15. Künstlerlied
Zu erfinden, zu beschließen, Bleibe, Künstler, oft allein! Deines Wirkens zu genießen, Eile freudig zum Verein! Dort im Ganzen schau, erfahre Deinen eignen Lebenslauf, Und die Thaten mancher Jahre Gehn dir in dem Nachbar auf.
Der Gedanke, das Entwerfen, Die Gestalten, ihr Bezug, Eines wird das Andre schärfen, Und am Ende sei's genug! Wohl erfunden, klug ersonnen, Schön gebildet, zart vollbracht, So von jeher hat gewonnen Künstler kunstreich seine Macht.
Wie Natur im Bielgebilde Einen Gott nur offenbart, So im weiten Kunstgefilde Webt ein Sinn der ewgen Art; Dieses ist der Sinn der Wahrheit, Der sich nur mit Schönem schmückt Und getrost der höchsten Klarheit Hellsten Tags entgegenblickt.
Wie beherzt in Reim und Profe Redner, Dichter sich ergehn, Soll des Lebens heitre Rose Frisch auf Malertafel stehn,
Mit Geschwistern reich umgeben, Mit des Herbstes Frucht umlegt, Daß sie von geheimem Leben Offenbaren Sinn erregt.
Tausendfach und schön entfließe Form aus Formen deiner Hand, Und im Menschenbild genieße, Daß ein Gott sich hergewandt. Welch ein Werkzeug ihr gebrauchet, Stellet euch als Brüder dar; Und gesangweis flammt und rauchet Opfersäule vom Altar.
Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen, Und haben sich, eh man es denkt, gefunden; Der Widerwille ist auch mir verschwunden, Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.
Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen! Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden, Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.
So ist's mit aller Bildung auch beschaffen; Vergebens werden ungebundne Geister Nach der Vollendung reiner Höhe streben.
Wer Großes will, muß sich zusammen raffen: In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, Und das Gesez nur kann uns Freiheit geben.
Wie? Wann? Wo? Die Götter bleiben stumm! Du halte dich ans Weil und frage nicht Warum.
Willst du ins Unendliche schreiten,
Geh nur im Endlichen nach allen Seiten.
Willst du dich am Ganzen erquicken,
So mußt du das Ganze im Kleinsten erblicken.
Ich wandle auf weiter bunter Flur
Ursprünglicher Natur,
Ein holder Born, in dem ich bade, Ist Ueberlieferung, ist Gnade.
Die endliche Ruhe wird nur verspürt, Sobald der Pol den Pol berührt.
Drum danket Gott, ihr Söhne der Zeit, Daß er die Pole für ewig entzweit.
Magnets Geheimnis, erkläre mir das! Kein größer Geheimnis, als Lieb und Haß.
Wirst du deines Gleichen kennen lernen, So wirst du dich gleich wieder entfernen.
Warum tanzen Bübchen mit Mädchen so gern? Ungleich dem Gleichen bleibet nicht fern.
Dagegen die Bauern in der Schenke Prügeln sich gleich mit den Beinen der Bänke.
Soll dein Compaß dich richtig leiten, Hüte dich vor Magnetstein', die dich begleiten.
Willst du dir ein hübsch Leben zimmern, Mußt ums Vergangne dich nicht bekümmern, Und wäre dir auch was verloren, Mußt immer thun wie neu geboren, Was jeder Tag will, sollst du fragen, Was jeder Tag will, wird er sagen ; Mußt dich an eignem Thun ergößen, Was andre thun, das wirst du schäßen; Besonders keinen Menschen hassen, Und das Uebrige Gott überlassen.
Wie einer ist, so ist sein Gott; Darum ward Gott so oft zum Spott.
Ich habe nichts gegen die Frömmigkeit, Sie ist zugleich Bequemlichkeit; Wer ohne Frömmigkeit will leben, Muß großer Mühe sich ergeben: Auf seine eigne Hand zu wandern, Sich selbst genügen und den andern, Und freilich auch dabei vertraun: Gott werde wol auf ihn niederschaun.
Wer in der Weltgeschichte lebt,
Dem Augenblick sollt er sich richten?
Wer in die Zeiten schaut und strebt,
Nur der ist wert zu sprechen und zu dichten.
Wenn im Unendlichen dasselbe Sich wiederholend ewig fließt, Das tausendfältige Gewölbe Sich kräftig in einander schließt; Strömt Lebenslust aus allen Dingen Dem kleinsten wie dem größten Stern, Und alles Drängen, alles Ringen Ist ewige Ruh in Gott dem Herrn.
Nachts, wenn gute Geister schweifen, Schlaf dir von der Stirne streifen, Mondenlicht und Sternenflimmern Dich mit ewigem All umschimmern, Scheinst du dir entkörpert schon, Wagest dich an Gottes Thron.
Halte dich im Stillen rein
Und laß es um dich wettern;
Je mehr du fühlst ein Mensch zu sein,
Desto ähnlicher bist du den Göttern.
Wo recht viel Widersprüche schwirren, Mag ich am liebsten wandern,
Niemand gönnt dem andern Wie lustig! - das Recht zu irren.
Wenn ich kennte den Weg des Herrn, Ich ging' ihn wahrhaftig gar zu gern; Führte man mich in der Wahrheit Haus, Bei Gott! ich ging nicht wieder heraus.
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