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eigenthümlich, und ähnliche Beispiele sind gewiß vorgekoms men und nicht ohne Wirkung geblieben.

5. Alcuins Rückkehr nach England.

Alcuins Verhältniß zu Karl dem Großen während seiz nes ersten Aufenthaltes bei demselben läßt sich mit dem Bers hältnisse Voltaire's oder anderer französischen Gelehrten zu Friedrich dem Einzigen vergleichen, die am Hofe des Kdz nigs von Preußen lebten, ohne durch die Annahme einer, Anstellung deffen Unterthanen zu werden, und ohne in eine engere Verbindung zu treten, als die des gegenseitigen Wohlgefallens und des Austausches von Vortheilen, die sie wechselseitig gewährten und empfingen. Eben so war Alcuin bloß Lehrer und Rathgeber Karls, und die beiden ihm angewiesenen Klöster 61) waren weniger ein Amt, als eine Ausstattung mit Einkünften zur anständigen Bestreis tung der Bedürfnisse des Lebens. Seinen Aufenthalt und seine Wirksamkeit bei den Franken betrachtete er als vor übergehend, und nach Erfüllung der Wünsche des Königs Karl als beendigt. Er vermied es daher, eine feste Anstel lung zu suchen, oder eine angebotene anzunehmen, solange er so wenig einen Grund hatte, seine Verbindung mit dem northumbrischen Reiche als Unterthan und mit der Kirche von York als Diaconus abzubrechen, daß er vielmehr nichts. eifriger wünschte, als aus den Beschwerlichkeiten und literårischen Entbehrungen, die mit seiner Thätigkeit am frånkischen Hofe verknüpft waren °2), zu seinen Büchern und

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61) Die ihm angewiesenen beiden Abteien waren Ferrieres und das Kloster des h. Lupus zu Troyes. Anonym. cap. 6: Dedit illi duo monasteria, Bethleem fcilicet, quod altero nomine Ferrarias vocatur et S. Lupi apud Trecas.

62) In der Vorrede zu seinent Commentar über die Genesis (Opp. T. I, p. 305) beklagt sich Alcuin, daß ihm die weltlichen Ge

seinen gelehrten Beschäftigungen in York zurückkehren zu können.,,Nie bin ich dem Volke der Angeln ungetreu ge= wesen, "konnte er auf den Verdacht antworten, daß er zum Franken geworden sey und sein Vaterland vergessen habe 63). Er bewies es auch durch den Gebrauch, den er von seinem Ansehen bei dem frånkischen Könige machte, um manchen englischen Kirchen Vortheile zu verschaffen, und das gute Vernehmen zwischen Karl dem Großen und den Fürsten der angelsächsischen Octarchie, unter denen das mals Offa, König von Mercia, den Vorrang hatte, zu erz halten. Die Anträge, welche ihm von angelsächsischen Fürz ften gemacht wurden, seinen Aufenthalt an ihrem Hofe zu nehmen, lehnte er zwar ab, er schickte ihnen aber Schüler, die seine Person vertreten konnten. Dem Königreiche Northumbria und der Kirche zu York dagegen war er Pflichten schuldig, deren er sich erinnerte, als er die von Karl dem Großen errichteten Bildungsanstalten im Gange und den König von Månnern umgeben sah, welche das bez gonnene Werk aufrecht erhalten und weiter führen konnten, Er bat also Karl um die Erlaubniß zur Rückkehr in sein Vaterland. Karl der Große wußte einen Mann, wie Alcuin, zu gut zu würdigen, um ihn gern zu verlieren, und das seltene Glück, einen wahren und aufrichtigen Freund um sich zu haben, zu sehr zu schäßen, um nicht einen verz långerten und, wo möglich, dauernden Aufenthalt Alcuins zu wünschen und alles aufzubieten, was denselben zum bleiben bewegen konnte. Da aber Alcuin sein Gewissen zum Zeugen nehmen durfte, daß ihn nicht die Aussicht auf

schäfte fast keine Zeit zu wissenschaftlichen Arbeiten übrig lie. sen, und daß ihn beschwerliche Reisen öfter, als ihm lieb sey, von seinen Büchern entfernten.

63) Ep. 7, p. 11.

