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Uns beyden ja geholffen!-Dass ich aber
Dir alle meine Baarschaft nicht kann schicken,
Das macht der junge Tempelherr. Du kennst
Ihn ja. Ihm hab' ich eine grosse Post
Vorher noch zu bezahlen.

Saladin.

Tempelherr?

Du wirst doch meine schlimmsten Feinde nicht
Mit deinem Geld' auch unterstützen wollen?

Nathan.

Ich spreche von dem einen nur, dem du

Das Leben spartest . . .

...

Saladin.

Ah! woran erinnerst

Du mich!-Hab' ich doch diesen Jüngling ganz
Vergessen!-Kennst du ihn ?-Wo ist er?

Nathan.

Wie?

So weisst du nicht, wie viel von deiner Gnade
Für ihn, durch ihn auf mich geflossen? Er,
Er mit Gefahr des neu erhaltnen Lebens,
Hat meine Tochter aus dem Feu'r gerettet.

Saladin.

Er? Hat er das?-Ha! darnach sah er aus.
Das hätte traun mein Bruder auch gethan,
Dem er so ähnelt!-Ist er denn noch hier?
So bring ihn her!-Ich habe meiner Schwester
Von diesem ihren Bruder, den sie nicht
Gekannt, so viel erzählet, dass ich sie

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Sein Ebenbild doch auch muss sehen lassen!-
Geh, hohl ihn!-Wie aus Einer guten That,
Gebahr sie auch schon blosse Leidenschaft,
Doch so viel andre gute Thaten fliessen!
Geh, hohl ihn !

Nathan. (indem er Saladins Hand fahren lässt.)
Augenblicks! Und bey dem andern

Bleibt es doch auch? (ab.)

Saladin.

Ah! dass ich meine Schwester

IO

Wie soll ich alles das ihr nun erzählen?

Nicht horchen lassen!-Zu ihr zu ihr !-Denn

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Ich habe die erste Hälfte dieses Aufsatzes in meinen Beyträgen 20 bekannt gemacht. Itzt bin ich im Stande, das Uebrige nachfolgen zu lassen.

Der Verfasser hat sich darinn auf einen Hügel gestellt, von welchem er etwas mehr, als den vorgeschriebenen Weg seines heutigen Tages zu übersehen glaubt.

Aber er ruft keinen eilfertigen Wanderer, der nur das Nachtlager bald zu erreichen wünscht, von seinem Pfade. Er verlangt nicht, dass die Aussicht, die ihn entzücket, auch jedes andere Auge entzücken müsse.

Und so, dächte ich, könnte man ihn ja wohl stehen und staunen 30 lassen, wo er stehet und staunt!

Wenn er aus der unermesslichen Ferne, die ein sanftes Abendroth seinem Blicke weder ganz verhüllt noch ganz entdeckt, nun gar einen Fingerzeig mitbrächte, um den ich oft verlegen gewesen?

Ich meyne diesen.-Warum wollen wir in allen positiven Religionen nicht lieber weiter nichts, als den Gang erblicken, nach welchem sich der menschliche Verstand jedes Orts einzig und allein entwickeln können, und noch ferner entwickeln soll; als über eine derselben entweder lächeln oder zürnen? Diesen unsern Hohn, diesen unsern Unwillen, verdiente in der besten Welt nichts und nur die Religionen sollten ihn verdienen? Gott hätte seine Hand bey allem im Spiele: nur bey unsern Irrthümern nicht?

§ 1. Was die Erziehung bey dem einzeln Menschen ist, ist die 10 Offenbarung bey dem ganzen Menschengeschlechte.

§ 2. Erziehung ist Offenbarung, die dem einzeln Menschen geschieht und Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlechte geschehen ist, und noch geschieht.

§ 3. Ob die Erziehung aus diesem Gesichtspunkte zu betrachten, in der Pädagogik Nutzen haben kann, will ich hier nicht untersuchen. Aber in der Theologie kann es gewiss sehr grossen Nutzen haben, und viele Schwierigkeiten heben, wenn man sich die Offenbarung als eine Erziehung des Menschengeschlechts vorstellet.

§ 4. Erziehung giebt dem Menschen nichts, was er nicht auch aus sich selbst haben könnte: sie giebt ihm das, was er aus sich selber haben könnte, nur geschwinder und leichter. Also giebt auch die Offenbarung dem Menschengeschlechte nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst überlassen, nicht auch kommen würde: sondern sie gab und giebt ihm die wichtigsten dieser Dinge nur früher.

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§ 5. Und so wie es der Erziehung nicht gleichgültig ist, in welcher Ordnung sie die Kräfte des Menschen entwickelt; wie sie dem Menschen nicht alles auf einmal beybringen kann: eben 30 so hat auch Gott bey seiner Offenbarung eine gewisse Ordnung, ein gewisses Maass halten müssen.

§ 6. Wenn auch der erste Mensch mit einem Begriffe von einem Einigen Gotte sofort ausgestattet wurde: so konnte doch dieser mitgetheilte, und nicht erworbene Begriff, unmöglich lange in seiner Lauterkeit bestehen. Sobald ihn die sich selbst über

lassene menschliche Vernunft zu bearbeiten anfing, zerlegte sie den Einzigen Unermesslichen in mehrere Ermesslichere, und gab jedem dieser Theile ein Merkzeichen.

