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matik, in den Lehren der übrigen freien Künste und inden geistlichen Wissenschaften unterrichtet 4).

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Alcuin ward um das Jahr 735 zu York geboren. Wes nigstens sagt er in einem Briefe an die dortige Brüders. schaft), daß sie seiner unmündigen Kindheit gebrechliche, Jahre mit Mutterliebe gepflegt, die leichtfertige Zeit seiz nes Knabenalters mit frommer Geduld getragen, und durch väterliche Zucht ihn zu des Mannes vollkommenem Alter herangebildet habe. Er war von edlem Geschlechs te), aber weder von seiner Eltern Namen, noch von seinen übrigen Familienverhältnissen ist etwas durch ihn selbst oder andre auf uns gekommen. Schon in frühester Jugend zum geistlichen Stande bestimmt wuchs er im Klos fter heran, und kam nach vorhergegangener gehöriger Ausbildung in die Schule Egberts. Der Erzbischof selbst und Aelbert, einer seiner Verwandten, der ihm nachher

4) Anonym. vita Alcuini ap. Froben. p. LXI: Erat fiquidem ei (Hechberto) ex Nobilium filiis grex Scholasticorum, quorum quidam artis grammaticae rudimentis, alii disciplinis erudiebantur artium jam liberalium, nonnulli divinarum fcriptu

rarum.

5) Epist. 5. Ich citire immer nach der von Frobenius, Fürstabt zu St. Emmeran in Regensburg, besorgten Ausgabe: Opera beati Flacci Albini. 4 voll. Fol.

6) Der ungenannte Lebensbeschreiber, der nicht lange nach Alcuins Tode schrieb (829), und das Meiste von Alcuins Schüler und Freunde Sigulf erfahrer hatte, nennt ihn p. LX. nobili gentis Anglorum exortus prosapia. Durch ihn selbst wissen wir seine Verwandtschaft mit dem h. Willibrord. Der Vater desselben, Wilgis, hatte nämlich am Ufer des Meeres ein Kloster erbaut, in qua et post multiplices fancti laboris agones a Deo coronatus corpore requiescit, et posteri ejus usque hodie ex-fanctitatis ejus traditione possident. Quorum ego meritis et ordine extremus eandem cellulam per fuccessiones legitimas fuscepi gubernandam. Vit. S. Willibrordi, in opp. tom. II, p. 184.

auf dem erzbischöflichen Stuhle nachfolgte, standen der Schule vor. Sie hatten die Gegenstände des Unterrichts so unter sich getheilt, daß Egbert die Erklärung des, neuen Testaments, Aelbert die übrigen Wissenschaften übernahm. Daher schreibt auch diesem Alcuin das größte Verdienst um die Jugend von York und also auch um sich selbst zu. Erzählt die Wissenschaften auf, in denen Aelbert Unters richt ertheilte: die Grammatik, Rhetorik, Jurisprudenz, Poetik, Astronomie, Naturlehre und Erklärung des alten Testaments 7). Er rühmt von ihm, daß er Jünglinge von ausgezeichneten Anlagen an sich zu ziehen gesucht, und sie dürch Unterweisung und Liebe an sich gefesselt habe 8). Dies erfuhr Alcuin selbst. Nichts beweist mehr, in wel chem Grade er die Aufmerksamkeit seiner Lehrer erregt, als daß ihn Aelbert auf einer Reise ins Ausland, um was er dort Neues an Studien und Büchern fånde, in sein Bas terland zu verpflanzen, als Begleiter mitnahm 9). Alcuin

7) Alcuin. Poema de Pontificibus et Sanctis Ecclesiae Eboracen ́sis, vs. 1431. fqq. ́

8) Alcuin. I. c. vs. 1448:

Indolis egregiae juvenes quoscunque videbat,

Hos fibi conjunxit, docuit, nutrivit, amavit.,

9) Diese Thatsache scheint mir durch folgende zwei Stellen so sicher, daß ich sie als ausgemacht hingestellt habe. Die erste Stelle ist in einem Briefe an die Brüderschaft in Morbach, Ep. 222, p. 286: Olim magistri mei veftigia fecutus vestrae congregationis laudabilem conversationem videbam et amabam, meque ipsum inter vos esse desiderabam, quasi unus ex`vobis. Die zweite Stelle steht in einem Briefe an Karl den Großen, Ep. 85, p. 126: Dum ego adolescens Romam perrexi, et aliquantos dies in Papia, regali civitate demorarer, quidam Judaeus, Julius nomine, cum Petro Magistro habuit disputationem. Von Aelbert heißt es in dem oben angeführten Gedichte vs. 1457: Hic quoque Romuleam venit devotus ad urbem.

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mochte damals über sein zwanzigstes Lebensjahr hinaus seyn, und war also alt und gebildet genug, um von einer solchen Reise alle Vortheile zu ziehen, die sich dem Wigbes gierigen darboten. Sie reisten durch Frankreich nach Italien und ihrem lehten Ziele nach Rom. Welchen Eindruck die Wanderung durch das Reich der Franken auf den Jüngling gemacht habe, hat er eben so wenig ers wähnt, als was er bei dem Anblicke der Stadt Rom empfunden, doch läßt sich denken, daß ihm die Unwissenheit und Rohheit der Franken Rom in einem desto helleren Lichte erscheinen lassen mußte. Denn wenn überhaupt irgend ein Plaß der westlichen Welt ein junges und wißbegieriges Gemüth ansprechen konnte, so war es Rom, die ehmalige Hauptstadt der gebildeten Erde, und welches noch in Trümmern an die Größe hingeschwundener Jahrhunderte und an die Blüthe der Wissenschaften und Künste ers innerte. Auch damals noch war Rom mehr als ein andes rer Ort im Westen Europa's die Heimath der Wissenschaften, und legte schon jezt den Grund zu einer neuen Welt: herrschaft, welche fester, als die von den Germanen zers störte, nicht auf Waffen, sondern auf geistige Ueberlegenheit gegründet werden, und durch Vorurtheil und Aber: glauben die Völker in unzerbrechliche Fesseln schlagen sollte. Den schon früher empfangenen Eindruck von der Bedeus tung des römischen Pabstes mochte Alcuin bei seiner Anwe senheit in Rom noch mehr beståcken, und so vorbereitet werden, ebenfalls einen Stein zu dem kühnen Gebäude der Hierarchie beizutragen.

