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Unter diese Verse sezten noch die Mönche folgende Worte: Hier ruht seliges Andenkens der Herr Abt Alcuin. Er starb in Frieden vierzehn Tage vor den Kalenden des Juni. Ihr Alle, die dies leset, betet für ihn, und wünscht, daß ihm der Herr eine ewige Ruhe schenken möge *3°). «

Ein Mann, der sein ganzes Leben dem Dienste der Religion gewidmet und so fromm und rechtgläubig gelebt hatte, wie Alcuin, mußte bei seinen abergläubischen Zeitgenoffen in den Ruf der Wunderkraft kommen. Es fehlt daher auch nicht an Legenden von seiner wunderbaren Fähigs keit, zukünftige Ereignisse vorauszusehen und durch seinen Segen Gelähmten den Gebrauch ihrer Glieder und Blinden das Licht ihrer Augen wiederzugeben. Auch von dem Teufel hatte er Anfechtungen zu bestehen, die sein Biograph als einen besondern Beweis seiner Heiligkeit erzählt *3*).~ Die Nachwelt gibt ihm aber ein besseres Lob, daß er nåmlich seine Kräfte zur Ausbreitung geistiger Bildung anges wandt und für die Erhaltung und Förderung der Kirche inder Form, in welcher sie damals allein heilsam seyn konn-te, mitgewirkt habe.

Qui jaces in tumulo, terrae de pulvere furge,

Magnus adest judex millibus innumeris.

Alchwin nomen erat Sophiam mihi femper amanti, funde preces mente, legens titulum.

Pro quo 130) Hic requiescit beatae memoriae Domnus Alchwinus abbas, qui obiit in pace XIV Kalendas Junias. Quando legeritis, o Vos omnes, orate pro eo et dicite: Requiem aeternam donet ei Dominus.

131) Anonym. cap. XIII, N.25. Es ist interessant bei dieser Geles genheit zu erfahren, wie man fich damals den Teufel vorstellte.. Er erschien ihm hómo quasi magnus, nigerrimus ac deformis barbatusque, blasphemiae in eum aggerens jacula, Quid, inquit, hypocrita agis Alchuine? Cur coram hominibus justum te videri conaris, cum deceptor fis magnusque fimulator? Tu..., putas his tuis fictionibus acceptabilem posse te habere Christum? Ein Gebet vertrieb den bösen Feind.

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Die Geschichte als solche hat es nie mit einer einzelnen Erscheinung, sondern mit der Totalität der geistigen Kräfte zu thun, die sich in der Menschheit regen, und sich zur Gestaltung außerer Formen drången. In den Institutionen der gesellschaftlichen Verbindung, in den Einrichtungen des religiósen Cultus, in den Erzeugnissen der Wissenschaft und Kunst offenbart sich das geistige Vermögen einer Nas tion, und diese Formen sind es, deren Entstehung und Entwickelung die Aufgabe der Geschichte ist. An und für sich sind aber diese Formen, wie jede andere Form,, etwas Todtes und Starres; in ihren Veränderungen liegt erst ihr Leben, und dieses Lebens Seele ist der Mensch... Wie ein weicher und bildsamer Stoff die Gestalt der Form annimmt, in die er hineingedrückt wird, so bewegt sich auch der Mensch gewöhnlich in den Richtungen, die ihm durch die allemeinen Verhältnisse seiner Zeit gegeben sind; die Geschichte hat daher, um ihre Aufgabe zu lösen, gewöhn, lich nur den allgemeinen Gang der Verhältnisse darzustellen, und es läßt sich wirklich von manchen Perioden eine Ges schichte schreiben, ohne daß man eine Persönlichkeit ju schildern und etwas anderes, als allgemeine Stände, die

Vertreter von besondern Rechten, Ansichten und Interessen, als handelnd aufzuführen brauchte. Bei einem harten

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Stoffe dagegen läßt nicht allein die Form keinen Eindruck zurück, sondern sie muß auch, wenn man, um dies zu ers reichen, äußere Gewalt anwendet, fürchten, zersprengt zu werden oder wenigstens ihr Gepråge veråndert oder vers wischt zu sehen. Diesen harten Stoff in der Form der Zeit bilden die ausgezeichneten und hervorragenden Persönlichs keiten, die mit Gewalt in die Gestaltung ihrer Zeit eingreis fen und bei ihrem Tode den Zustand der Welt ganz anders hinterlassen, als sie denselben bei ihrem ersten Auftreten gefunden haben. In einem solchen Falle gibt nun die Ges schichte eine Zeitlang ihre Rechte an die Biographie ab. In den Vordergrund tritt die einzelne Erscheinung; ihre subjectiven Ansichten find für alle Uebrigen, die von ihr bes ftimmt werden, Gesche, und indem sie ihre Zustånde veråndert, ganz nach Gründen und Bestimmungen, die sie aus sich selbst nimmt, wird sie die Quelle und der Anfangspunkt für neue Verhältnisse. Die einzelne Gestalt, die es wagt, Eingriffe in den Gang der allgemeinen Berhältnisse zu:thun, stellt sich gewissermaßen an den Plaß derselben, um mit ihren Rechten auch ihre Verpflichtung zu überneh men; da alle Interessen der Zeit entweder von ihr ausgehen oder sich in ihr concentriren, so fommt es, um über eine solche Zeit klar zu werden, darauf an, die Entwickes lung der einzelnen Gestalt bis ins Detail zu verfolgen. Dies leistet die Biographie, deren Wesen darin besteht, den Einfluß des einzelnen Menschen auf seine Zeit darzustellen. Während also die Geschichte ihr Hauptaugenmerk auf die Begebenheiten richtet, die den Zustand der Menschen bes stimmen, hat die Biographie die umgekehrte Aufgabe, den einzelnen Menschen in seiner Einwirkung auf den Gang der Begebenheiten zu schildern, und wenn diese groß genug

