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XXII

Der Beschluß des Bundesrates in betreff der Unterdrückung der Schriften des jungen Deutschland erstickte nicht bloß die angekündigte Deutsche Revue“ in der Geburt; auch Mundts in Leipzig erscheinender „Litterarischer Zodiacus" und Laubes „Mitternachtszeitung", die in Braunschweig herauskommen sollte, mußten ihr Erscheinen einstellen. Mundt hatte sich vergebens mit all der Tapferkeit eines vorsichtigen Mannes gleich nach Menzels ersten Angriffen auf Guzkow und dessen Freunde beeilt, eine Reihe scharfer Artikel gegen Heine, Guzkow und Wienbarg zu bringen. Es nügte ihm nichts.

In der nächstfolgenden Zeit sah es aus, als bezwecke der Bundesbeschluß nicht bloß alles das zu treffen, was die geächteten Schriftsteller bisher geschrieben, sondern auch alles, was sie etwa in Zukunft herauszugeben beabsichtigen könnten. So hieß es ausdrücklich in einem preußischen Ministerialreskript vom 11. Dezember 1835, was H. Heines zukünftige Schriften betrifft, so sind dieselben, in welcher Sprache sie immer herauskommen mögen, den gleichen Bestimmungen zu unterwerfen, wie Guzkows, Wienbargs, Laubes und Mundts Schriften“. Ja, man ging nicht allein darauf aus, die genannten Schriftsteller gänzlich zum Schweigen zu bringen, man verbot wie in Rußland, wenn die Regierung jemandem an den Leib will überhaupt im Druck ihren Namen zu nennen, sei es auch nur, um sich in geringschäßiger Weise über sie auszulassen. Mundts Name wurde daher aus der Mitarbeiterliste der

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„Berliner Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik“ gestrichen, und in den Ankündigungen der von Mundt und Varnhagen veranstalteten Ausgabe von Knebels litterarischem Nachlasse durfte nur Varnhagen als Herausgeber genannt werden.

Besonders strenge Maßregeln wurden zugleich gegen die ausländische Presse ergriffen. Einige wenige unschuldige englische und französische Blätter wurden gestattet. Gegen die übrigen griff man zu dem Auswege, das gleiche Postporto wie für Briefe für sie zu erheben, wodurch der Preis einer jeden Zeitung sich auf mindestens 500 Thaler jährlich belief.1

Die leitenden Männer des jungen Deutschland wurden auf diese Weise vor die Zwangswahl gestellt, entweder vollständig zu verstummen und in schweigendem Troß ihre Zeit abzuwarten, oder ihre Vergangenheit zu verleugnen und durch demütigende Versprechungen hinsichtlich ihres zukünftigen Verhaltens sich andere Bedingungen zu erkaufen. Es wird niemand, der in bezug auf die Durchschnittsmannhaftigkeit in der litterarischen Welt Erfahrungen gemacht hat, wunder nehmen, daß nur sehr wenige die Probe bestanden, und umgekehrt die Zahl derer groß war, die zu dem lezteren Auskunftsmittel griffen. Weder Heine, Wienbarg, noch Guzkow beugten sich, im übrigen jedoch florierte gar üppig die Erbärmlichkeit. Scharen von jungen Schriftstellern hatten mit ihren philosophisch - revolutionären, politisch-oppositionellen Ideen stolz gethan. Nun beeilten sie sich, ihre philosophische Zahmheit und politische Unschädlichkeit an den Tag zu legen. Es war ein Ehrenname gewesen, dieser Name des jungen Deutschland. Nun, da diejenigen, die ihn trugen, sich unter spezielle polizeiliche Aufsicht gestellt sahen, mochte sich niemand zu ihm bekennen; nun behauptete ein jeder, er wenigstens gehöre nicht zu dieser Schule, und habe er jemals dazu gehört, so sei das eine alte, längst begrabene Geschichte, er sei seit= A. Strodtmann, H. Heines Leben und Werke. 1874. Zweiter Band, G. 174 flg.

her der anständigste Mensch der Welt geworden. Es zeigte sich hier, wie so häufig, daß die moderne gelehrte Erziehung nur obenhin Kenntnisse vermittelt, nicht aber Charaktere bildet, und am seltensten unter dem schreibenden Volk.

August Lewald, der in allem und jedem der Gruppe angehört hatte, erwirkte die Aufhebung des Verbotes seiner Zeitschrift „Europa“ nur durch die von ihm abgegebene Erklärung, nie etwas veröffentlicht zu haben, was dem Staate, der Religion oder den Sitten widerstreite. Verfolge das junge Deutschland derartige Tendenzen, so könne er demnach durch dieselben nicht kompromittiert sein. Eduard Duller, der als Guzkows Mitredakteur die Zeitung Phönix“ herausgegeben, verwahrte sich öffentlich dagegen, mit den Bestrebungen des jungen Deutschland irgendwie zu sympathisieren und sagte sich von der ganzen Richtung feines früheren Mitarbeiters los. Theodor Mundt gab die Erklärung ab, „die fabrizierte Kategorie", das junge Deutschland, sei ihm stets fremd gewesen, da es sich voraussehen ließ, daß eine solche Benennung früher oder später ein litterarischer Ekelname sein würde, ja in der Zueignung seiner neuen Zeitschrift „Dioskuren für Wissenschaft und Kunst“ betonte er, daß es sich den litterarischen Ausschweifungen der jüngsten Zeit gegenüber darum handle, eine Überzeugung an den Tag zu legen, worin nichts Verheerendes wuchert“.

