110. Der kleine Hydriot. Ich war ein kleiner Knabe, stand fest kaum auf dem Bein, Da nahm mich schon mein Vater mit in das Meer hinein Und lehrte leicht mich schwimmen an seiner sichern Hand Und in die Fluthen tauchen bis nieder auf den Sand. Ein Silberstückchen warf er dreimal in's Meer hinab, Und dreimal mußt ich's holen, eh er's zum Lohn mir gab. Dann reicht er mir ein Ruder, hieß in ein Boot mich gehn, Er selber blieb zur Seite mir unverdrossen stehn, Wies mir, wie man die Woge mit scharfem Schlage bricht, Wie man die Wirbel meidet und mit der Brandung ficht. Und von dem kleinen Kahne ging's flugs in's große Schiff; Es trieben uns die Stürme um manches Felsenriff. Ich saß auf hohem Maste, schaut' über Meer und Land, Es schwebten Berg und Thürme vorüber mit dem Strand. Der Vater hieß mich merken auf jedes Vogels Flug, Auf aller Winde Wehen, auf aller Wolken Zug; Und bogen dann die Stürme den Mast bis in die Fluth, Und sprißten dann die Wogen hoch über meinen Hut, Da sah der Vater prüfend mir in das Angesicht, – Ich saß in meinem Korbe und rüttelte mich nicht; Da sprach er, und die Wange ward ihm wie Blut so roth: „Glück auf zu deinem Maste, du kleiner Hydriot!" Und heute gab der Vater ein Schwert mir in die Hand, Und weihte mich zum Kämpfer für Gott und Vaterland. Er maß mich mit den Blicken vom Kopf bis zu den Zeh'n, Mir war's, als thät sein Auge hinab in's Herz mir sehn. Ich hielt mein Schwert gen Himmel und schaut ihn sicher an, US däuchte mich zur Stunde nicht schlechter als ein Mann. Da sprach er, und die Wange ward ihm wie Blut so roth: „Glück zu mit deinem Schwerte, du fleiner Hydriot!" W. Müller. 111. Die Tabakspfeife. Gott grüß' euch, Alter! Schmeckt das Pfeifchen? Weis't her! Ein Blumentopf Von rothem Thon mit goldnen Reifchen. Was wollt ihr für den Kopf? „Herr, den Kopf kann ich nicht laffen, Da, Herr, da gab es rechte Beute! Wie Grummet sah man uns're Leute Ein andermal von euren Thaten! Hier, Alter, seid kein Tropf, „Ich bin ein armer Kerl und lebe Von meinem Gnadenfold; Doch, Herr, den Pfeifenkopf, den gebe Hört nur! Einst jagten wir Husaren Den Feind nach Herzenslust; Ich hob ihn flugs auf meinen Schimmel (Er hätt es auch gethan) Und trug ihn sanft aus dem Getümmel Ich pflegte sein. Vor seinem Ende Gab er mir all' sein Geld Und diesen Kopf, drückt mir die Hände Und blieb im Tod noch Held. Das Geld mußt du dem Wirthe schenken, Ich trug auf allen meinen Zügen Sie wie ein Heiligthum, Wir mochten weichen oder siegen, Vor Prag verlor ich auf der Streife Das Bein durch einen Schuß; Da griff ich erst nach meiner Pfeife Und dann nach meinem Fuß." Ihr rührt mich, Freund, bis zu den Zähren, Osagt, wie hieß der Mann? Damit auch mein Herz ihn verehren Und ihn beneiden kann. „Man hieß ihn nur den tapfern Walter; Dort lag sein Gut am Rhein.“ Das war mein Ahne, lieber Alter, Und jenes Gut ist mein. Kommt, Freund! ihr sollt bei mir nun leben, Vergesset eure Noth! Kommt, trinkt mit mir von Walters Reben Nun, topp! ihr seid sein wahrer Erbe, Ich ziehe morgen ein, Und euer Dant soll, wenn ich sterbe, Die Türkenpfeife sein." 112. Der Bauer und sein Sohn. Ein guter, dummer Bauernknabe, Den Junker Hans einst mit auf Reisen nahm, Und der troß seinem Herrn mit einer guten Gabe Ging kurz nach der vollbrachten Reise Mit seinem Vater über Land. Fritz, der im Geh'n recht Zeit zum Lügen fand, Log auf die unverschämt'ste Weise. Zu seinem Unglück kam ein großer Hund gerannt. So sag' ich's euch und Jedem in's Gesicht, Daß ich einst einen Hund bei - Haag gesehen habe, Wenn er nicht größer war als euer größtes Pferd." So wirst du eine Brücke sehn, Die hat dir Manchen schon betrogen ; (Denn überhaupt soll's dort nicht gar zu richtig sein) Auf dieser Brücke liegt ein Stein, Bfeffel. An den stößt man, wenn man den Tag gelogen, Der Bub erschrack, sobald er dies vernommen. Der Hund, jezt fällt mir's ein, war erst ein halbes Jahr; Allein das wollt ich wohl beschwören, Daß er so groß wie mancher Ochse war.“ Sie gingen noch ein gutes Stücke ; Doch Frißen schlug das Herz. Wie konnt es anders sein? Denn Niemand bricht doch gern ein Bein. Er sah nunmehr die richterische Brücke Und fühlte schon den Beinbruch halb. „Ja, Vater," fing er an, „der Hund, von dem ich red❜te, War groß; und wenn ich ihn auch was vergrößert hätte, So war er doch viel größer als ein Kalb.“ Die Brücke kommt. Friß! Friß! wie wird dir's gehn. Der Vater geht voran; doch Friß hält ihn geschwind. „Ach, Vater!“ spricht er, „seid kein Kind Und glaubt, daß ich dergleichen Hund gesehen; Der Hund war nur so groß wie alle Hunde sind." Gellert. |