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Zusammen! Jeder Augenblick ist theuer,
Und unsre Rückkehr hängt an zarten Fäden,
Die, scheint es, eine günst'ge Parze spinnt.

Orest (zu Iphigenien).

Lass mich zum erstenmal mit freiem Herzen

In deinen Armen reine Freude haben!
Ihr Götter, die mit flammender Gewalt
Ihr schwere Wolken aufzuzehren wandelt,
Und gnädig-ernst den lang' erflehten Regen
Mit Donnerstimmen und mit Windesbrausen
In wilden Strömen auf die Erde schüttet;
Doch bald der Menschen grausendes Erwarten
In Segen auflöst und das bange Staunen
In Freudeblick und lauten Dank verwandelt,
Wenn in den Tropfen frischerquickter Blätter
Die neue Sonne tausendfach sich spiegelt,
Und Iris freundlich bunt mit leichter Hand
Den grauen Flor der letzten Wolken trennt ;
O lasst mich auch in meiner Schwester Armen,
An meines Freundes Brust, was ihr mir gönnt,
Mit vollem Dank geniessen und behalten.
Es löset sich der Fluch, mir sagt's das Herz.
Die Eumeniden ziehn, ich höre sie,
Zum Tartarus und schlagen hinter sich
Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu.
Die Erde dampft erquickenden Geruch
Und ladet mich auf ihren Flächen ein,
Nach Lebensfreud' und grosser That zu jagen.

Pylades.

Versäumt die Zeit nicht, die gemessen ist!

ΤΟ

20

Der Wind, der unsre Segel schwellt, er bringe

Erst unsre volle Freude zum Olymp.

30

Kommt! Es bedarf hier schnellen Rath und Schluss.

[blocks in formation]

Des Menschen, der die Welt durchstreift

Voll Unmuth und Verdruss,

Nach Osten und nach Westen schweift,

Weil er dich lassen muss.

10

20

Mir ist es, denk' ich nur an dich,
Als in den Mond zu sehn ;

Ein stiller Friede kommt auf mich,

Weiss nicht wie mir geschehn,

20.

AN DEN MOND.

Füllest wieder Busch und Thal

Still mit Nebelglanz,

Lösest endlich auch einmal

Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild

Lindernd deinen Blick,

Wie des Freundes Auge mild

Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh-und trüber Zeit,

Wandle zwischen Freud' und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fliesse, fliesse, lieber Fluss!

Nimmer werd' ich froh,

So verrauschte Scherz und Kuss,

Und die Treue so.

Ich besass es doch einmal,

Was so köstlich ist!

Dass man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergisst!

Rausche, Fluss, das Thal entlang,
Ohne Rast und Ruh',

Rausche, flüstre meinem Sang

Melodien zu.

Wenn du in der Winternacht

Wüthend überschwillst,

Oder um die Frühlingspracht

Junger Knospen quillst.

ΙΟ

20

30

Selig, wer sich vor der Welt

Ohne Hass verschliesst,

Einen Freund am Busen hält

Und mit dem geniesst,

Was von Menschen nicht gewusst

Oder nicht bedacht,

Durch das Labyrinth der Brust

Wandelt in der Nacht.

21.

DER FISCHER.

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,

Ein Fischer sass daran,

Sah nach dem Angel ruhevoll,

Kühl bis ans Herz hinan.

Und wie er sitzt und wie er lauscht,

Theilt sich die Fluth empor;

Aus dem bewegten Wasser rauscht

Ein feuchtes Weib hervor.

Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
Was lockst du meine Brut

Mit Menschenwitz und Menschenlist
Hinauf in Todesgluth?

Ach wüsstest du, wie's Fischlein ist

So wohlig auf dem Grund,

Du stiegst herunter wie du bist,
Und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenathmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?

Lockt dich der tiefe Himmel nicht,

Das feuchtverklärte Blau?

Lockt dich dein eigen Angesicht

Nicht her in ew'gen Thau?

10

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30

Das Wasser rauscht' das Wasser schwoll,
Netzt' ihm den nackten Fuss;

Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,

Wie bei der Liebsten Gruss.

Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;

Da war's um ihn geschehn:

Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
Und ward nicht mehr gesehn.

22.

ERLKÖNIG.

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Es ist der Vater mit seinem Kind;

Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht ?—
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?

Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

'Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
'Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir;
'Manch' bunte Blumen sind an dem Strand!
'Meine Mutter hat manch' gülden Gewand.'—
Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht ?-
Sey ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind.-

'Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
'Meine Töchter sollen dich warten schön ;
'Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn,

'Und wiegen und tanzen und singen dich' ein.'

10

20

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort?—

30

Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau;

Es scheinen die alten Weiden so grau.

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