Tage, die sonst kalt mir verschwindenden, auf.
Ach! nur im Augenblick, im lezten, stieg mir ein Leben,
Unvermutet in dir, wie von den Göttern, herab.
Nur umsonst verklärst du mit deinem Lichte den Aether;

Dein allleuchtender Tag, Phöbus, mir ist er verhaßt.
In mich selber kehr ich zurück; da will ich im Stillen

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Wiederholen die Zeit, als sie mir täglich erschien. War es möglich, die Schönheit zu sehn und nicht zu empfinden?

Wirkte der himmlische Reiz nicht auf dein stumpfes Ge=

müt?

Klage dich, Armer, nicht an!— So legt der Dichter ein Rätsel,

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Künstlich mit Worten verschränkt, oft der Versammlung

ins Ohr.

Jeden freuet die seltne, der zierlichen Bilder Verknüpfung,
Aber noch fehlet das Wort, das die Bedeutung verwahrt.
Ist es endlich entdeckt, dann heitert sich jedes Gemüt auf,
Und erblickt im Gedicht doppelt erfreulichen Sinn.
Ach, warum so spät, o Amor, nahmst du die Binde,
Die du ums Aug mir geknüpft, nahmst sie zu spät mir

hinweg!

Lange schon harrte befrachtet das Schiff auf günstige Lüfte ; Endlich strebte der Wind glücklich vom Ufer ins Meer. Leere Zeiten der Jugend! und leere Träume der Zukunft! 3

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Ihr verschwindet, es bleibt einzig die Stunde mir nur. Ja, sie bleibt, es bleibt mir das Glück! ich halte dich, Dora! Und die Hoffnung zeigt, Dora, dein Bild mir allein,

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Defter sah ich zum Tempel dich gehn, geschmückt und gesittet,
Und das Mütterchen ging feierlich neben dir her.
Eilig warst du und frisch, zu Markte die Früchte zu tragen;
Und vom Brunnen, wie kühn! wiegte dein Haupt das
Gefäß.

Da erschien dein Hals, erschien dein Nacken vor Allen,

Und vor Allen erschien deiner Bewegungen Maß. Oftmals hab ich gesorgt, es möchte der Krug dir entstürzen; 45 Doch er hielt sich stet auf dem geringelten Tuch. Schöne Nachbarin, ja, so war ich gewohnt, dich zu sehen, Wie man die Sterne sieht, wie man den Mond sich beschaut, Sich an ihnen erfreut, und innen im ruhigen Busen

Nicht der entfernteste Wunsch, sie zu besizen, sich regt. 50 Jahre, so gingt ihr dahin! Nur zwanzig Schritte getrennet

Waren die Häuser, und nie hab ich die Schwelle berührt. Und nun trennt uns die gräßliche Flut! Du lügst nur den Himmel,

Welle! dein herrliches Blau ist mir die Farbe der Nacht. Alles rührte sich schon; da kam ein Knabe gelaufen

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An mein väterlich Haus, rief mich zum Strande hinab. Schon erhebt sich das Segel, es flattert im Winde," so

sprach er,

„Und gelichtet, mit Kraft, trennt sich der Anker vom Sand.

Komm, Aleris, o komm!" Da drückte der wackere Vater, Würdig die segnende Hand mir auf das lockige Haupt; 60 Sorglich reichte die Mutter ein nachbereitetes Bündel :

„Glücklich kehre zurück!“ riefen sie, „glücklich und reich!“ Und so sprang ich hinweg, das Bündelchen unter dem Arme, An der Mauer hinab, fand an der Thüre dich stehn Deines Gartens. Du lächeltest mir und sagtest: „Aleris! 65 Sind die Lärmenden dort deine Gesellen der Fahrt?

Fremde Küsten besuchest du nun, und köstliche Waren Handelst du ein, und Schmuck reichen Matronen der Stadt. Aber bringe mir auch ein leichtes Kettchen; ich will es

Dankbar zahlen: so oft hab ich die Zierde gewünscht!" 70 Stehen war ich geblieben und fragte, nach Weise des Kaufmanns,

Erst nach Form und Gewicht deiner Bestellung genau. Gar bescheiden erwogst du den Preis; da blickt ich indessen Nach dem Halse, des Schmucks unserer Königin wert. Heftiger tönte vom Schiff das Geschrei; da sagtest du

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„Nimm aus dem Garten noch einige Früchte mit dir! Nimm die reifsten Orangen, die weißen Feigen; das Meer bringt

Keine Früchte, sie bringt jegliches Land nicht hervor.“ Und so trat ich herein. Du brachst nun die Früchte geschäftig, Und die goldene Last zog das geschürzte Gewand. Defters bat ich, es sei nun genug, und immer noch eine

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Schönere Frucht fiel dir, leise berührt, in die Hand. Endlich kamst du zur Laube hinan; da fand sich ein Körbchen, Und die Myrte bog blühend sich über uns hin. Schweigend begannest du nun, geschickt die Früchte zu ordnen : Erst die Orange, die schwer ruht, als ein goldener Ball, 86 Dann die weichliche Feige, die jeder Druck schon entstellet ; Und mit Myrte bedeckt ward und geziert das Geschenk. Aber ich hob es nicht auf; ich stand. Wir sahen einander In die Augen, und mir ward vor dem Auge so trüb. Deinen Busen fühlt' ich an meinem! Den herrlichen Nacken, Ihn umschlang nun mein Arm; tausend Mal küßt' ich den

Hals.

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Mir sank über die Schulter dein Haupt; nun knüpften auch deine Lieblichen Arme das Band um den Beglückten herum.

Amors Hände fühlt' ich: er drückt uns gewaltig zusammen, 95 Und aus heiterer Luft donnert' es drei Mal: da floß Häufig die Thräne vom Aug mir herab, du weintest, ich weinte,

Und vor Jammer und Glück schien uns die Welt zu vergehn. Immer heftiger rief es am Strand; da wollten die Füße Mich nicht tragen, ich rief: „Dora! und bist du nicht

mein ?"

„Ewig!" sagtest du leise. Da schienen unsere Thränen, Wie durch göttliche Luft, leise vom Auge gehaucht.

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Näher rief es: „Alexis!" Da blickte der suchende Knabe Durch die Thüre herein. Wie er das Körbchen empfing! Wie er mich trieb! Wie ich dir die Hand noch drückte! — Zu Schiffe

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Wie ich gekommen? Ich weiß, daß ich ein Trunkener schien. Und so hielten mich auch die Gesellen, schonten den Kranken;

Und schon deckte der Hauch trüber Entfernung die Stadt. „Ewig!" Dora, lispeltest du; mir schallt es im Ohre

Mit dem Donner des Zeus! Stand sie doch neben dem

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Seine Tochter, die Göttin der Liebe; die Grazien standen
Ihr zur Seiten! Er ist götterbekräftigt, der Bund!
O so eile denn, Schiff, mit allen günstigen Winden!
Strebe, mächtiger Kiel, trenne die schäumende Flut!
Bringe dem fremden Hafen mich zu, damit mir der Gold-
schmied

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In der Werkstatt gleich ordne das himmlische Pfand. Wahrlich! zur Kette soll das Kettchen werden, o Dora! Neun Mal umgebe sie dir, locker gewunden, den Hals. Ferner schaff ich noch Schmuck, den mannigfaltigsten; goldne Spangen sollen dir auch reichlich verzieren die Hand; Da wetteifre Rubin und Smaragd, der liebliche Saphir Stelle dem Hyacinth sich gegenüber, und Gold

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