Nach seiner Rückkehr blieb Alcuin in York als Gehilfe seines Lehrers Aelbert, bis dieser nach dem am 18. November 766 erfolgten Tode Egberts den erzbischöflichen Stuhl bestieg. Durch sein Amt gehindert, dieselbe Sorge, wie bisher, auf die Schule zu verwenden, trat er an Al

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cuin, nachdem er ihn zum Diaconus geweiht, die bisher von ihm selbst bekleidete Stelle und die Aufsicht über die mit der Schule verbundene Bibliothek ab. Wenn man diese Büchersammlung mit der Bewunderung und den übers triebenen Lobsprüchen der Zeitgenossen vergleicht, und be denkt, daß im ganzen Frankenreiche nicht eine einzige solche

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ich will nicht sagen. -war, sondern nur zusammenge= bracht werden konnte, so wird man von dem Zustande der damaligen literarischen Bildung, und von dem, was Karl und Alcuin dafür gethan haben, eine Vorstellung erhalten. ,,Hier," sagt Alcuin in dem Gedichte, in welchem er die Kirche von York und ihre Vorsteher und Heiligen besingt, ,, hier wird man die Denkmale der alten Båter finden, was der Römer in der Welt Latiums als eigen geschaffen, und was das herrliche Griechenland den Lateinern übersandt; auch was das hebräische Volk von oben eingefogen, und Africa mit hellem Lichte verbreitet hat." Wenn er auch in dem nun folgenden Verzeichnisse nicht alle Bücher genannt hat, so sind es doch gewiß die vorzüglichsten. Aristoteles, Cicero, Pompejus (der Auszug Justins), Plinius, Virgilius, Statius, Lucanus und Boethius sind die einzigen Alten, die er anführt; außer diesen noch einige alte Grammatiker, einige christliche Dichter und die Kirchenvåter lateinischer Zunge. Wie im Alterthum mußte auch jezt

noch der mündliche Unterricht das Meiste wirken; erst die Buchdruckerkunft hat die ausgedehnte und große Herrschaft der Bücher begründet. Der Ruf eines tüchtigen Lehrers vermochte daher eine Schule bedeutend zu heben, und der immer mehr aufblühenden Anstalt zu York verschaffte Alcuin diesen Vortheil; selbst Ausländer suchten sich hier zu ihrer theologischen Laufbahn vorzubereiten. Liudger, ein edler Friese, der hernach unter die Heiligen verfegt wor

den ist, besuchte York *°), und vielleicht noch mancher Ans dre, dessen Namen aber keine ausgezeichnete That auf die Nachwelt gebracht hat. Mit den Ausgezeichnetsten unter feinen Schülern, die spåter zum Theil zu hohen Aemtern befördert wurden, blieb Alcuin stets in schriftlicher Vers bindung.

Nach Aelberts Tode am 8. November 780 wurde Eans bald, ein Zögling der Schule zu York, sein Nachfolger. Um diesem das erzbischöfliche Pallium in 'Rom zu holen, reiste Alcuin im folgenden Jahre nach Italien. Zu ders selben Zeit kehrte Karl, König der Franken, mit seiner Familie von Rom, wo er den Winter über gewesen war, in sein Reich zurück', voll großer Entschlüffe für die Vers edlung seines Volkes, aber wegen der dazu nöthigen Mittel in Verlegenheit. Ein großer Geist, wie Karls, konna te die Trümmer des Alterthums nicht sehen, ohne Bez dauern, daß eine so hochgebildete Zeit verschwunden, und ohne den Wunsch, sie zurückzurufen. Ein glückliches Ungefähr führte ihm in Parma den Alcuin entgegen, der ihm, wenn auch nicht persönlich *), doch durch den Ruf

10) Alfridi vita S. Ludgeri, ap. Mabill. Sec. IV. Ben. I, p. 21. Ein andres Leben desselben Heiligen ibid. p. 37. Liudger suchte das Christenthum unter den Sachsen zu verbreiten, nicht immer ohne Erfolg; das Unglück war, daß die Sachsen das Christenthum und das fränkische Joch für unzertrennlich hielten. Er wurde nach Unterwerfung der Sachsen der erste Bischof von Münster, und farb am 26. März 809.

11) Der Anonym. c. 6. p. LXIV. sagt, Alcuin wäre schon vor dies ser Zusammenkunft in Parma bei Karl dem Großen gewesen: Noverat enim eum, quia olim a magistro fuo ad ipsum directns fuerat. Diese Stelle läßt sich nicht auf die Zeit, wo Alcuin mit seinem Lehrer Aelbert nach Nom reiste, beziehen, weil diese zwis schen die Jahre 755 — 760 fallen muß, oder wenigstens nicht über das Jahr 766 hinausgeseht werden darf. Karl kam aber erst im

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