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Erlaubt, dass eine Eboli verleumdet?

Hasst nicht der Priester meinen Sohn und sie?
Und weiss ich nicht, dass Alba Rache brütet?

Mein Weib ist mehr werth als sie alle.

Marquis.

Sire,

Und etwas lebt noch in des Weibes Seele,

Das über allen Schein erhaben ist

Und über alle Lästerung-Es heisst
Weibliche Tugend.

König.

Ja! Das sag' ich auch.

So tief, als man die Königin bezüchtigt,
Herab zu sinken, kostet viel. So leicht,
Als man mich überreden möchte, reissen
Der Ehre heil'ge Bande nicht. Ihr kennt

Den Menschen, Marquis. Solch ein Mann hat mir
Schon längst gemangelt, ihr seyd gut und fröhlich,
Und kennet doch den Menschen auch-Drum hab'
Ich euch gewählt—

Marquis (überrascht und erschrocken).

Mich, Sire?

König.

Ihr standet

Vor eurem Herrn und habt nichts für euch selbst,
Erbeten nichts. Das ist mir neu-Ihr werdet
Gerecht seyn. Leidenschaft wird euren Blick
Nicht irren-Dränget euch zu meinem Sohn,
Erforscht das Herz der Königin. Ich will
Euch Vollmacht senden, sie geheim zu sprechen.
Und jetzt verlasst mich!

I

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3

(Er zieht eine Glocke.)

Marquis.

Kann ich es mit Einer

Erfüllten Hoffnung-dann ist dieser Tag

Der schönste meines Lebens.

König (reicht ihm die Hand zum Kusse).

Verlorner in dem meinigen.

Er ist kein

(Der Marquis steht auf und geht. Graf von Lerma tritt herein.)

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Bei meiner Zurückkunft aus Weissenfels, wo ich mit meinem Freunde Körner aus Dresden eine Zusammenkunft gehabt, erhielt ich Ihren vorletzten Brief, dessen Inhalt mir doppelt erfreulich war; denn ich ersehe daraus, dass ich in meiner Ansicht Ihres Wesens Ihrem eignen Gefühl begegnete, und dass Ihnen die Aufrichtigkeit, mit der ich mein Herz darin sprechen liess, nicht missfiel. Unsre späte, aber mir manche schöne Hoffnung erweckende, Bekanntschaft ist mir abermals ein Beweis, wie viel besser man oft thut, den Zufall machen zu lassen, als ihm durch zu viele Geschäftigkeit 20 vorzugreifen. Wie lebhaft auch immer mein Verlangen war, in ein näheres Verhältniss zu Ihnen zu treten, als zwischen dem Geist des Schriftstellers und seinem aufmerksamsten Leser möglich ist, so begreife ich doch nunmehr vollkommen, dass die so sehr verschiedenen Bahnen, auf denen Sie und ich wandelten, uns nicht wohl früher, als gerade jetzt, mit Nutzen zusammen führen konnten. Nun kann ich aber hoffen, dass wir, so viel von dem Wege noch übrig seyn mag, in Gemeinschaft durchwandeln werden, und mit um so grösserm Gewinn, da die letzten Gefährten auf einer langen Reise sich immer am meisten zu sagen haben.

Erwarten Sie bei mir keinen grossen materialen Reichthum von Ideen; diess ist es was ich bei Ihnen finden werde. Mein Bedürfniss und Streben ist, aus wenigem viel zu machen, und wenn Sie

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meine Armuth an allem was man erworbene Kenntniss nennt, einmal näher kennen sollten, so finden Sie vielleicht, dass es mir in manchen Stücken damit mag gelungen seyn. Weil mein Gedankenkreis kleiner ist, so durchlaufe ich ihn eben darum schneller und öfter, und kann eben darum meine kleine Baarschaft besser nutzen, und eine Mannigfaltigkeit, die dem Inhalte fehlt, durch die Form erzeugen. Sie bestreben sich Ihre grosse Ideenwelt zu simplificiren, ich suche Varietät für meine kleinen Besitzungen. Sie haben ein Königreich zu regieren, ich nur eine etwas zahlreiche Familie von Begriffen, die ich herzlich gern zu einer kleinen Welt 10 erweitern möchte.

