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sphäre der Gesellschaft einschlägigen Rede seinen Sitz einzunehmen verpflichtet ist, worauf ihm dann das Mitgliedschafts-Diplom überreicht wird. Im Sinne dieses Paragraphen habe ich die Ehre, Ihnen, hochgeborner Herr Graf, das Mitgliedschaftsdiplom zu überreichen. (Anhaltende Éljenrufe.) — Sie, Herr Graf, sind ein Kämpe der politischen Arena und stehen als hervorragender Redner in Verbindung mit der Literatur und unserer Gesellschaft. Die Politik ist das Suchen der zeitweiligen Wahrheiten, die Wissenschaft forscht nach der ewigen Wahrheit, die Kunst sucht das ewig Schöne zu verkörpern. Wenn Sie, Herr Graf, beim Suchen der zeitweiligen Wahrheiten ermüden oder enttäuscht werden, können Sie immer Erholung und Trost finden im Cultus des ewig Wahren und ewig Schönen und dann werden Sie zugleich auf dem Altar der «Nationalität. opfern, denn nichts kräftigt die Nationalität so sehr, wie die Kraft der Wissenschaft und der Zauber der Kunst. Empfangen Sie noch einmal im Namen der Kisfaludy-Gesellschaft meinen Willkommgruß. (Anhaltender Applaus und Eljenrufe.)

Auf die Worte des Präsidenten kurz erwidernd, drückte Graf Apponyi seinen Dank aus für die ihn ehrende Auszeichnung, welche ihm für jenen Theil seiner öffentlichen Thätigkeit zutheil geworden, welcher unabhängig ist von den politischen Meinungsdifferenzen. Er sehe darin die Anerkennung dessen, dass er bei seiner politischen Beredtsamkeit die ästhetische Form suche, welche auch auf den Inhalt zurück wirke. Gegenüber der geistreichen Bemerkung des Herrn Präsidenten, dass die Politik das Suchen zeitweiliger Wahrheiten sei, erlaube er sich die Gegenbemerkung, dass er dabei immer auch die ewige Wahrheit vor Augen habe, mit welcher sie nach seiner Ueberzeugung nicht in Gegensatz gerathen darf. (Brausender Applaus und Éljenrufe.)

Hierauf bestieg, mit Éljenrufen begrüßt, Alexander Endrődi die Vortragstribüne und trug ein formvollendetes Gedicht unter dem Titel «A tündérek» (Die Feen) vor. Der Dichter, mit seiner Angebeteten durch eine wilderhabene einsame Hochgebirgsgegend reitend, wird durch ihre feenhafte Erscheinung an die Feen erinnert, die nach der Sage einst in dieser Gegend hausten. Er erzählt ihr von einem poetischen Hochgebirgswanderer in alter Zeit, dem nach der Sage eine reizende Fee am Fuße des Karfunkelthurmes erklärte, sie würde ihn lieben, doch könne sie erst lieben, wenn sie Jemand durch Herabholung des Karfunkels vom unersteigbaren Karfunkelthurm erlöste. Als der Jüngling, von Liebe getrieben, den Thurm erklommen und nach dem strahlenden Stein griff, verfinsterte sich dieser und stürzte, den Jüngling mit sich reißend, in den unten liegenden Grünen See. Das Mädchen war erlöst, konnte nun lieben, und weinte nun in Ewigkeit um den verlorenen Geliebten. Der Dichter macht, von Liebe entflammt, seiner Angebetenen das Anerbieten, ihrer Liebe wegen das gefährliche Wagnis der Erklimmung des Thurmes zu unternehmen, um ihr jene schöne Blume herabzuholen. Die Antwort der modernen Fee lässt den Ernüchterten entgegnen: Du wirst einen Anderen heiraten, ich aber werde Dich vergessen».

Zum Schlusse las der zweite Sekretär Julius Vargha den kurzen Bericht über die heuer erfolglos gebliebene Concurrenz um den Lukács- und Széher-Preis, über welche wir bereits früher berichtet haben, und sprach der Präsident Paul Gyulai mit einigen Dankesworten an das Auditorium den Schluss der Sitzung aus.

