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BERICHTE ÜBER DIE EROBERUNG BELGRADS V. J. 1688.

Von Dr. Jos. Weiß.

(Aus dem fürstl. Archive zu Wallerstein.)

Mit dem Jahre 1686 begann das Kriegsglück den kaiserlichen Waffen, welche gegen die Türken kämpften, für geraume Zeit seine Gunst zuzuwenden. Ofen, das Haus des hl. Kampfes», «des osmanischen Reiches Schloss und Schlüssel» wurde nach fast hundertfünfzigjähriger Türkenherrschaft zurückgewonnen; ein Schlag, der den Kampfesmuth der Pforte so bedeutend erschütterte, dass sie an Friedensverhandlungen zu denken begann. Das nächste Jahr brachte durch die Schlacht von Nagy-Harsany die Vergeltung der folgenschweren Niederlage, welche 161 Jahre zuvor beim nahen Mohacs König Ludwig von Ungarn erlitten hatte. Die Eroberung Ungarns war besiegelt: der Reichstag zu Preßburg beschloss die Erblichkeit der Stefanskrone im habsburgischen Mannesstamme. Die glänzendsten Kriegsthaten jedoch sah das Jahr 1688. Anfangs Mai eröffnete Feldmarschall Graf Caprara den Kampf mit der Eroberung Stuhlweißenburgs, der alten ungarischen Krönungsstadt. Da der Herzog von Lothringen kränkelte, übernahm jetzt Kurfürst Max Emanuel den Oberbefehl über die vereinigte Armee, die über 30,000 Mann stark war.1 Am 28. Juli traf Max Emanuel beim Heere ein. Unter seiner und des Feldzeugmeisters Sereni Führung erkämpfte man am 8. August den Übergang über die Sau und richtete den Angriff auf das seit fast 100 Jahren in türkischen Händen befindliche Belgrad oder wie es damals hieß, Griechischweißenburg. Die Türken steckten beim Anrücken des christlichen Heeres die reiche und bevölkerte Vorstadt in Brand und verließen großenteils den Platz, wobei sie auf etlich hundert Schiffen die wertvolle Habe hinweg führten. Zur Vertheidigung blieben 3-4000 Janitscharen unter einem alten Offizier zurück. Es dauerte lange, bis die Belagerung in eigentliche Thätigkeit kommen konnte, denn das schwere Geschütz traf erst am 25. August von Buda ein, da die Hofkammer keine Aufwendungen machen wollte. Einstweilen ha'te man das Feuer aus Mörsern eröffnet am 15. August. Nachdem bis

1

Vgl. den Ausweis bei Röder von Diersburg (Frh. Ph.), d. Markgraf. Ludwig Wilh. v. Baden Feldzüge etc. etc. II, 56 f.

2 2 Vgl. Röder a. a. O. 61. Anı. 1.

zum 29. August das Bombardement fortgesetzt worden war, schickte man einen «Aufforderungsbrief» an den Kommandanten. Die ächt muselmännische Antwort war: des Kommandant ließe den Kurfürsten grüßen; es würde geschehen, was Gottes Wille sei! Im christlichen Lager wurde nun der Sturm beschlossen. Den 6. September um 1 Uhr früh ergingen die Befehle und Anordnungen, um 9 Uhr begann der Angriff. Verzweifelungsvoll zwei Stunden wogte der Kampf, an dem sich heroisch die hervorragendsten Führer betheiligten. Die Verluste waren große auf christlicher wie auf türkischer Seite und glänzende Namen erloschen an jenem Tage bei den Kaiserlichen. Der Festungskommandeur gerieth in die Gefangenschaft.