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irdischen Gewinn, sondern bloß die Hoffnung, der Kirche und Wissenschaft nüßlich zu werden, nach Frankreich gezo gen habe o4), so machte die Anerbietung hoher Ehrenstellen und großer Reichthümer weniger Eindruck auf ihn, als die herablaffende Bitte eines großen und mächtigen Fürken. Er erwiederte daher: mein Herr König, ich will deinem Wunsche nicht entgegen seyn, wenn es geschehen kann, ohne das Ansehen der Kirchensaßungen zu verlegen. Obgleich ich kein geringes Erbtheil in meiner Heimath befige, will ich doch gern, um dir dienen zu können, jenes verachten, und arm dir zur Seite stehen; nur sey es deine Sache, mir die Erlaubniß dazu von meinem Könige und Bischofe zu erwirken." Dies fand. Karl eben so billig, als Alcuins Wunsch nach so langer Abwesenheit sein Vaterland wiederzusehen. Er entließ daher seinen Lehrer mit Briefen an den König von Northumbrien und an den Erzbischof von York, und um ihn auch während dieser Reise in seinen Diensten zu behalten, bekleidete er ihn mit dem Charakter eines öffentlichen Gesandten und gab ihm den Auftrag, das gute Vernehmen zwischen dem frånkischen Reiche und dem Könige von Mercia, Offa, wiederherzustellen °*). Offa war unter den angelsächsischen Königen durch Geistesüberlegenheit und durch Thatkraft, die sich ohne Rücksicht auf Recht oder Unrecht geltend machte, der mächtigste, und Karl hatte sich schon nach seinem ersten Zuge über die Alpen mit ihm in freundschaftliche Verbindung gesezt. Diese wurde aber seit dem Jahre 788 durch Mishelligkeiten, zu denen die politischen Verhältnisse von Wesser Veranlassung

64) Non pro auri avaritia (testis est mei cognitor cordis) Franciam veni nec remansi in ea, fed ecclesiasticae causa necessitatis.

65) Vergl. Ep. 3, p. 6.

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gaben, so gänzlich unterbrochen, daß selbst der bisher lebhafte Handelsverkehr zwischen Franken und Angelsachsen aufhörte. Nach dem Tode des Königs von Weffey Cenulph (786) hatte nämlich Offa's Begünstigung dem Britherich die Krone von Weffer verschafft, auf die Egbert nåhere Ansprüche hatte. Der zurückgesezte Prinz fuchte zuerst in Mercia eine Sicherheit, die er in Wesser nicht länger zu finden glaubte, bis die Vermählung Britherichs mit Offa's Tochter Eadburga ihm auch diesen Aufenthalt gefährlich machte. Er verließ daher England (788) und begab sich an Karls des Großen Hof, wo er eine freundliche Aufnahme und Gelegenheit fand, seine natürlichen Anlagen zu ents wickeln und sich an dem Muster eines großen Königs zu einem würdigen Fürsten heranzubilden. Die freundschaftliche Behandlung Egberts und der Schuh, den viele vers folgte Anhänger desselben am frånkischen Hofe fanden, schien dem Offa und Britherich eine Feindseligkeit gegen sie selbst, und ward die Veranlassung zur Unterbrechung des bisher bestandenen guten Vernehmens. Alcuin entledigte sich aber seines Auftrages so glücklich, daß der Friede mit Offa nicht bloß wiederhergestellt, sondern auch einige Jahre spåter durch einen Handelsvertrag befestigt wurde, in welchem Karl den angelsächsischen Pilgern, die nach Rom wallfahren wollten einen sichern und geleitfreien Durchzug durch sein Reich und den Kaufleuten seinen besondern Schuß versprach "").

66) Epist. ad Offam, Regem Merciorum, ap. Baluz. tom. I, P. 273.

Dritter Abschnitt.

Alcuins Rückkehr an den fränkischen Hof und Theil nahme an den religiösen Angelegenheiten bis zu seiner festen Niederlassung im fränkischen Reiche.

790 796.

Kurz nach der Ankunft Alcuins in seinem Vaterlande ers eignete sich eine von den Thronrevolutionen, deren die nors thumbrischen Annalen eine Menge aufzuzählen haben. Die Theilung der natürlichen Stärke des Reiches in zwei Staas ten, die gemischte Bevölkerung und die Nähe der schottis schen Grånze, jenseits deren jeder Empörer Sicherheit und oft Unterstügung fand, veranlaßte und erleichterte einen fo raschen Wechsel der regierenden Personen, daß ein König den andern nur stürzte, um nach wenigen Jahren selbst. wieder einem dritten Plak zu machen. So war Alchred kaum auf den Thron gesezt worden, als auch die, welche ihn erhoben hatten, ihn wieder verließen; er flüchtete nach Schottland und überließ seinen Thron dem Ethelred. Gegen diefen emporten sich die Thane Ethelwald- und Heardbert (778), und zwangen ihn, sein Leben durch die Flucht zu retten. Der Zepter kam nun in die Hånde Alfwolds, der ihn zwar fråftig genug führte, um seiner Regierung eine zehnjährige Dauer zu verschaffen, allein doch nicht verhins dern konnte, daß er zuleht, wie seine Vorgänger, ein Opfer der Unbeständigkeit und des Verraths der northums

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