Einen erhebenden Abschluss dieser feierlichen Generalversammlung bildete aber erst die Gyulai-Feier. Die Mitglieder der Gesellschaft, die Notabilitäten und jener Theil des Auditoriums, welcher von der für Paul Gyulai geplanten Ovation Kunde hatten, begaben sich nämlich über die Estrade in den anstoßenden langen Präsidentensaal, in dessen Mitte, näher dem oberen Ende auf einem kleinen Tisch, in einer geöffneten prächtig gearbeiteten Kassette die von der Malerin Nelli Hirsch geschaffenen Originale jener Bilder lagen, mit deren verkleinerten Kopien die jüngst erschienene große Prachtausgabe der Gedichte Gyu.ai's illustriert ist. Nach einigem Warten der zu beiden Seiten und am oberen Ende des Saales aufgestellten distinguierten Gesellschaft betrat Gyulai vom Prunksaale aus den Präsidentensaal und wurde unter lebhafte Éljenrufen hinter den mit Bildern belegten Tisch geleitet. Nun trat das ordentliche Mitglied der Kisfaludy-Gesellschaft, Magnatenhausmitglied Anton Zichy, hervor und begrüßte Gyulai mit folgender Ansprache:

Geehrter Freund! Stehe still auf ein Wort und ehe Du diese Oertlichkeit, den Schauplatz so vieler Deiner literarischen Erfolge, verlässest, lasse uns Deine Hand drücken, uns, die wir im Namen Deiner anwesenden und fernen Freunde und Verehrer bei dieser Gelegenheit unserer Verehrung und Liebe für Dich Ausdruck verleihen wollen. Glaube nicht, dass auch wir gewünscht haben, der so allgemein gewordenen Mode folgend, die Zahl der Jubiläen, vielleicht auf Kosten des heikleren Geschmackes, noch um eines zu vermehren; damit würden wir uns ja auch schon verspätet haben, denn wir wissen ja, dass die fünfzigste Jahreswende Deiner literarischen Thätigkeit schon früher eingetreten ist. Wir wollten Dich auch nicht erinnern, welch' schwere Krankheit Dich vor nicht langem so plötzlich an das Bett fesselte und uns alle mit Besorgnis erfüllte wegen Deiner von uns zitternd erwarteten und zu unserer Freude auch völligen Wiedergenesung; Du weißt es ja mit uns sehr wohl, wie oft es der Fall gewesen, dass wir die Verdienste und Größe unserer Vortrefflichsten erst dann anerkennen konnten, wann wir sie bereits verloren hatten und sie mit später Reue beweinen mussten. Wenden wir unsere Blicke dem Magnatenhause unseres Reichstages zu, welches eine seiner Schriftführerfedern Deiner sicheren Hand anvertraut hat; oder blicken wir nach unserer Universität, deren Professorenkörper und Jugend auf Dich als eine ihrer Zierden hinweisen; nehmen wir diese Akademie, welcher Du seit einer Reihe von Jahren einer der eifrigsten, fleißigsten Secretäre bist; nehmen wir, um mehreres zu übergehen, unsere Kisfaludy-Gesellschaft, die in Dir ihren Präsidenten, ihren weisen Führer verehrt; alles dies würde auch einzeln genommen unser Auftreten voll rechtfertigen; zusammengenommen aber stellt es uns einen duftigen und unverwelklichen Strauß bürgerlicher Verdienste vor die Augen, welcher unsere Herzen mit Freude und Stolz erfüllt, und es uns nahezu unmöglich macht, zur lauteren Verkündigung dessen nicht diese oder jede andere Gelegenheit zu ergrei fen. Wir hätten gewünscht, unserer Pietät auch einen Deiner würdigeren, sozusagen monumentaleren Ausdruck zu geben. Dem stellten sich aber viele Hindernisse entgegen. Es sei mir erlaubt, außer der Kürze der Zeit und der dazwischengekommenen politischen Krise nur eines, und das höchste zu erwähnen: Deine stolze Bescheidenheit, welche in voraus gegen jedes Gefeiert werden protestierte. Dies

