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Schweigt ihr! befahl das Pferd. Wir wissen es schon: Wer sich auf die Güte seiner Sache am wenigsten zu verlassen hat, ist immer am fertigsten, die Einsicht seines Richters in Zweifel zu ziehen.

II.

Der Mensch ward Richter.-Noch ein Wort, rief ihm der majestätische Löwe zu, bevor du den Ausspruch thust! Nach welcher Regel, Mensch, willst du unsern Werth bestimmen ?

Nach welcher Regel? Nach dem Grade, ohne Zweifel, antwortete der Mensch, in welchem ihr mir mehr oder weniger nützlich seyd.

Vortrefflich! versetzte der beleidigte Löwe. Wie weit würde ich alsdenn unter dem Esel zu stehen kommen! Du kannst unser Richter nicht seyn, Mensch! Verlass die Versammlung!

III.

Der Mensch entfernte sich.-Nun, sprach der höhnische Maulwurf,-(und ihm stimmte der Hamster und der Igel wieder bey)— siehst du, Pferd? der Löwe meint es auch, dass der Mensch unser Richter nicht seyn kann. Der Löwe denkt, wie wir.

Aber aus bessern Gründen, als ihr! sagte der Löwe, und warf ihnen einen verächtlichen Blick zu.

IV.

ΙΟ

Der Löwe fuhr weiter fort: Der Rangstreit, wenn ich es recht 20 überlege, ist ein nichtswürdiger Streit! Haltet mich für den Vornehmsten, oder für den Geringsten; es gilt mir gleich viel. Genug ich kenne mich !-Und so ging er aus der Versammlung.

Ihm folgte der weise Elephant, der kühne Tieger, der ernsthafte Bär, der kluge Fuchs, das edle Pferd; kurz, alle, die ihren Werth fühlten, oder zu fühlen glaubten.

Die sich am letzten wegbegaben, und über die zerrissene Versammlung am meisten murreten, waren-der Affe und der Esel.

3.

AUS: MINNA VON BARNHELM.

1. Aufzug. 8. Auftritt.

JUST. VON TELLHEIM.

v. Tellheim. Bist du da?

Just. (indem er sich die Augen wischt) Ja!

v. Tellheim. Du hast geweint?

Just. Ich habe in der Küche meine Rechnung geschrieben, und die Küche ist voll Rauch. Hier ist sie, mein Herr !

v. Tellheim. Gieb her.

Just. Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr. Ich weiss 10 wohl, dass die Menschen mit Ihnen keine haben; aber

v. Tellheim. Was willst du?

Just. Ich hätte mir eher den Tod, als meinen Abschied vermuthet.

v. Tellheim. Ich kann dich nicht länger brauchen; ich muss mich ohne Bedienten behelfen lernen. (schlägt die Rechnung auf und lieset) 'Was der Herr Major mir schuldig: Drey und einen halben Monat Lohn, den Monat 6 Thaler, macht 21 Thaler. Seit dem ersten dieses, an Kleinigkeiten ausgelegt, I Thaler 7 Gr. 9 Pf. Summa Summarum, 22 Thaler 7 Gr. 9 Pf.'-Gut, und es ist billig, 20 dass ich diesen laufenden Monat ganz bezahle.

Just. Die andere Seite, Herr Major—

v. Tellheim. Noch mehr? (lieset) 'Was dem Herrn Major ich schuldig: An den Feldscheer für mich bezahlt, 25 Thaler. Für Wartung und Pflege, während meiner Kur, für mich bezahlt, 39 Thaler. Meinem abgebrannten und geplünderten Vater, auf meine Bitte, vorgeschossen, ohne die zwey Beutepferde zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Thaler. Summa Summarum, 114 Thaler. Davon abgezogen vorstehende 22 Thaler 7 Gr. 9 Pf., bleibe dem Herrn Major schuldig, 91 Thaler 16 Gr. 3 Pf.’—Kerl, du bist toll!— 30 Just. Ich glaube es gern, dass ich Ihnen weit mehr koste. Aber es wäre verlorne Dinte, es dazu zu schreiben. Ich kann Ihnen das nicht bezahlen; und wenn Sie mir vollends die Liverey nehmen, die ich auch noch nicht verdient habe,—so wollte ich lieber, Sie hätten mich in dem Lazarethe krepiren lassen.

v. Tellheim. Wofür siehst du mich an? Du bist mir nichts schuldig, und ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bey dem du es besser haben sollst, als bey mir.

