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Pocht und pocht, bis sich's erschließt,
Und die Lippe überfließt
Von lautem jubelndem Preise.

Und plößlich läßt die Nachtigall
Im Busch ihr Lied erklingen,

In Berg und Thal erwacht der Schall
Und will sich aufwärts schwingen,
Und der Morgenröthe Schein
Stimmt in lichter Gluth mit ein:
,,Laßt uns dem Herrn lobsingen!"

65. Alle Jahre Krieg.

Das ist der Krieg, den die Erde führt, Alljährlich mit der Sonnen.

Ein heller Strahl hat sie berührt,

Da ist der Kampf entbronnen.

Geibel.

Ein heißer Strahl, der sticht und flammt;

Er wird sie noch verzehren.

Nun, Erde, nimm die Kraft gesammt!

Du mußt dein Leben wehren!

Da stellt sie auf ein grünes Gras

Mit hunderttausend Spitzen.
Hei, wie die Halme thauesnaß
So streitbegierig blizen!

Hier Eisenhut, da Rittersporn,
Schwertlilien dort, wie muthig!
Es kämpft sich selbst an ihrem Dorn
Die scheue Rose blutig.

und Büsche weh'n und flammen viel,
Da hält sich auch gar wacker
Der Nachtigallen klingend Spiel,
Der Lerchen über dem Acker.

So kämpfen gegen einander fort
Die Beiden lange, lange,

Mit Strahlen die Sonne, die Erde dort
Mit Laub und Blüthen und Klange.

Der Erde wächst der Muth je mehr,
Von Woche mehr zu Wochen,

Bis endlich an der scharfen Wehr
Der Sonne Kraft gebrochen;

Bis sie ganz matt und bleich und krank

Anfängt zu parlamentiren;

Die Vögel singen: Gott Lob und Dank!" Und zieh'n nach den Winterquartieren.

66. Frühlingseinzug.

Die Fenster auf, die Herzen auf!
Geschwinde! Geschwinde!

Der alte Winter will heraus,
Er trippelt ängstlich durch das Haus,
Er windet bang sich in der Brust
Und framt zusammen seinen Wust,
Geschwinde, geschwinde.

Die Fenster auf, die Herzen auf!
Geschwinde! Geschwinde!

Er spürt den Frühling vor dem Thor,
Der will ihn zupfen bei dem Ohr,

Ihn zausen bei dem weißen Bart
Nach solcher wilden Buben Art,
Geschwinde, geschwinde.

Die Fenster auf, die Herzen auf!
Geschwinde! Geschwinde!

Der Frühling flopft und pocht ja schon -
Horcht, horcht, es ist sein lieber Ton!
Er pocht und klopfet, was er kann,
Mit kleinen Blumenknospen an,
Geschwinde, geschwinde.

Die Fenster auf, die Herzen auf!
Geschwinde! Geschwinde!

Und wenn ihr noch nicht öffnen wollt,
Er hat viel Dienerschaft im Sold,
Die ruft er sich zur Hülfe her,
Und pocht und flopfet immer mehr,
Geschwinde, geschwinde.

Die Fenster auf, die Herzen auf!
Geschwinde! Geschwinde!

Es kommt der Junker Morgenwind,
Ein pausebäckig rothes Kind,

Und bläst, daß Alles klingt und flirrt,
Bis seinem Herrn geöffnet wird,
Geschwinde, geschwinde.

Die Fenster auf, die Herzen auf!
Geschwinde! Geschwinde!

Es kommt der Ritter Sonnenschein,
Der bricht mit goldnen Lanzen ein;
Der sanfte Schmeichler Blüthenhauch
Schleicht durch die engsten Rizen auch,
Geschwinde, geschwinde.

Die Herzen auf, die Herzen auf!
Geschwinde! Geschwinde!

Zum Angriff schlägt die Nachtigall,
Und horch und horch, ein Wiederhall,
Ein Wiederhall aus meiner Brust!
Herein, herein, du Frühlingslust!
Geschwinde, geschwinde!

67. Der scheidenden Nachtigall.

Nachtigall, du regst die Schwingen,
Einem fernen, fremden Land
Jenen Frühling anzusingen,
Der uns allzu früh entschwand.

Keinen Lenz macht eine Schwalbe,
Aber eine Nachtigall,

Die erweckt ihn allenthalbe
Durch der Töne Wunderschall.

Unter❜m Eise schlafbefallen
Liegt die Erde: da erklingt
Der Gesang der Nachtigallen,
und des Eises Rinde springt.

Alles eilt sich zu erheben
Aus dem langen Wintertraum,
Schatten vor der Gluth zu geben,
Kleidet sich in Grün der Baum.

Blumen keimen, Quellen rauschen,
Vögel flattern hin und her,
Süße Liebeszeichen tauschen

Erd' und Himmel, Land und Meer.

W. Müller.

Alles weicht aus seinem Gleise,
Selbst das Alter träumt sich jung,
Und der Jüngling ward zum Greise,
Faßt ihn nicht Begeisterung.

Also hast du hier mit Tönen
Neue Gluthen angefacht;
Andre Welten zu verschönen,
Fliehst du dieser Blüthen Pracht.
Wenn der Nachhall deiner Lieder
Hier verklingt in Herz und Sinn,
Kehr' uns zu beglücken wieder,
Süße Weltverschönerin.

68. Das junge Stürmchen. Herr Sturm der hat ein lustig Kind, Das kann schon wacker laufen,

Das junge Stürmchen thät man Wind
Vor langer Zeit schon taufen.

Jung Stürmchen ist ein starker Knab',
Pausbackig sonder gleichen,
Springt lustig immer auf und ab,
Mag gern auf Berge steigen.

Da geht ihm denn der Athem aus,
Drum muß es schnaufen, blasen, —
Ihr hört's ja selbst aus eurem Haus,
Wie's schnauft in allen Straßen.

Der Wind ist gar ein wilder Fant,
Kann nichts in Frieden lassen,
Und kommt er auf- und abgerannt,
So muß er immer spaßen.

Cimrod.

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