Dein Verhalten hat uns in die seltsame Situation versetzt, dass wir, unsere löbliche Absicht in den Schleier des Geheimnisses hüllend, gleichsam eine Verschwörung gegen Dich hinter Deinem Rücken anzetteln. Bei dem vollen Ausschluss der Oeffentlichkeit waren wir gezwungen, uns den Unwillen Vieler zuzuziehen, welche wegen Mangels an Benachrichtigung diesfalls dem Anschluss an uns fern bleiben mussten. Jenes warme Interesse, jene Liebe, jene Begeisterung, welche wir für Deine Person in allen Schichten der Gesellschaft erfuhren, hat uns zur Freude, ich kann sagen zur Genugthuung gedient. Verachte also nicht unsere bescheidenen Gaben, mit welchen wir das Andenken des Tages gewissermaßen zu verewigen wünschen. Siehe, da sind die Originalzeichnungen jener Illustrationen, mit welchen geschmückt die jüngste Prachtausgabe Deiner Gedichte erschienen ist, welche gewiß eine Hauptzierde jedes vornehmen Heims sein wird. Du würdest Dein schönes Märchen Die Stiefmutter» nicht geschrieben haben, wenn Du fähig wärest, diese goldhaarigen lieben Kinder Deiner Muse von Deiner Schwelle wegzuweisen. Hier ist die goldene Feder mit der Aufschrift Die goldene Feder der ungarischen Prosa»; wer immer diese ihre Aufschrift liest, wird sofort ihren Heroen kennen. Wir haben einen Becher, den wir auf dem diese Feier ergänzenden Banket auf Deine Gesundheit leeren werden. Wir haben endlich um doch hinter der Zeit nicht zurückzubleiben auch noch etwas Kleingeld. Wir stellen Dir eine Stiftung von 1000 Gulden zur Verfügung, mit der Bedingung, dass ɛie → beisammenbleibend und mit der Zeit sich eventuell vermehrend allezeit Deinen Namen trage. Einige Hundert Gulden darüber übergeben wir Dir ohne Bedingung, wohl wissend, dass der Zweck, dem Du sie widmest, jedenfalls der beste und vernünftigste sein wird. Wir glauben keinen Augenblick, dass wir damit auch nur ein Tausendstel unserer Schuld abgetragen haben, wir bleiben auf ewig Deine Schuldner und wollen es bleiben; hier aber rufen wir, dem aus dem Herzen quellenden Wunsche von Tausenden Widerhall gebend, mit Einem Herzen und Einer Seele Lang lebe unser Freund Paul Gyulai, unsere Freude und unser Stolz!».

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Nach dieser mit einem anhaltenden Éljensturm aufgenommenen Rede sprach Anton Zichy noch einige Worte, mit welchen er dem Gefeierten vier für ihn eingelaufene Glückwunsch-Adressen überreichte eine Adresse sämmtlicher Mitglieder der gewesenen Regierung, eine Adresse des Pariser Ungarvereins, eine Adresse der Klausenburger Universität und eine Adresse des gegenwärtigen Ministerpräsidenten Baron Bánffy.

Nachdem der wiederholte Éljensturm sich gelegt, ergriff der Kultus- und Unterrichtsminister Julius Wlassics das Wort und hielt an Paul Gyulai folgende Ansprache:

Mir ist die ehrende Aufgabe geworden, im Namen der ungarischen Regierung unsern Gefeierten mit der ganzen Wärme und Unmittelbarkeit der zwischen uns seit meiner Jugend bestehenden Intimität anlässlich seines 50-jährigen Schriftstellerjubiläums zu begrüßen. Ich thue dies mit umso größerer Freude und Begeisterung, denn wir begrüßen in unserem Gefeierten nicht bloß den allerersten ungarischen Kunstkritiker, nicht nur den hochfliegenden in Inhalt und Form classischen Dichter, nicht nur den unerreichten Meister der ungarischen schönen Prosa, sondern auch in seiner ganzen Individualität, in seinen Gefühlen, Gedanken und

Ausdrücken, in seinen Ideen und Idealen die wahrste Manifestation des ungarischen nationalen Geistes, der ungarischen originalen Schöpfungskraft Die Zartheit seiner poetischen Seele, die Helle seines analysierenden Geistes überstrahlt nur das Edelmetall seines Charakters. Er ist ein Charakter, der immer das schreibt und sagt, was er fühlt; der immer das thut, was ihm seine Ueberzeugung eingibt'; bei dem weder die Mächte von oben, noch die von unten genug stark sind, dem Muth seiner Ueberzeugung eine Scharte zu schlagen. Einer solchen Individualität, einem solchen Manne gegenüber drückt die ungarische Regierung durch mich ihre tiefste Verehrung und ihre vollste Anerkennung aus. Sie will auch damit Zeugnis geben von ihrer Ueberzeugung, dass sie Niemanden des Dankes und der Pietät der Nation würdiger erachtet, als Diejenigen, welche die grundlegenden Arbeiter der ungarischen Literatur, der ungarischen Wissenschaft, der ungarischen Cultur sind. Sie legen in Wahrheit den Grund zur Zukunft der ungarischen Nation, sie befestigen in Wahrheit die mächtigste staaterhaltende Kraft.