Just. Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich verstossen?

v. Tellheim. Weil ich dir nichts schuldig werden will. Just. Darum? nur darum?-So gewiss ich Ihnen schuldig bin, so gewiss Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiss sollen Sie mich nicht verstossen.-Machen Sie, was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bei Ihnen; ich muss bey Ihnen bleiben.—

v. Tellheim. Und deine Hartnäckigkeit, dein Trotz, dein wildes ungestümes Wesen gegen alle, von denen du meinest, dass sie dir nichts zu sagen haben, deine tückische Schadenfreude, deine Rachsucht - -

ΙΟ

Just. Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen; ich will darum doch nicht schlechter von mir denken, als von meinem Hunde. Vorigen Winter ging ich in der Demmerung an dem Kanale, und hörte etwas winseln. Ich stieg herab, und griff nach der Stimme, und glaubte ein Kind zu retten, und zog einen Budel1 aus dem Wasser. Auch gut; dachte ich. Der Budel kam mir 20 nach; aber ich bin kein Liebhaber von Budeln. Ich jagte ihn fort, umsonst; ich prügelte ihn von mir, umsonst. Ich liess ihn des Nachts nicht in meine Kammer; er blieb vor der Thüre auf der Schwelle. Wo er mir nahe kam, stiess ich ihn mit dem Fusse; er schrie, sahe mich an, und wedelte mit dem Schwanze. hat er keinen Bissen Brod aus meiner Hand bekommen; und doch bin ich der einzige, dem er hört, und der ihn anrühren darf. Er springt vor mir her, und macht mir seine Künste unbefohlen vor. Er ist ein hässlicher Budel, aber ein gar zu guter Hund. Wenn er es länger treibt, so höre ich endlich auf, den Budeln gram 30 zu sein.

Noch

v. Tellheim (bey Seite) So wie ich ihm! Nein, es giebt keine völlige Unmenschen! Just, wir bleiben beysammen.

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Just. Ganz gewiss !—Sie wollten sich ohne Bedienten behelfen? Sie vergessen Ihrer Blessuren, und dass Sie nur eines Armes mächtig sind. Sie können sich ja nicht allein ankleiden. Ich bin

1 Pudel.

-

Ihnen unentbehrlich; und bin, ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major-und bin ein Bedienter, der-wenn das Schlimmste zum Schlimmen kömmt,-für seinen Herrn betteln und stehlen kann.

v. Tellheim. Just, wir bleiben nicht beysammen.

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Der Bediente. Kann Er mir nicht den Officier nachweisen, der gestern noch in diesem Zimmer (auf eines an der Seite zeigend, von welcher er herkömmt) gewohnt hat?

Just. Das dürfte ich leicht können. Was bringt Er ihm ?

Der Bediente. Was wir immer bringen, wenn wir nichts bringen; ein Kompliment. Meine Herrschaft hört, dass er durch sie verdrengt worden. Meine Herrschaft weiss zu leben, und ich soll ihn desfalls um Verzeihung bitten.

Just. Nun so bitte Er ihn um Verzeihung; da steht er.
Der Bediente. Was ist er? Wie nennt man ihn?

v. Tellheim. Mein Freund, ich habe Euern Auftrag schon gehört. Es ist eine überflüssige Höflichkeit von Eurer Herrschaft, die ich erkenne, wie ich soll. Macht Ihr meinen Empfehl.-Wie heisst Eure Herrschaft?

Der Bediente. Wie sie heisst? Sie lässt sich gnädiges Fräulein heissen.

v. Tellheim. Und ihr Familienname?

20

Der Bediente. Den habe ich noch nicht gehört, und darnach zu fragen, ist meine Sache nicht. Ich richte mich so ein, dass ich meistentheils aller sechs Wochen eine neue Herrschaft habe. Der 30 Henker behalte alle ihre Namen!

Just. Bravo, Kammerad!

Der Bediente. Zu dieser bin ich erst vor wenig Tagen in Dresden gekommen. Sie sucht, glaube ich, hier ihren Bräutigam.

v. Tellheim. Genug, mein Freund. Den Namen Eurer Herrschaft wollte ich wissen; aber nicht ihre Geheimnisse. Geht nur! Der Bediente. Kammerad, das wäre kein Herr für mich !

10. Auftritt.

V. TELLHEIM. JUST.

v. Tellheim. Mache, Just, mache, dass wir aus diesem Hause kommen! Die Höflichkeit der fremde Dame ist mir empfindlicher, als die Grobheit des Wirths. Hier nimm diesen Ring; die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist; von der ich nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machen!-Versetze ihn! lass dir 10 achtzig Friedrichsdor darauf geben; die Rechnung des Wirths kann keine dreyssig betragen. Bezahle ihn, und räume meine Sachen-Ja, wohin?-Wohin du willst. Der wohlfeilste Gasthof, der beste. Du sollst mich hier neben an, auf dem Kaffeehause treffen. Ich gehe; mache deine Sache gut.—

Just. Sorgen Sie nicht, Herr Major!

v. Tellheim. (kömmt wieder zurück) Vor allen Dingen, dass meine Pistolen, die hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden.

Just. Ich will nichts vergessen.

v. Tellheim. (kömmt nochmals zurück) Noch eins: nimm mir auch deinen Budel mit; hörst du, Just!—

II. Auftritt.
JUST.

Der Budel wird nicht zurück bleiben.

Dafür lass ich den Budel

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sorgen.-Hm! auch den kostbaren Ring hat der Herr noch gehabt? Und trug ihn in der Tasche, anstatt am Finger?-Guter Wirth, wir sind so kahl noch nicht, als wir scheinen. Bey ihm, bey ihm selbst will ich dich versetzen, schönes Ringelchen! Ich weiss, er ärgert sich, dass du in seinem Hause nicht ganz sollst verzehrt werden!— 30

4.

AUS DEM LAOKOON.

Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke in der Mahlerey und Bildhauerkunst, setzet Herr

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