Page images
PDF
EPUB

Theologie fuhr fort, im byzantinischen Reiche die Flamme der geistigen Aufregung zu nåhren, und sie oft zu einem furchtbaren Brande zu entzünden. Der Westen Europa's war dagegen in dieser Beziehung ruhiger; die dortigen Kdz nige hatten zu wenig Sinn für theologische Untersuchungen, ihre Geistlichen, wenigstens dem größeren Theile nach, eine zu geringe Bildung und ihre Völker zu verschiedene Intereffen, um ähnliche Stürme, wie die, welche den Orient erschütterten, aufkommen zu lassen. Der römische Pabst ward seit der Erlöschung des Arianismus der Bors kåmpfer der westlichen Orthodoxie, der Repräsentant des Occidents auf den orientalischen Concilien und die Quelle des wahren und alleinseligmachenden Glaubens. Die Bes quemlichkeit und Unwissenheit fand es behaglich, bei diesem System zu bleiben, und jeder Controverse ohne weitere Untersuchung das Verdammungsurtheil entgegenzuschleudern. Vor Karl dem Großen war besonders die frånkische Geistlichkeit besser geeignet, die weltlichen Waffen gegen die Feinde des Reiches, als die geistlichen gegen die Feinde der Kirche zu schwingen. Seit Karls Thronbesteigung hats te sich aber dies so geåndert, daß eine religiöse Streitig keit jegt empfänglichere Gemüther und fähigere Köpfe sowohl zum Angriffe als zur Vertheidigung fand. Als daher über die Lehre, aus welcher die arianischen und nestorianischen und so viele andere Unruhen hervorgegangen waren, auch im frånkischen Reiche eine von dem herrschenden Dogma abweichende Ansicht auffam, war das Beispiel vergans gener Zeiten und die gegenwärtige Lage des byzantinischen Reiches, das gerade damals wieder in hellen Flammen. stand, eine Warnung vor den Folgen einer religiösen Spaltung. Karls Theilnahme an den Streitigkeiten über eine dunkle und abstruse Lehre war daher weniger ein Bes weis seiner großen Frömmigkeit, als vielmehr seiner poli

tischen Einsicht und seiner Sorge für das Wohl seiner Völfer; denn die Regentenpflicht forderte ihn auf, einen Streit in der Geburt zu ersticken, der bei angeregten Leidenschaf ten und erhigten Interessen leicht über die Gränzen einer theologischen Controverse hinausgehen und der Anfang von langen und großen Erschütterungen des Staats und der Kirche werden konnte. Die Art seiner Einmischung ist merkwürdig und sein ganzes Benehmen in dieser Angelegens heit liefert den ehrenvollen Beweis, daß er für die Regungen des Geistes und die Freiheit der Prüfung Achtung genug hatte, um eine Untersuchung der Wahrheit unter seiner Auctoritat zuzulassen; statt daher die abweichende Ansicht mit Feuer und Schwert zu verfolgen, gab er ihr vielmehr Gelegenheit, sich auf gesetzlichem Wege entweder geltend zu machen oder einer siegreichen Widerlegung zu weichen. Seine Mäßigung ist um so bewunderungswürdiger, da die neue Lehre zuerst in einem mohammedanischen Reiche auffam.

In dem den Saracenen unterworfenen Spanien war zwar das Christenthum, wie in allen mohammedanischen Staaten, geduldet, allein bei dem losen Zusammenhange mit der übrigen christlichen Welt zu Abweichungen von der Rechtgläubigkeit geneigter, je weniger sich die weltliche Regierung um die Art des Glaubens bekümmerte und je mehr der Spott der Ungläubigen über manche christliche Dogmen zur Untersuchung aufforderte. In diesen Fall kam der Erzbischof Elipandus von Toledo. Er mochte über die Lehre von der Gottheit und Menschenwerdung Chrifti fo viele Zweifel gehört haben, daß sein Glaube zu wanken ans fing. Christus als Mensch schien ihm zu Gott nicht in dems selben Verhältnisse stehen zu können, wie Christus als Gott, und was er der göttlichen Natur des Erlösers beilegen dürfte, glaubte er der menschlichen Natur versagen ju můß

[ocr errors]

sen. Da er aber in seine eigne Einsicht zu wenig Vertrauen segte, um die Sache zur Klarheit zu bringen, so suchte ér bei Andern Auskunft, und wandte sich deshalb an einen der geachtetsten Geistlichen in dem Theile von Spanien, der seit dem Jahre 778 dem frånkischen Reiche einverleibt wors den war, an Felix, Bischof von Urgel. Felix war ein durch feine Gelehrsamkeit und seine geistlichen Tugenden so ausgezeichneter Mann, daß Alcuin sich schon früher mit ihm in schriftliche Verbindung gesezt hatte 2). Auf des Elipans dus Anfrage ertheilte Felix eine Antwort, die deffen Zweis fel begründete; „er gab ihm,“ sagt eine gleichzeitige Chronik 3),,, sehr unvorsichtig und unbesonnen und gegen die alte Lehre der katholischen Kirche nicht allein den Bescheid, daß Christus Gottes adoptirter Sohn wåre, sondern er suchte auch in einigen an den erwähnten Bischof geschries benen Büchern die Schlechtigkeit seiner Meinung aufs harts näckigste zu vertheidigen." Diese war für Elipandus so überzeugend, daß er sie annahm. Der Glaubensjah der neuen Lehre stellte Christus als Sohn und Gott in einem doppelten Verhältnisse dar: seiner göttlichen Natur nach wåre er ein wirklicher, als Mensch aber nur ein adoptirs ter Sohn Gottes, und seine Gottheit selbst wåre in der ersten Eigenschaft eine wahre, in der zweiten dagegen eine bloße Namens- oder Titulargottheit 4).

