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Allein sein altes teutsch steht ihm zu sehr im Licht.
Ein Sächsisch Auge sieht den schönen Innhalt nicht.
Erassmus hatte längst die München-Brut der Hunnen1
Vom Schauplatz weggeschreckt, die Kunst war schon ersonnen,
Dadurch man Wort und Red in Erzt und Messing giesst,
Dadurch die Wissenschafft der Vorwelt sich entschliesst.
So weit kam teutsche List 2. Drauf sah man die Camönen
Sich auch die kalte Lufft in Norden angewöhnen.

Die Künste fanden sich von selber wieder ein;

Der Seelen ihr Geschmack, die Urtheils-Krafft, ward rein,
Geschwind und ohne Müh, nachdem man von den Alten
Desselben wahre Schnur und rechtes Mass erhalten.
Gemach legt auch die Sprach ihr wüstes Wesen ab,
Und wuchse schöner auf, nach Richtschnur, Mass und Stab.
Doch langsam und mit Müh, inmassen der Gelehrte
Das ewige Latein mit mehrer Frucht verehrte.
Als wann das teutsche nur für Hand-Geschäffte wär,
Für weiblichen Verstand, an Kraft und Anmuth leer.
Bis Opitz zeigete dass nur ein Kopf der Sprache,
Die reiche Redens-Art und Nachdruck nicht gebrache,
Dass sie gelenckig ist, Verstellung leiden kan,

Nicht starr an Hals und Stirn, dass sie bald Himmel-an
In prächtiger Gestalt ansehnlich-edel steiget,

Bald ohne Niedrigkeit sich wider Erd-wärts neiget,
Und Ziel und Mass behält, und einer Schüssel gleich,
Die auch an niedlichen und warmen Speisen reich.
Versteh alsdann allein, wann Opitz in ihr dencket.
Gib acht wie sein Gedicht sich so verschieden lencket,
Nachdem's die Regung heisst, die er entzünden will;
Wie er befliessen folgt dem vorgesetzten Ziel!

2.

Wie wann der Phönix jezt nach dem Egypt'schen Theben
Den Flug gerichtet hat, zu legen Geist und Leben,
Das ganze Vogel-Heer ihn voll Verwundern sieht,

So seltsam an Gestalt, an Farbe, Kraft, Gemüth:

1 Barbaren.

VOL. II.

2 Kunst.

je nachdem es die Regung verlangt.

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So sah man damahls auch den ein'gen1 Opitz fliegen,

Und auf der Flügel Krafft sich wohlbedächtig triegen.

Gryph, Tscherning, Flemming, Rist, von Abschatz, Mühlpfort,
Dach,

Und zehen andre mehr sahn ihm begierig nach,
Ermunterten sich offt und spannten ihr Gefieder;
Umsonst, der Cörper zog den Geist zur Erden nieder.

Sie stellen hier und dar an eines Verses Bord

Ein wohl-geschildert Bild, ein glücklich-kühnes Wort,
Man sieht sie manchem Ding, Geist, Thun und Wesen geben,
Das sonst unwesentlich, unthätig, leer an Leben ;
Dadurch sticht ihr Gedicht mit schimmer-reichem Glantze,
Da man's nicht hofft, hervor, allein wo bleibt das gantze?
Ob die Gedancken wahr, so sind sie auch gemein,
Die Neigung ist nicht hoch. Der Vers ist vielleicht rein,
Nach Zahlen, Mass, Gewicht, kunstmässig abgemessen,
Wär in dem Inhalt nicht Zahl, Mass, Gewicht, vergessen.
Kopf, Fuss und Glieder sind einander selten gleich;
An Wörtern sind sie mehr, als an Gedancken reich.
Fehrn ists, dass selbige sich in einander sencken,
Sie geben euch nichts heim zu fühlen noch zu dencken,
Dieweil es ihnen fehlt an Philosophschen Geist,
Der den Poeten erst in seinen Vortheil weisst,
Bis auf den innern Grund der Dinge durchzudringen.
Daran war Opitz reich und zog aus allen Dingen
Der Wahrheit schönste Zierd und beste Kraft herbey;
Dadurch ward sein Gedicht inwendig schön und neu.
Die andern fliegen auf, damit sie plözlich fallen,
An eignem Leben leer, gleich aufgeschlagnen Ballen.
Gryph wusste noch nicht wohl, was recht zu wissen ist,