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Während der «blaue König» diesen ruhmvollen Sieg erstritt, war der «rothe König Ludwig Wilhelm v. Baden in Bosnien eingedrungen, wo er nach einem heißen Reitertreffen bei Derbend am 5. Sept. das Land südlich der Sau zurückeroberte, so dass von hier, Belgrad und Semendria aus der Weg in die Balkanländer offen zu liegen schien. Solche Erfolge stimmten den Sultan zum Frieden. Die Gesandtschaft, welche auf dem Wege nach Wien war, um Suleimans Thronbesteigung anzuzeigen, beschleunigte ihre Reise. Beinahe wäre sie noch Augenzeuge von Belgrads Fall geworden, denn am 8. September traf sie im Lager ein. Max Emanuel empfing und bewirtete sie in eben dem Lusthaus, in welchem sechs Jahre vorher Sultan Mohamed IV. die Nachricht von der Eroberung Wiens solange erwartet hatte». Er hatte dasselbe mit türkischen Tapeten und Siegestrophäen auszieren lassen. Auch führte man die Gesandtschaft im Lager umher, «so sie mit einer verspühreten Entsetzung angesehen.» In Oesterreich angekommen musste sie 4 Monate in Pottendorf warten, bis das Zeremoniel für die Übergabe ihrer Beglaubigungsschreiben festgestellt war! Die eigentlichen Friedensverhandlungen führten jedoch zu keinem Ergebnis. Und während man am kaiserl. Hofe überlegte, ob nicht zuvor Konstantinopel zu erobern und darnach erst Frieden zu schließen sei, da erstand den Türken ein Helfer in dem «allerchristlichsten Könige» Ludwig XIV., der am 24. Sept. 1688. mit einem Manifest friedbrüchig dem Kaiser den Krieg ansagte.

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Seit dem J. 1683 stellte der schwäbische Kreis dem Kaiser 4 Regimenter, 2 zu Fuß und 2 zu Pferd. Dieses Kontingent befehligte Markgraf Carl Gustav von Baden-Durlach'; Obrister eines Regimentes zu Fuß, dann Generalfeldwachtmeister-(Generalmajor) und zuletzt Feldmarschall-Lieutenant war Graf Nolger Wilhelm zu Oettingen- (Katzenstein-) Baldern, geboren 1653,6 gestorben im Felde zu Villingen 1693 am 7. November. In

3 Vgl. Schulte (A.) Markgr. Ludw. Wilh. v. Baden. etc. I, 17.
Mailath, Gesch. d. österr. Kaiserstaat. IV, 230. — Vgl. Theat. Europ, XIII, 294.
5 Vgl. Schulte a. a. O. 90,

Darnach korrigiert sich das Prädikat bei Schulte 100. Das etting. Haus hatte sich in 3 Linien getheilt: Oettingen=Oettingen (protestantisch, gefürstet 1674,

den Werbungen, welche er mit kais. Patent für ein eigenes kaiserl. Regiment 1692 betrieb, liegen die Anfänge des jetzigen österreich. Infanterieregimentes Graf von Khevenhüller» Nr. 7 (Vgl. die Regimentsgeschichte von v. Treuenfest). Notgers Gemahlin war Marie Sidonia, Gräfin von Soetern, Freiin von Dachstuhl, die Erbtochter des letzten Soeterns Philipp Franz, eines Bruderenkels des Kurfürsten Philipp Christoph. Mit ihr und seinem Vetter im Reichshofrath, dem späteren Großbotschafter nach Karlowitz, dem Grafen Wolfgang IV. zu Oettingen-Wallerstein (vgl. über ihn Histor. Jahrb. XIV., Heft 3, S. 611.) pflog er vom Felde aus einen steten Briefwechsel. Aus dem reichen Inhalte desselben soll hier herausgegriffen werden, was Notger Wilhelm über die Eroberung Belgrads, bei welcher er als Generalfeldwachtmeister mitgekämpft hat [für seine Bravour erhielt er ein kaiserl. Anerkennungsschreiben], an seine beiden Angehörigen berichtete. Es sind zwar keine überraschenden Neuheiten, die wir erfahren, nur Zeugnisse und Bekräftigungen aus dem Munde eines Augenzeugen und glaubwürdigen Gewährsmannes, immerhin aber manche Einzelheiten welche die Nachricht ergänzen können, die uns Röder von Diesburg gibt a. a. O. auf Grund der im k. k. Kriegsarchiv befindlichen «Geschichte d. Feldzuges geg. d. Türken im J. 1688.»