Am mattherzigsten dürfte sich jedoch Heinrich Laube bezeigt haben, er, der von allen den Jungen der ungenierteste, herausfordernste gewesen, er, den Heine in einer Wendung, die nun lächerlich wurde, einen „jener Fechter, die nur in der Arena sterben" ge= nannt hatte. Früher als alle anderen gab er in der „Allgemeinen Zeitung" eine Erklärung ab, die darauf hinausging, daß er mit seinem Versprechen, Dr. Guzkow Beiträge für dessen neue Revue zu liefern, nie im Auge gehabt, Tendenzen des sogenannten jungen Deutschland zu fördern, welche darauf abzielten, die bestehende Zivilisation anzugreifen, geschweige denn sie zu zerstören oder zu

bedrohen. Er habe, im Gegenteil, von vornherein zu verstehen gegeben, daß eine eigentliche solidarische Teilnahme nicht nach seinem Sinne sei.

Am Neujahrstage 1836 schrieb er in dem Programm zur „Mitternachtszeitung", zu deren Herausgabe er sich die Erlaubnis gegen das Versprechen erwirkt hatte, nicht als Redakteur auf dem Blatte zu fungieren, er wäre ein anderer geworden: die Litteratur sei ihm nicht mehr ein Ausdruck für politische Wünsche, er wolle nicht Partei nehmen an den litterarischen Kämpfen des Augenblicks, an dem „Skandale, welcher sich tummelt mit wüster Stirn und ungewaschenen Gliedmaßen“. Nein, er trage sich schon seit langer Zeit mit dem Gedanken, eine neuromantische Schule" zu bilden und wolle bei dieser keine auflösenden, zerstörenden Elemente. Es gelte, dem Bestehenden förderlich zu sein, nicht aber ihm Krieg zu erklären. Er wolle sich zwar nicht Menzel anschließen (in der That!), aber auch mit den angegriffenen Leuten, mit diesem so= genannten jungen Deutschland können wir nicht gehen". Er, der der Ausgelassenste gewesen, zeigte sich als der Geschickteste, als es galt, umzusatteln.

Wie es nicht anders zu erwarten war, brachten nun die Blätter Tag für Tag neue Erklärungen aller derjenigen preußischen Universitätsprofessoren, die unvorsichtig genug gewesen waren, der deutschen Revue ihre Mitarbeiterschaft zuzusagen. Ulrici und Eduard Gans, Hotho, Rosenkranz und Trendelenburg, Hegelianer und Antihegelianer, wuschen sich einer nach dem andern von aller Mitschuld rein. Die Beamtenseele in ihnen war von Reue erfaßt. Sie wetteiferten darin, Guzkow so weit als möglich von sich wegzuweisen.

Heine, der nicht zu denen gehörte, die in einer schwierigen Lage den Mut oder den Kopf verlieren, und der teils infolge seines großen Rufes, teils durch die persönliche Sicherheit, die sein Aufenthalt im Auslande ihm gab, sich leichter als die anderen über

den Bannstrahl hinwegsehen konnte, antwortete auf das Verbot seiner Schriften mit einem unterm 28. Januar 1836 an den Bundestag gerichteten Schreiben, über dessen feierlichen Ton er sich unmittelbar darauf in einem wißigen Briefe an seinen Verleger lustig macht. Er spricht darin seine Verwunderung aus, ohne Verhör und ohne zu irgend welcher vorausgehenden Verteidigung Gelegenheit gehabt zu haben, verurteilt worden zu sein, und hält dem Bundestage vor, daß das heilige römische Reich nicht also gegen Martin Luther gehandelt habe, mit dem er sich zwar keineswegs vergleichen wolle, „allein der Schüler beruft sich gern auf das Beispiel des Meisters". Wenn er sich gegen etwas verwahre, so sei es allenfalls gegen die Meinung des Publikums, welches sein erzwungenes Stillschweigen (das er natürlich im stillen fest entschlossen war, baldmöglichst zu brechen) als das Eingeständnis strafwürdiger Tendenzen oder gar als ein Verleugnen seiner Schriften ansehen könnte.

An Laube, dessen Haltung ihm dazumal noch nicht bekannt war, schrieb er gleichzeitig, daß in den politischen Fragen vorläufig so viel Konzessionen gemacht werden könnten, als man nur immer wolle, denn die politischen Staatsformen wären gleichgültige Dinge, so lange der Kampf um die ersten Lebensprinzipien nicht entschieden sei. An der Diskussion über das religiöse Prinzip und die Moral aber müßten sie festhalten, da es sonst mit der ganzen protestantischen Denkfreiheit zu Ende sei. Wir haben gesehen, wie Laube, als sich die Notwendigkeit herausstellte, die Pfeife in den Sack zu stecken, es vorzog, alle Pfeifen auf einmal einzuziehen, die politische sowohl als die religiöse und moralische.

Ein kleiner Trost für die von der Denunziation Betroffenen war es, daß der Angeber nicht ungestraft sich der erreichten Resultate erfreuen konnte. Heine schrieb „Über den Denunzianten“ und Börne „Menzel, der Franzosenfresser“, eine Schrift, die mit Recht als seine wizigste und zugleich warmherzigste betrachtet wird. Der Heinesche Angriff war jedoch der schlimmere für Menzel, denn Heine

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