Eh man die Satzungen des Trauer-Spieles list,
Wie durch Beschreibungen die Sachen auszudähnen ;
Wie künstlich aufzuziehn, wie artig zu beschönen ;

Wodurch das süsse Leid und Schrecken sich erweckt;

Durch was für Schlüssel man des Herzens Spring entdeckt.

1 einzigen.

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Geschweige, dass er sich bemühte einzusehen,
Auf was für einem Grund die Trauer-Spiele stehen,
Was ihre Kunst befiehlt, was sie für Reglen liebt,

Was sie für Art und Mass dem Ding und Umstand giebt.
Er wusste nicht, dass sie von viel verschiednen Stücken,
Die künstlich eingelegt sich fein zusammen schicken,
Nur ein Gewebe webt, nur einen Cörper schleusst,
An welchem jedes Glied nett in das andre fleusst,
Der ungeheuer wird, wie Missgeburten lassen,
Wann alle Theile nicht genau zusammen passen.

Ein zorniges Gestirn hat Waldau1 hergebracht,
Der Schlessischen Marin2, der frech und unbedacht,
Von Opitz sichrem Gleiss begunte auszugleiten,
Er wandte sich von ihm, jedoch zur lincken Seiten,
Und sah sich unverwarnt auf einem duncklen Weg,
Lieff in der Irr herum, durch Dornbusch und Gehäg,
Nach einem falschen Schein. Er ward zuerst verleitet,
Hernach verführt' er selbst; Sein Irrthum ward verbreitet,
Und steckte Teutschland an, dass bis auf diesen Tag
Der Schuler sich davon nicht leicht befreyen mag.
Ihm fehlt es an Verstand, den Geist geschickt zu lencken,
Und in die Fabel selbst der Wahrheit Schein zu sencken,
Das schönste, zierlichste, von Bildern einzusehn
Und was gemein und schlecht mit Fleiss vorbeyzugehn.
Bey ihm bekam der Geist den Rang vor dem Verstande,
Dass er an Wahrheit statt ein Sinnen-Spiel erfande,
Und auf wahrscheinliches, das noch erträglich war,
Umstände bauete, die falsch sind offenbahr.
Er pflanzt Metaphoren aus metaphorschen Worten.
Hier wird er ungereimt, und unerträglich dorten.
Hat er einst für ein Ding ein ähnlich Bild erdacht,
Und statt des rechten Worts ein fremdes angebracht,
Was dann vor Sachen sich im Bilde nur eräugnen3,
Die hält er sich befugt dem Urbild zuzueignen,
Gesetzt dass sie sich nur in einem ähnlich seyn,
Gesetzt sie haben sonst zusammen nichts gemein;
1 Hoffmanns waldau.

2 Marino.

3 ereignen, zeigen.

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Ist stets an Tropis reich, wann er sie stets vergeudet
Und ohne Ziel und Mass das Ding und Wort verkleidet.
Er hüllet die Begriff in Gleichniss und Figur,

Als einen Kercker ein, verbirgt uns die Natur,

Und meidt die Deutlichkeit, die uns nichts fremdes bringet,
Die uns mit Bantams Wahr1 nicht in Verwundrung singet.
Mit solchem falschen Witz düngt Hofmann sein Gedicht,
Und weis't wie Janus Kopf ein doppeltes Gesicht.
Indessen prangt' er hoch mit dem gemischten Witze
Und setzte sich voll Wahn auf des Parnassus Spitze.
Bewundrer fehlten nicht; der hochgefärbte Schein
Nahm bald das junge Volck von leichten Sinnen ein.
Den Lohenstein zuerst, der von dem Neid besessen
Den Krantz ihm von dem Haubt zu reissen sich vermessen,
Und in dem Eifer-Streit, zu seiner eignen Schand,
(Verlust war ruhmlicher) unglücklich überwand.