Ihr Geist wirkt in einem ausserordentlichen Grade intuitiv, und alle Ihre denkenden Kräfte scheinen auf die Imagination, als ihre gemeinschaftliche Repräsentantin, gleichsam compromittirt zu haben. Im Grund ist diess das Höchste, was der Mensch aus sich machen kann, sobald es ihm gelingt, seine Anschauung zu generalisiren und seine Empfindung gesetzgebend zu machen. Darnach streben Sie, und in wie hohem Grade haben Sie es schon erreicht! Mein Verstand wirkt eigentlich mehr symbolisirend, und so schwebe ich, als eine Zwitterart, zwischen dem Begriff und der 20 Anschauung, zwischen der Regel und der Empfindung, zwischen dem technischen Kopf und dem Genie. Diess ist es, was mir, besonders in frühern Jahren, sowohl auf dem Felde der Speculation als der Dichtkunst ein ziemlich linkisches Ansehen gegeben; denn gewöhnlich übereilte mich der Poet, wo ich philosophiren sollte, und der philosophische Geist, wo ich dichten wollte. Noch jetzt begegnet es mir häufig genug, dass die Einbildungskraft meine Abstractionen, und der kalte Verstand meine Dichtung stört. Kann ich dieser beiden Kräfte in so weit Meister werden, dass ich einer jeden durch meine Freiheit ihre Gränzen bestimmen kann, so er- 30 wartet mich noch ein schönes Loos; leider aber, nachdem ich meine moralischen Kräfte recht zu kennen und zu gebrauchen angefangen, droht eine Krankheit meine physischen zu untergraben. Eine grosse und allgemeine Geistesrevolution werde ich schwerlich Zeit haben in mir zu vollenden, aber ich werde thun was ich kann, und wenn endlich das Gebäude zusammenfällt, so habe ich doch vielleicht das Erhaltungswerthe aus dem Brande geflüchtet.

Sie wollten, dass ich von mir selbst reden sollte, und ich machte von dieser Erlaubniss Gebrauch. Mit Vertrauen lege ich Ihnen diese Geständnisse hin, und ich darf hoffen, dass Sie sie mit Liebe aufnehmen.

Ich enthalte mich heute in's Detail Ihres Aufsatzes zu gehen, der unsere Unterhaltungen über diesen Gegenstand gleich auf die fruchtbarste Spur einleitet. Meine eigenen, auf einem verschiedenen Wege angestellten Recherchen haben mich auf ein ziemlich damit übereinstimmendes Resultat geführt, und in beifolgenden Papieren finden Sie vielleicht Ideen, die den Ihrigen begegnen. 10 Sie sind vor anderthalb Jahren hingeworfen worden, und sowohl in dieser Rücksicht, als ihrer localen Veranlassung wegen (denn sie waren für einen nachsichtigen Freund bestimmt) kann ihre rohe Gestalt auf Entschuldigung Anspruch machen. Seitdem haben sie allerdings ein besseres Fundament und eine grössere Bestimmtheit in mir erhalten, die sie den Ihrigen ungleich näher bringen dürfte.

Dass Wilhelm Meister für unser Journal verloren seyn soll, kann ich nicht genug beklagen. Indessen hoffe ich von Ihrem fruchtbaren Geiste und Ihrem freundschaftlichen Eifer für unsere Unternehmung einen Ersatz dieses Verlustes, wobei die Freunde Ihres 20 Genius alsdann doppelt gewinnen. In dem Stück der Thalia, die ich hier beilege, finden Sie einige Ideen von Körner über Declamation, die Ihnen nicht missfallen werden. Alles bei uns empfiehlt sich Ihrem freundschaftlichen Andenken, und ich bin mit der herzlichsten Verehrung

der Ihrige.
Schiller.

4.

DIE WORTE DES GLAUBENS.

Drey Worte nenn' ich euch, inhaltschwer,
Sie gehen von Munde zu Munde,
Doch stammen sie nicht von aussen her,

Das Herz nur giebt davon Kunde,

Dem Menschen ist aller Werth geraubt,

Wenn er nicht mehr an die drey Worte glaubt.

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Der Mensch ist frey geschaffen, ist frey,
Und würd er in Ketten gebohren,
Lasst euch nicht irren des Pöbels Geschrey,
Nicht den Misbrauch rasender Thoren,
Vor dem Sclaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freyen Menschen erzittert nicht.
Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt er auch straucheln überall,

Er kann nach der göttlichen streben,

Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke,
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke,

Und ob alles in ewigem Wechsel kreisst
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.
Die drey Worte bewahret euch, inhaltschwer,

Sie pflanzet von Munde zu Munde,

Und stammen sie gleich nicht von aussen her,
Euer Innres giebt davon Kunde,

Dem Menschen ist aller Werth geraubt,

Wenn er nicht mehr an die drey Worte glaubt.

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5.

AN DIE FREUDE.

Freude, schöner Götterfunken,

Tochter aus Elisium,

Wir betreten feuertrunken

Himmlische, dein Heiligthum.

Deine Zauber binden wieder,

was der Mode Schwerd getheilt; Bettler werden Fürstenbrüder,

wo dein sanfter Flügel weilt.

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