gewesen ist, um der Entwickelung eine neue Richtung zu geben, wird die Biographie zur Geschichte selbst. Die Pers fon der Fürsten oder anderer in öffentlichen Verhältnissen hochgestellter Männer ist zwar immer bedeutend, aber man darf sie nie zum Mittelpunkt der Historie machen, wenn sie nicht auch in der Wirklichkeit ein Mittelpunkt ges wesen ist. Man hat aufgehört, die Geschichte einer Nas tion bloß an die Persönlichkeit ihres politischen Oberhaups tes anzuknüpfen, und die Erzählung der Hofintriguen für eine Landesgeschichte zu halten, oder öffentliche Begebens heiten für hinlänglich erklärt auszugeben, wenn man ihre Entstehung bis in die Blutwallungen einer fürstlichen Buhlerin und in die Geheimnisse des Schlafgemachs verfolgt hat.

Es sind vorzugsweise Zeiten großer Gährung und ungeordneter Verhältnisse, in welchen der Einzelne sich entschieden geltend machen kann. Wenn alte Formen zusammenfallen, um neuen noch nicht vorhandenen, sondern sich erst bildenden Platz zu machen, tritt die subjective Thätigs keit wirkend hervor; sie bemächtigt sich des vorliegenden Stoffes, um ihn nach ihren Ansichten zu gestalten. In der Geschichte solcher Zeiten ist daher das biographische Ele= ment das vorherrschende, weil die Thätigkeit der handelnden Personen weniger durch äußere als innere subjective Bestimmungsgründe geleitet wird. Karls des Großen Zeit ist nun in vieler Hinsicht eine solche. Seit das karolingische Haus sich an die Spite der frånkischen Nation gestellt und endlich die Krone an sich gerissen hatte, waren eine Menge Veränderungen in die Verfassung gekommen, ohne daß die Elemente aufgehört hätten, die damit in Widers spruch standen. Die königliche Gewalt, welche die Karolinger selbst hatten erniedrigen helfen, erhielt durch Pippins Usurpation zwar eine neue Bedeutung, aber sie war noch eben so wenig festgesetzt, als die Rechte der Stände.

Es war dies die Aufgabe von Pippins Nachfolger, alles noch Ungeordnete in eine feste Form zu bringen und alles Widersprechende auszustoßen 1). Man verstand damals das Organisiren einer Regierung noch nicht so gut, wie heutzutage, wo der Tag eine Verfassung umstößt, die eine Geburt der Nacht, am folgenden Morgen in einer ganz neuen Gestalt wieder auflebt. Von diesem Geiste, der keinem Eroberer fehlen darf, weil sonst seine Wirksam keit nur eine zerstörende ist, und der sich am vollkommens sten in der franzdsischen Revolution entwickelt hat, besaß Karl der Große etwas, wie seine schnelle Organisation von Aquitanien, Italien und andern, Eroberungen beweist. Wo fein Vater vorsichtig aufgetreten war, griff der größere Sohn kühn durch. Seine Persönlichkeit ist daher für die Geschichte seiner Zeit so bedeutend, daß die Behandlung derselben biographisch seyn muß. Zu den Widersprüchen aus der alten Zeit gegen die neu begonnene Ordnung der Dinge gehörte aber vor allen die Stellung des Clerus, und die Nothwendigkeit der Reform desselben vermischte sich mit

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1) Aus diesem Gesichtspunkte scheint mir Karls des Großen Geschichte aufgefaßt werden zu müssen. Er ist die höchste Spike der karolin. gischen Zeit. Was seine Vorgänger angefangen, halb vollendet oder nur angeregt hatten, bildete er zu einem Gebäude aus, in welchem seine Nachfolger so wohnten und wirkten, wie sorglose Kinder in dem ihnen von einem vorsichtigen Hausvater hinterlassenen mit Allem wohlversehenen Hause; sie leben in den Tag hinein, ohne zu bedenken, daß die Vorråthe zu Ende gehen müffen und daß das Haus ohne Reparatur nicht lange stehen werde. Wie gut Karl seine Aufgabe eingesehen habe, beweist schon die Nachricht in Einhards vita Car. M. cap. 29: cum multa adverteret legibus populi fui deesse (nam Franci duas habent leges in plurimis locis valde diversas), cogitavit quae deerant addere et discrepantia unire, prava quoque ac perperam prolata corrigere.

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