Er braucht ein Gleichniss nicht zu einem Leitungs-Faden,
Nein, sondern nur den Kopf der Bürde zu entladen,
Wormit die Wissenschafft, die drinnen ungeschickt
Auf einem Hauffen liegt, die schwache Hirnschal drückt.
Und was noch fremder ist, er brauchts zu überführen,
Den zweiflenden Verstand dadurch mit Macht zu rühren,
Obs gleich nicht auf dem Grund einförmger Sachen ruht,
Wie ein unstreitiges bekanntes Beyspiel thut.

Es ist ein leichtes Ding dergleichen umzukehren,
Sich darmit wieder den, der sie erfand, zu wehren.
Ein solches Gleichniss ist vielmehr ein Ungleichniss,
Und fället einen Mann mit seinem eignen Spiess.
Nach solchen nur allein ist Lohsteins Sinn gerichtet,
Es sey, dass er ein Spiel von Traurenden erdichtet,
Das in dem innersten das Hertz erschüttern soll,
So ists an Seufzer statt von Gleichniss-Wörtern voll;
Es sey, dass Marc-Anton, dass Sophonisba sprechen,
Pflegt unterm Umhang stets er selbst hervorzustechen.
Sie zeigen Lohensteins gelehrte Schul-Figur

In seiner eigenen unlaugbaren Natur.

1 mit indischen Kostbarkeiten, orientalischen Vergleichungen.

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Als seine dunckle Sprach' in Kissling-harten1 Thönen
Auf dem Parnass erklang, erschracken die Camönen,
Die Furcht ergriffe sie, dass Meister Klingsohr2 käm,
Und einen Überfall des Berges unternähm.

Sie flohen Schrecken-voll auf dessen beyde Spitzen
Und liessen Lohenstein in seinen Sümpfen sitzen.

Mit Lohsteins Wissenschaft, doch sittsamer an Geist,
Kam Postel an den Fluss, der vom Parnassus fleusst,
Homer, Euripides, nebst dem Virgil und Tassen,

Und andre Dichter mehr, die an dem Huf-Quell sassen,
Entzündten sein Gemüth, und führten ihm die Hand;
Umsonst, dieweil ihm Bley gefesselt den Verstand.
Er hat den Gratien kein Opfer abgeschlachtet,
Und ihre holde Macht aus Kaltsinn nur verachtet.
Der Dinge gleiche Reyh und wohl-gestimmte Welt,
Die Tasso nach Homer schön in einander hält,
Hat Postel aufgelösst, das Theil vom Theil getrennet,
Dass jedes wiederum im ersten Chaos rennet.
Was dorten Wage-Recht nach Spur und Bleymass steht,
Sich nach Gesetzen fügt und sondert, kommt und geht,
Verliehrt hier Spuhr und Ziel. Man geb ihm Ottoberten*,
Von Hochbergs albern Sohn, zum kleineren Gefehrten.

Auch du o Amthor 5 bist von Lohsteins Stamm und Hauss
Ein nicht geringes Haubt, doch siehst du mager aus,
Wann sich dein kleiner Kopf mit Marons Helme decket;
Wie wann ein Liebes-Geck das welcke Haupt verstecket
In einen Wald von Haar. Die Stimm ist leiss und matt.
Wir greiffen lauter Schwulst und Wind an Fleisches statt
Diess sind die Häubter nun die weit und breit regierten,
Und eine lange Reyh auf ihren Irrthum führten,

I hart wie Kieselstein.

....

* Klinsor, ein im Wartburgkriege erwähnter Dichter. Christian Heinrich Postel (1658-1705), Dichter und Übersetzer von Opern, epischen Gedichten u. s. w.; von Wernicke als Lohensteinianer angegriffen, von Hunold vertheidigt.

Wolf Helmhardt von Hochberg (1612-1686), verfasste einen poetischen Ritterroman Habsburgischer Ottobert', in demselben Stile als Postel's Grosser Wittekind'.

lyrischer Dichter, 1678-1721.

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