2) Der vierte Brief Alcuins ad Felicem Episcopum ist offenbar an den Bischof von Urgel geschrieben. Alcuin hatte so viel Gutes von ihm gehört, ` daß er sich mit ihm in Verbindung zu sehen wünschte. Später, als er ihn von seiner Kcherei zu be kehren suchte, erinnerte er ihn daran, Opp. tom. I, vol. II, p. 783: Olim me ipsum celeberrimam tuae Sanctitatis audiens famam per quendam ex illis partibus Presbyterum tuis facratissimis intercessionibus commendare curavi. 3) Einhard, Ann, ad a. 792.

4) Der Patriach Paulinus sage contra Felic. lib. I. gleich im An.

Mit dem Eifer eines Neubekehrten suchte nun Elipan: dus seine Ueberzeugungen zu verbreiten, und mit der Heftigkeit eines Verkeherers die Andersgläubigen zu verfol gen 5). Daß er bei seiner hohen Stellung Anhänger genug fand, um in seiner Ansicht immer mehr bestärkt zu werden, ist natürlich, allein es fehlte ihm auch nicht än Gegnern. Unter diesen waren Etherius, Bischof von Uga ma oder Osma, und der Presbyter Beatus die ausgezeich netsten, und beide wurden von dem Erzbischofe von Toledo mit solchen, Beschuldigungen überhäuft, daß sie es ihrer Ehre und dem Wohle der Kirche schuldig zu seyn glaubten, die Irrthümer des Adoptianismus aufzudecken). Was die Lehre selbst betrifft, so appellirten sie in ihrer Schrift an den Glauben 7), und die Beweise, welche sie aus den Zeug

fange: Nec fibi fufficiebat tantummodo Christum, qui de virgine natus est, negare proprium esse filium Dei, fed etiam hunc eundem non consentit verum esse Deum, fed novo et inaudito fanctae Dei ecclesiae nomine nuncupativtim Deum nominare illum non timet, dividens Christum in duos t filios, unum vocans proprium, alterum adoptivum, et in duos Deos, unum verum Deum, alterum nuncupativum Deum, 5) So schreibt Elipandus an den Abt Fidelis: Qui non fuerit confessus Jesum Christum adoptivum humanitate, et nequa quam adoptivum divinitate, et haereticus est et exterminetur. Auferte malum de terra vestra.

6) Etherii, Episcopi Uxamensis, et Beati Presbyteri adversus Elipandum, Archiepiscopum Toletanum, libri duo de ado. ptione Christi, filii Dei. Diese Schrift steht in Canisii lectt. antiq. Tom. II, p. 279 — 375. Sie ist im J. 823 der hispanischen Aera oder im I. 785 der christlichen Zeitrechnung ges schrieben...

7) Ether. et Beat. I. c. lib. I, p. 297: licet humana mens non possit plene rationis investigatione, comprehendere, fidei tamen plenitudo complectitur. Nam etsi non licet nobis fcire, quomodo natus est Dei filius, fcire tamen nobis licet et credere, quod vere natus fit..

[ocr errors]

nissen der Apostel, aus den Wundern Jesu, aus den Worten des Erlösers selbst und sogar aus den Zugeståndnissen des Teufels beibringen, sollen mehr den Glauben rechtfertigen und den Frrthum ihrer Gegner darlegen, als die Sache selbst klar und deutlich machen. Ihrer Ansicht nach geht der Glaube ohnehin dem Wissen voran, und muß bes sonders in religiösen Dingen das überwiegende Prinzip bilden, weil jede Untersuchung uns der Gefahr aussett, in die Schlingen des Verderbens zu fallen o). Sie stellen das her das orthodoxe Glaubenssymbol dem GlaubensbekenntE niß der Adoptianer gegenüber, und zeigen die Abweichungen desselben als unbegründet in den Büchern des alten und neuen Testaments. Um durch die stattliche Reihe gläubiger und siegreicher Helden auf ihrer Seite die Kezer abzuschrecken, zählen sie dieselben auf: „mit uns ist David, der streitbare Held, welcher den Gottesläugner Goliath mit einem kleinen Steine an die Stirne traf und mit einem Schlage zu Boden streckte; mit uns ist Moses, der den Pharao sammt dem ganzen ågyptischen Heere im rothen Meere begrub, während er sein eigenes Volk trockenen Fußes hindurchziehen ließ; mit uns ist Josua, der fünf Könige in einer Höhle einschloß, nachdem er vorher Amalek ges schlagen; mit uns ist der Vater Abraham sammt seinen dreihundert Knechten, welcher fünf Könige überwand, und ihnen die Beute abnahm; mit uns ist der Männer Tapferfter Gideon und seine dreihundert Auserwählten, mit denen er Midian schlug wie einen einzigen Mann; mit uns ist Simson, der stärker als ein Löwe und fester als ein Fels

[ocr errors]

8) Ibid. p. 303: Ergo in divinis rebus Fides tantummodo adsit, et nulla quaestio remanebit. Quod fi discutere volueris et rationem de Deo et homine facere praesumpseris, con. tinuo in laqueos perditionis immergeris.

« PreviousContinue »