Aber damit ist meine Betrauung noch nicht zu Ende. Es harrt meiner die Erfüllung einer noch angenehmeren Pflicht, als die bisherige. Da der beste, der fürsorglichste Herrscher, der oberste Hüter der heiligen Sache der ungarischen Cultur, Se. kaiserliche und apostolisch königliche Majestät ebenfalls die großen Verdienste unseres Gefeierten anerkannt, ist mir das Glück zutheil geworden, unsern Gefeierten, dieser ansehnlichen Gesellschaft, aber auch dem ganzen Lande zur erfreulichen Kenntnis zu bringen, dass Se. Majestät, unser allergnädigster Herr und König unserem Gefeierten ein ebensolches Verdienstkreuz verliehen hat, wie jenes, mit welchein er Paul Gyulai's geliebten Freund, den unsterblichen großen Dichter Johann Arany ausgezeichnet hat. So begegnen denn in diesem feierlichen Augenblicke die tiefe Dankbarkeit und Pietät der Nation der höchsten Anerkennung seitens des Thrones. - Tragen Sie das Kreuz des Sanct-StefansOrdens mit dem männlichen Bewusstsein, dass dasselbe die Belohnung unverwelklichier, wahrer Verdienste ist.»

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Der allgemeinen Ueberraschung folgte endloses Éljenrufen, als der Minister das Kleinkreuz des Sct. Stefans-Ordens Paul Gyulai überreichte, welcher nun auf beide Reden gerührt, aber nicht in feierlich steifer Manier, sondern vielmehr speciell auf die Anrede Zichy's gemüthlich humoristisch antwortete: «Ich nehme die Ovation meiner Freunde mit dankbarem Herzen an, wenn ich aber aufrichtig sein soll, muss ich sagen, dass solche feierliche Enunciationen nicht nöthig waren. Es ist kein Grund dazu; es fehlt aber auch die Gelegenheit, denn mein fünfzigjähriges Schriftsteller-Jubiläum ist eigentlich schon 1892 eingetreten. Es ist wahr, ich liebe das Jubilieren nicht und habe auch damals dagegen protestiert; aber dies wenn Sie es auch nicht sagen wollen, wenn Sie die Sache auch noch so drehen und wenden ist doch auch nur ein Jubilieren. Jetzt sehe ich schon man kann in Ungarn alles erleben, nur das nicht, dass man nicht jubiliert werde. (Heiterkeit.) So ergebe ich mich denn auch in das Schicksal, und ich thue es sogar gern, weil ich dadurch zugleich in die Lage komme, für die ungarische Literatur was mir bis jetzt nicht möglich gewesen auch materiell etwas thun zu können. Von der mir soeben angebotenen Summe stifte ich tausend Gulden zur Mehrung des Stammkapitals der Kisfaludy-Gesellschaft, die übrigen

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600 fl. spende ich zu Gunsten der Marmorbüste des Barons Siegmund Kemény. Die königliche Auszeichnung aber, welcher ich nicht nachgestrebt und welche ich vielleicht auch nicht verdient habe, nehme ich ebenfalls mit Dank an, weil sie mir der allerconstitutionellste König, der Herrscher gibt, der unserem geliebten Vaterlande seine Constitution wiedergegeben hat..

GEDICHTE IN ZIPSER MUNDART.

Under'n alten blihndijen Lëndenbäum.1

Under'n alten blihndijen Lëndenbäum
Dä ho ich nailich gehatt en Träum:
Ich sei mer nach vorgekumm mir e Jong
Und ben of er grin Wies remgesprong
Trolle Marolle die breide Schoor!"

Und wie ich of der Wies rsäu rëmmerläuf,*
Kumm äuch die andern Kënder zuhäuf;
Die zappeln und rufen wie ich väul Fraid:
Au spill ber sich, weil ber sovill sein hait
Trolle Marolle die breide Schoor!

Of mich es 's lostije Lieschen gekumm,

Und wie ich ën Schelm bei der Hand mir genumm
Und mët nen gestann ben Orm ën Orm,

Wird's uns therijen Këndern alln Zwenn säu worm
Trolle Marolle die breide Schoor!

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1 Lindenbaum

Bei diesem Rufe der unpaarigen Person muß sich im gleich. namigen Fangspiele das dem Rufenden zunächst stehende Paar trennen, wobei die rufende unpaarige Person ihr Paar zu erhaschen trachtet 3 herumlauf mir 5 Schrei

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