Page images
PDF
EPUB

dem religiösen Gebiete. Die Karikaturformen des Staatslebens, der Religion und der Poesie reizten zum Spott, der bald rücksichtslos die Vaterlandsliebe verlezte, bald einen leichtfertigen Ton an= schlug, welcher besonders bei der steten Hinweisung des Liberalismus auf Frankreich mehr französisch als deutsch war oder doch so er= scheinen mußte.

III

In den hervorragenden unter den freiheitsliebenden Dichtern. und Schriftstellern dieses Zeitalters werden verschiedene der jezt berührten Schattierungen personifiziert. Adalbert von Chamisso, der mit seiner berühmten Prosaerzählung „Peter Schlemihl" und überhaupt mit gewissen Seiten seines Wesens der deutschromantischen Richtung angehört, während er in anderer Hinsicht dem französischen Geiste und der französischen Dichtung nahe steht, ist in mehreren seiner eigentümlichsten Gedichte, ja sogar in seinen kleinen epigrammatischen Versen ein Organ für die Trostlosigkeit der Besten über die immer steigende politische und soziale Reaktion. Schon im Gedichte „Die goldene Zeit“ (1822) spottet er über ein Zeitalter, in welchem der ein Jakobiner ist, der öffentlich ausspricht, daß zwei und zwei vier sind; im „Nachtwächterlied" greift er die Jesuitenherrschaft an; in „Iosua“ und in dem „Dampfroß“ höhnt er diejenigen, die der Zeit ihr Geheimnis geraubt haben und es verstehen, sie von Tag zu Tag zurückzuschrauben. In dem „Gebet der Witwe" giebt er mit tiefem Pessimismus ein Bild des herzlosen und für das Schicksal des gemeinen Volkes völlig gleichgültigen Regiments der herrschenden Partei; endlich faßt er seine Grundansicht der damaligen Zeit in jene bitter humoristischen vier Zeilen, die sich wehmütig als ein mehrstimmiger Kettengesang präsentieren, zusammen.

Kanon.

Das ist die Not der schweren Zeit!

Das ist die schwere Zeit der Not!

Das ist die schwere Not der Zeit!

Das ist die Zeit der schweren Not!

In prinzipiellem Kampf mit der Romantik steht nach einem Jugendstreben, das sowohl durch die Wahl der Stoffe, wie durch die Nachbildung der Formen des spanischen Dramas romantisch war, Graf August von Platen-Hallermund. Er geiselt das lezte Aufflackern der Romantik in Deutschland, aber ohne den nötigen kritischen Takt, der erforderlich war, um zu unterscheiden, wer zur Gruppe der Romantiker gehöre und wer nicht; vom Litteraturdrama geht er zur politischen Lyrik über, nachdem es ihm mehr und mehr flar geworden, daß das Elend der öffentlichen Zustände die Grundursache sei, weshalb es dem deutschen Volke an Sinn für Kraft und Stil und Form auch in der Poesie fehle. Er vermag das Leben in Deutschland nicht auszuhalten; er nimmt seine Zuflucht zur sonnerfüllten Luft Siziliens und zu den füditalienischen Denkmälern der Antike, um die schwere Atmosphäre und den Druck des Staatsunwesens im heimischen Norden zu vergessen. Er kann gleichwohl seine Gedanken nicht von der Schande in der Heimat losreißen. Er schreibt sein Berliner Nationallied, das mit dem Chor eröffnet wird:

Diesen Kuß den Moskowiten,
Deren Nasen sind so schmuck;
Rom mit seinen Jesuiten
Nehme diesen Händedruck!

Und man findet bei ihm diesen bitteren Ausbruch von nationaler Selbstverachtung, niedergeschrieben in der Entrüstung darüber, daß seine Poesieen von der Zensur verhunzt werden:

Doch gicb, o Dichter, Dich zufrieden,

Es büßt die Welt nur wenig cin,

Du weißt es längst, man kann hienieden,
Nichts Schlechtres als ein Deutscher sein.

So romantisch Platens Gegner Heinrich Heine auch beginnt, so bricht durch seine Prosa doch bald der moderne Geist hindurch. Noch bevor er die eigentlich politische Saite angeschlagen, macht er sich in seinen Reisebildern" mit einem beißenden Spott über

deutsche Zustände und den deutschen Stumpfsinn, der sich darin fügt, lustig. Für Ludwig Börne, so rein ästhetisch er lange scheinen konnte, da er Jahrzehnte hindurch nur als Theaterkritiker und Verfasser von novellistischen Kleinigkeiten auftrat, bildete von Anfang an in Wirklichkeit die abstrakte politische Freiheitsliebe das einzige Interesse.

Daß diese Schriftsteller Leser und Bewunderer fanden, gicbt Zeugnis dafür, daß der denkende Teil des deutschen Volkes gegen Schluß der zwanziger Jahre seinen Autoritätsglauben sowohl auf dem politischen wie dem allgemein geistigen Gebiete ablegte. Um diese Zeit wurden die Verfolgungen der Burschenschaften mit leidenschaftlichstem Eifer betrieben. Sie wurden allerorten aufgelöst. Aber sie bildeten sich immer wieder von neuem, ja in einem einzelnen deutschen Staate, in Bayern, wurden sie beim Regierungsantritt des Königs Ludwig I. sogar von der Polizei erlaubt. In den Spaltungen, die zwischen ihnen entstanden, verraten sich die verschiedenen Strömungen, die damals das Volksgemüt durchzogen. In Erlangen bildeten sich von 1827 an drei gegeneinander feindlich gesinnte Verbindungen: Teutonia, Arminia und Germania.

Teutonia war das Organ der reinen Romantik, der religiösen Mystik, sie hatte sich als unbeteiligt an jeglicher Politik erklärt. Die Grundsäge der Arminia gingen auf strenge Sittlichkeit und wissenschaftliches Arbeiten aus; als das Ziel ihres Strebens bezeichnete sie die Umformung der öffentlichen Zustände mit der Einheit und Freiheit Deutschlands vor Augen. Germania schließlich entsprach der radikalen Strömung der Zeit. Sie hatte die Forderungen des älteren Tugendbundes in bezug auf strenge Sittlichkeit fallen lassen, hatte sich von allen Autoritäten und von jeglichem Autoritätsglauben, auch dem religiösen, losgesagt, und bekannte sich zu der Ansicht, daß das Ziel das auch für diese Verbindung Deutschlands Einheit und Freiheit war — nur durch Revolution erreicht werden könne. Obgleich sie ihrem Wesen nach rein politisch

war, kann man sich kaum zu geringe Gedanken über ihre Bedeutung und Gefährlichkeit machen.

Diese drei Grundrichtungen fanden sich bald an allen deutschen Universitäten repräsentiert, und bezeichnend genug ergriff diejenige, deren Repräsentant die Germania war, in der Regel die Gemüter am stärksten.

« PreviousContinue »