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Nur soweit der Inhalt der Briefe, die alle von Notgers Hand geschrieben sind auf Quartbogen an seine Frau, auf Folio an seinen Vetter, sich mit unserm Vorwurfe beschäftigt, wird er hier wiedergegeben, von einigen auch der Anschaulichkeit halber der Eingang und Schluss; zu Gunsten einer lesbareren Orthographie ist die Willkür des Originals in der Anwendung großer oder kleiner Buchstaben nicht befolgt. Die jeweils zwischen die Briefe eingeschalteten «Relationen» haben sich im Archive in Wirklichkeit nicht unter den Briefen, sondern beisammen für sich unter Balderischen Akten vorgefunden, und bestehen aus 5 Quartbogen nebst einem Blatt, deren 1. die Zeit umfasst vom 6.-11. August, 2. überschrieben «Contingation vom 11.-20. Aug., 3. «Fehrnere Continuation» vom 20.-27. Aug., 4. «Continuat. der Belagerung» v. 27. Aug. 3. Sept., 5. und das Blatt Continuation» vom 3.-8. September. Allein gerade diese Trennung in einzelne Bogen mit einem bestimmten Zeitumfang führt zu der Annahme, dass diese losen Bogen jene von Notger an Frau und Vetter geschickten Relationen sind, welche er in den begleitenden Briefen

erloschen 1731 mit Albrecht Ernst II., dem Bruder der von Ottok. Lorenz, Genealog. Hand- und Schulatlas S. 42 als Stammutter aller jetzt lebenden christl. Souveräne gefeierten Christine Luise); Oett.-Spielberg (kath., gefürst. 1734); Oett.-Wallerstein (kathol. gefürst. 1774); Oett.-Baldern (kath., erloschen 1798 mit Notgers Enkel).

1 Vgl. Beilage z. Augsburger Postzeitung 1893, Nr. 42-49: «Notger Wilh. Graf z. Oettingen-Baldern und seine Gattin Maria Sidonia, geb. Gräfin v. Soetern, in ihrem Briefwechsel. Ein Zeit- und Lebensbild aus dem XVII. Jahrh.»

jeweils erwähnt. Geschrieben sind sie nicht von Notgers Hand, vielleicht von der seines «Musterschreibers», jedoch an einigen Stellen von dem Grafen korrigiert oder mit einem Eintrag versehen. Ihre Angaben habe ich versucht mit der verwandten Literatur zu vergleichen, soweit ich dieselbe hier mir verschaffen konnte und soweit es von einer nicht fachmännischen Veröffentlichung des Fundes wird gefordert werden.

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3 Meyl oberhalb Kriehish-Weißenburg, den 30. Jully 1688.

Ihr Excellentz Hohgebohrner Graff

«Gnediger Herr Vetter

.....

Der Khurfürst auß Bayern ist vorgestern bey uns angelangt, vndt haben mier ihme zu Ehren alle Stuckh gelöst. Gestern szeint mier von Peterwardein aufgebrohen, alwo mier zwey Batallionen, eine von Szufy 10 vndt eine von Lottringen gelassen. Es szeint auch alle Bahöffen vndt Shiff alda verbliben. Mier geehn jetzt den geratten Weg auf die Szau zu. Gott gebe, daß vnßere Shüff, szo mier auf den Röttern zu fiehren, vnß helffen, den Paß zu Wegen zu bringen, alfdan wäre mit Gott guette Hoffnung zu Eroberung Khriehisch-Weisßenburg vorhanden. Vnfer Ober-Commando bey der Armee möhte factiones mahen, warzu daß Angehen shon zimblih vorhanden. Shliesßlichen befilh ih mih zu Continuation dero hohe Gnaden, der ih leb vndt stierb,

Nr. 16

Euer Excellentz

Vetter vndt vnderthenig gehorsamber Kneht
Graff zu Oettingen Notger Wilhelmb.

