Die wogt durch alle Herzen in einer heilgen Glut. ΤΟ FRIEDRICH RÜCKERT. [Scherer, D. 659, E. II. 275.] Geboren 1788 zu Schweinfurt, gab sich in Würzburg und Heidelberg juristischen und philologischen Studien hin, habilitierte sich 1811 in Jena als Privatdocent, gab aber bald seine Stellung auf und lebte nun an verschiedenen Orten. Nach einer Reise nach Italien 1817 betrieb er das Studium der morgenländischen Sprachen, wurde 1826 als Professor der orientalischen Sprachen und Literaturen nach Erlangen, 1841 nach Berlin berufen. Doch zog er sich bald auf sein Landgut Neusess bei Coburg zurück und starb hier 1866. 20 Rückert trat 1814 mit Dichtungen unter dem Titel Deutsche Gedichte von Freimund Raimar' auf, die als bedeutendstes seine Geharnischten Sonette' enthielten. Von späteren Sammlungen seiner lyrischen Gedichte seien hervorgehoben 'Kranz der Zeit' 1817, ‘Liebesfrühling' 1821, von seinen Übersetzungen und Nachahmungen Östliche Rosen' 1822, die 'Verwandlungen des Ebu Seid von Seru'g oder die Makámen des Hari'ri' 1826, die Geschichte von Nal und Damajanti' 1828. Seine Gesammelten poetischen Werke' erschienen in 12 Bänden (Frankfurt 1868-69, neue Ausgabe 1882); 'Nachgelassene Gedichte' (Wien 1877). I. AUS DEN GEHARNISCHTEN SONETTEN. 'Der ich gebot von Jericho den Mauern: VOL. II. Stürzt ein! und sie gedachten nicht zu stehen; Rr 30 'Der ich liess über den erstaunten Schauern Kann ich nicht auch sie lassen auferstehen Traf in die Stirn, als meiner Rache Schleudern 2. AUS DEN ZUGABEN ZU AMARYLLIS. Mein Liebchen hat das Herz sich abgeschlossen, Wie erstaunt sich möchte weisen, So erstaunt, kann ich's nicht fassen, Eins hat Unrecht von uns beiden; Wer es hat? wer kann's entscheiden! Wenn ich mit mir selbst will rechten, ΙΟ 20 30 Ich sprach: 'Warum mit Blicken wieder spielst du?' 20 4. RITORNELLE. Mein Liebchen kann nicht lesen und nicht schreiben. Die Liebe so als Wissenschaft zu treiben. Du willst mit deinen Blicken Tod mir geben, 30 Die Liebste hat mir Leid und Weh gegeben, 5. VIERZEILEN. Der Frühling ist ein Dichter, Wohin er blicket, blühet Baum und Strauch ; Die Blättlein welken, die berührt sein Hauch. Nein! es ist alles ewig mein, Was mich mit ewigen Schmerzen labt! Und wäre mir kein Freudenkranz erlaubt, So wollt' ich mich anstatt des Kranzes schmücken Mit dem Gefühl, auf ein geliebtes Haupt Mit sanfter Hand den Kranz des Glücks zu drücken. Wir haben geweint als Bräut'gam und Braut, Um in der Ehe zu lachen, Dass wir's uns hatten nicht zugetraut, Einander so glücklich zu machen. Keinen Tag beklag' ich, der vergangen, Und vom morgenden werd' ich empfangen 10 20 |