§ 7. So entstand natürlicher Weise Vielgötterey und Abgötterey. Und wer weiss, wie viele Millionen Jahre sich die menschliche Vernunft noch in diesen Irrwegen würde herumgetrieben haben; ohngeachtet überall und zu allen Zeiten einzelne Menschen erkannten, dass es Irrwege waren: wenn es Gott nicht gefallen hätte, ihr durch einen neuen Stoss eine bessere Richtung zu geben.

§ 8. Da er aber einem jeden einzeln Menschen sich nicht 10 mehr offenbaren konnte, noch wollte: so wählte er sich ein einzelnes Volk zu seiner besondern Erziehung; und eben das ungeschliffenste, das verwildertste, um mit ihm ganz von vorne anfangen zu können.

§ 9. Diess war das Israelitische Volk, von welchem man gar nicht einmal weiss, was es für einen Gottesdienst in Aegypten hatte. Denn an dem Gottesdienste der Aegyptier durften so verachtete Sklaven nicht Theil nehmen: und der Gott seiner Väter war ihm gänzlich unbekannt geworden.

§ 10. Vielleicht, dass ihm die Aegyptier allen Gott, alle Götter 20 ausdrücklich untersagt hatten; es in den Glauben gestürzt hatten, es habe gar keinen Gott, gar keine Götter; Gott, Götter haben, sey nur ein Vorrecht der bessern Aegyptier; und das, um es mit so viel grösserm Anscheine von Billigkeit tyrannisiren zu dürfen.— Machen Christen es mit ihren Sklaven noch itzt viel anders?—

§ 11. Diesem rohen Volke also liess sich Gott anfangs blos als den Gott seiner Väter ankündigen, um es nur erst mit der Idee eines auch ihm zustehenden Gottes bekannt und vertraut zu machen.

§ 12. Durch die Wunder, mit welchen er es aus Aegypten führte, 30 und in Kanaan einsetzte, bezeugte er sich ihm gleich darauf als einen Gott, der mächtiger sey, als irgend ein andrer Gott.

§ 13. Und indem er fortfuhr, sich ihm als den Mächtigsten von allen zu bezeugen-welches doch nur einer seyn kann,-gewöhnte er es allmälig zu dem Begriffe des Einigen.

§ 14. Aber wie weit war dieser Begriff des Einigen, noch unter dem wahren transcendentalen Begriffe des Einigen, welchen die

Vernunft so spät erst aus dem Begriffe des Unendlichen mit Sicherheit schliessen lernen!

§ 15. Zu dem wahren Begriffe des Einigen-wenn sich ihm auch schon die Besserern des Volks mehr oder weniger näherten--konnte sich doch das Volk lange nicht erheben : und dieses war die einzige wahre Ursache, warum es so oft seinen Einigen Gott verliess, und den Einigen, d. i. Mächtigsten, in irgend einem andern Gotte eines andern Volks zu finden glaubte.

§ 16. Ein Volk aber, das so roh, so ungeschickt zu abgezognen Gedanken war, noch so völlig in seiner Kindheit war, was war es 10 für einer moralischen Erziehung fähig? Keiner andern, als die dem Alter der Kindheit entspricht. Der Erziehung durch unmittelbare sinnliche Strafen und Belohnungen.

men.

§ 17. Auch hier also treffen Erziehung und Offenbarung zusamNoch konnte Gott seinem Volke keine andere Religion, kein anders Gesetz geben, als eines, durch dessen Beobachtung oder Nichtbeobachtung es hier auf Erden glücklich oder unglücklich zu werden hoffte oder fürchtete. Denn weiter als auf dieses Leben gingen noch seine Blicke nicht. Es wusste von keiner Unsterblichkeit der Seele; es sehnte sich nach keinem künftigen Leben. Ihm 20 aber nun schon diese Dinge zu offenbaren, welchen seine Vernunft noch so wenig gewachsen war: was würde es bey Gott anders gewesen seyn, als der Fehler des eiteln Pädagogen, der sein Kind lieber übereilen und mit ihm prahlen, als gründlich unterrichten will.

§ 18. Allein wozu, wird man fragen, diese Erziehung eines so rohen Volkes, eines Volkes, mit welchem Gott so ganz von vorne anfangen musste ? Ich antworte: um in der Folge der Zeit einzelne Glieder desselben so viel sichrer zu Erziehern aller übrigen Völker brauchen zu können. Er erzog in ihm die künftigen Erzieher des 30 Menschengeschlechts. Das wurden Juden, das konnten nur Juden werden, nur Männer aus einem so erzogenen Volke.

§ 19. Denn weiter. Als das Kind unter Schlägen und Liebkosungen aufgewachsen und nun zu Jahren des Verstandes gekommen war, stiess es der Vater auf einmal in die Fremde; und hier erkannte es auf einmal das Gute, das es in seines Vaters Hause gehabt und nicht erkannt hatte.

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