So wird dein starker Fuss mein Bein, Der Lahme hängt, mit seinen Krücken, Was einzeln keinem möglich war. Du hast das nicht, was andre haben, Wenn jenem nicht die Gabe fehlte, Und nicht für mich, bekümmert seyn. Beschwer die Götter nicht mit Klagen! Und jenem schenken, wird gemein, ΤΟ 2. DIE GESCHICHTE VON DEM HUTE. Der Erste, der mit kluger Hand Der Männer Schmuck, den Hut, erfand, Die Krempen hingen flach herab; Und dennoch wusst' er ihn zu tragen, Dass ihm der Hut ein Ansehn gab. Er starb und liess bei seinem Sterben 20 30 Das Volk bleibt vor Verwundrung stehn Die dritte Krempe zu dem Hute. Er starb und liess bei seinem Sterben Der Erbe färbt' ihn schwarz, damit er was erfände. 'So weit sah keiner noch, als der gesehen hat. Ein weisser Hut liess lächerlich; Schwarz, Brüder, schwarz! so schickt es sich!' Er starb und liess bei seinem Sterben Er sinnt und sinnt das Kunststück aus, Als dieser grosse Geist erfand!' Er starb und liess bei seinem Sterben 10 20 30 Erfindung macht die Künstler gross Und drückt ihn seitwärts auf den Kopf. Ihn sieht das Volk und taumelt vor Vergnügen. 'Nun ist die Kunst erst hoch gestiegen! Ihm', schrie es, 'ihm allein ist Witz und Geist verliehn! Nichts sind die andern gegen ihn!' Er starb und liess bei seinem Sterben Den eingefassten Hut dem Erben; [Ende des ersten Buches.] Was mit dem Hute sich noch ferner zugetragen, Will ich im zweiten Buche sagen. Der Erbe liess ihm nie die vorige Gestalt, Das Aussenwerk ward neu; er selbst, der Hut, blieb alt; Und dass ich's kurz zusammenzieh' Es ging dem Hute fast, wie der-Philosophie. 2. DIE GÜTE GOTTES. Wie gross ist des Allmächtgen Güte! Ist der ein Mensch, den sie nicht rührt? Der mit verhärtetem Gemüthe Den Dank erstickt, der ihm gebührt? Sey ewig meine grösste Pflicht. Der Herr hat mein noch nie vergessen; 'Vergiss mein Herz auch seiner nicht. Wer hat mich wunderbar bereitet? Der Gott, der meiner nicht bedarf. Er, dessen Rath ich oft verwarf. 10 20 30 Wer stärkt den Frieden im Gewissen ? Du hast ein Recht zu diesen Freuden; 10 Durch Gottes Güte sind sie dein. Sieh, darum musste Christus leiden, Und diesen Gott sollt ich nicht ehren? Und seine Güte nicht verstehn? Er sollte rufen, ich nicht hören? Den Weg, den er mir zeigt, nicht gehn? Gott soll ich über alles lieben, Und meinen Nächsten gleich als mich. Diess ist mein Dank, diess ist sein Wille, Ich soll vollkommen seyn, wie er. So lang ich diess Gebot erfülle, Stell ich sein Bildniss in mir her. Lebt seine Lieb in meiner Seele : So treibt sie mich zu jeder Pflicht; Mir immerdar vor Augen seyn! 20 30 Mein ganzes Leben dir zu weihn; Sie tröste mich zur Zeit der Schmerzen ; Sie leite mich zur Zeit des Glücks; Und sie besieg in meinem Herzen MAGNUS GOTTFRIED LICHTWER. [Scherer D. 447, E. II. 58.] 1719 geboren zu Wurzen; Privatdocent in Wittenberg; starb 1783 als Regierungsrath zu Magdeburg. Seine Vier Bücher Äsopischer Fabeln in Rebundener Schreib-Art' erschienen 1748. Chrdinace no late. DIE KATZEN UND DER HAUSHERR. Thier' und Menschen schliefen feste, In dem Vorsaal eines Reichen Hinz, des Murners Schwiegervater, Endlich tanzten alle Katzen, Dieser springt mit einem Prügel In dem finstern Saal herum, Schlägt um sich, zerstösst den Spiegel, Stolpert über ein'ge Späne Und zerbricht zwo Reihen Zähne ; Blinder Eifer schadet nur! 10 20 |