3 Meill von Khriehish-Weissenburg, den 31. Jully 1688.

Ihr H. Gdn. Hohgebohrne Graffin.

Einzige Vergniegung meines Hertzen, Behersherin meines Lebens... ... der Khurfürst ist vorgestern zu Wasßer nur mit etlihen Pershon bey der Armee angelangt. Er ist von vn gar shön alf

® Történelmi Tár XIII. (1890) mit dem Aufsatze von Hauptmann Götz «Der Feldzug von 1688 und die Belagerung von Belgrad» (Vgl. Hist. Jahrb. XII. 623) war mir leider nicht zugänglich.

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«Ihro Churfl. Durchl. haben ihr Logement in des Türkischen Kaysers Lust haus | ohnweit der Stadt genominen | allwo sie die gantze Attaque überschauen können» (Relation aus dem Kayserl. Feld-Lager von Griechisch-Weissenburg vom 11 Augusti 1688. 8°).

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in Bateille die Armee stehent, auh mit allen vnfererer Stukhen Losßbrenung empfangen worden. Ist algo niht zu muttmaßen, daß der Hertzog von Lottringen diefe Campagne zu vng khumben werde .....

daß in der Weltt khein Mensh lebt, der mit mehr vnderthenigen Respect verhart alß der ih leb

(An s. Vetter)

meiner vnvergleihlisten

Maria Sidonia

underthenigst treü gehorsam bster sclav

Notger Wilhelmb, Graff zu Öttingen.»

1 Meill an der Sau oberhalb Khriegish-Weisßenburg, den 8. Augusty 1688 Abents.

Dieße Naht haben mier vber der Sau Posto gefast, heütt die. Bruckhen geshlagen, enderhalb attaquieret worden, manuteniert ietz gleih geeht die Armee hin vber. Aber alles dieses ist, weiß Gott vnßerer Geshikhligkheitt niht zu zurehnen, weilen mier alko vnßere attaquen angefangen, daß Gott durh Miracull hatt 11 würkhen müesßen. Die Zeitt giebt mier niht mehr Erlaubnus zu shreiben, zukhünfftige Post die völlige Relation».

Nr. 17. (An s. Frau.)

Vber die Sau oberhalb Kriehish-Weisßenburg 1 Meill,

den 9. Augusty 1688.

«Es geehn unfere Kriegsgeshäfften sehr langsamb von Statten. Mier stehen ietz anderthalb Stundt von Kriehish-weisßenburg zwishen der Donau vndt Sau. Allein sie wellen niht zu vn hervber und wellen vn auh niht vber die Sau lasßen, wüsßen mier also selbsten niht, wie müer unßere Sahen noh anstellen solten. Mier haben zwar Shiff auf Röthern bey vns, dieße möhten vnk noh woll etwas helffen, wan Gott denen Türkhen eine Nareteÿ zu begeehn in Sünn giebt, gleih sie noh alle Jahr begangen haben. Mier haben shon vndershiedtlihe Türkhen gefangen bekhumben vndt auffen auh continuierlih Ratzen 12 zu vng herüber, die einhellig außsagen, daß der Feindt niht vber etlihe zwanzig taußent starkh seye, allein er hatt sih zimblich an der Sau vershantz. Gleih gestern haben mier Posto vber die Sau gefast, die Bruekhen geshlagen, den Feindt zurukh geiagt vndt viell guettes veriht. Jetz sehen mier kheinen Feindt. Mier haben wenig Leutt verlohren. Gott hatt geholffen.»

11 Tutti successi per unico miraculo di Dio», schreibt Marco Aviano an den Kaiser am 16. Aug. Klopp, Das Jahr 1683. S. 419. 1. Anm.

12 Räzen

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Raizen: Bewohner der Militärgrenze serbischer Abstammung. Feldzüge d. Prinzen Eugen. I. 1. 449. S.

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