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Künstlers Fug und Recht.

Ein frommer Maler mit vielem Fleiß
Hatte manchmal gewonnen den Preis,'
Und manchmal ließ er's auch geschehn,
Daß er einem Bessern nach mußt' stehn;
Hatte seine Tafeln fortgemalt,

Wie man sie lobt, wie man sie bezahlt.
Da tamen einige gut hinaus;
Man baut ihn'n sogar ein Heiligenhaus.

Nun fand er Gelegenheit einmal,
Zu malen eine Wand im Saal;
Mit emsigen Zügen er staffirt,
Was öfters in der Welt passirt;
Zog seinen Umriß leicht und klar,
Man konnte sehn, was gemeint da war.
Mit wenig Farben er colorirt,
Doch so, daß er das Aug' frappirt.
Er glaubt es für den Plaß gerecht
Und nicht zu gut und nicht zu schlecht,
Daß es versammelte Herrn und Fraun
Möchten einmal mit Lust beschaun;
Zugleich er auch noch wünscht' und wollt,
Daß man dabei was denken sollt'.

Als nun die Arbeit fertig war,
Da trat herein manch Freundespaar,
Das unsers Künstlers Werke liebt',
Und darum desto mehr betrübt,

Daß an der losen leidigen Wand
Nicht auch ein Götterbildniß stand.
Die seßten ihn sogleich zur Red',
Warum er so was malen thät,
Da doch der Saal und seine Wänd'
Gehörten nur für Narrenhänd';

Er sollte sich nicht lassen verführen

Und nun auch Bänk' und Tische beschmieren;
Er sollte bei seinen Tafeln bleiben

Und hübsch mit seinem Pinsel schreiben;

Und sagten ihm von dieser Art

Noch viel Verbindlich's in den Bart.

Er sprach darauf bescheidentlich:
Eure gute Meinung beschämet mich.
Es freut mich mehr nichts auf der Welt,
Als wenn euch je mein Werk gefällt.
Da aber aus eigenem Beruf

Gott der Herr allerlei Thier' erschuf,

Daß auch sogar das wüste Schwein,

Kröten und Schlangen vom Herren seyn,

Und er auch manches nur ebauchirt,

Und gerade nicht alles ausgeführt

(Wie man den Menschen denn selbst nicht scharf Und nur en gros betrachten darf):

So hab' ich als ein armer Knecht
Vom fündlich menschlichen Geschlecht
Von Jugend auf allerlei Lust gespürt
Und mich in allerlei exercirt,
Und so durch Uebung und durch Glück
Gelang mir, sagt ihr, manches Stück.

Goethe, Gedichte.

26

Nun dächt' ich, nach vielem Rennen und Laufen
Dürft' einer auch einmal verschnaufen,

Ohne daß jeder gleich, der wohl ihm wollt',
Ihn 'nen faulen Bengel heißen sollt'.

Drum ist mein Wort zu dieser Frist,
Wie's allezeit gewesen ist:

Mit keiner Arbeit hab' ich geprahlt,

Und was ich gemalt hab', hab' ich gemalt.

Groß ist die Diana der Ephefer.

Apostelgeschichte 19, 30.

Zu Ephesus ein Goldschmied saß

In seiner Werkstatt, pochte,

So gut er konnt', ohn' Unterlaß,

So zierlich er's vermochte.

Als Knab' und Jüngling kniet' er schon

Im Tempel vor der Göttin Thron,

Und hatte den Gürtel unter den Brüsten,
Worin so manche Thiere nisten,

Zu Hause treulich nachgefeilt,
Wie's ihm der Vater zugetheilt;
Und leitete sein kunstreich Streben

In frommer Wirkung durch das Leben.

Da hört er denn auf einmal laut
Eines Gaffenvolkes Windesbraut,

Als gäb's einen Gott so im Gehirn,
Da hinter des Menschen alberner Stirn,
Der sey viel herrlicher als das Wesen,
An dem wir die Breite der Gottheit lesen.

Der alte Künstler horcht nur auf,

Läßt seinen Knaben auf den Markt den Lauf, Feilt immer fort an Hirschen und Thieren, Die seiner Gottheit Kniee zieren;

Und hofft, es könnte das Glück ihm walten, Ihr Angesicht würdig zu gestalten.

Will's aber einer anders halten,
So mag er nach Belieben schalten;
Nur soll er nicht das Handwerk schänden;
Sonst wird er schlecht und schmählich enden.

Antike.

Homer ist lange mit Ehren genannt,

Jetzt ward auch Phidias bekannt;
Nun hält nichts gegen beide Stich,
Darob ereifre niemand sich.

Seyd willkommen, edle Gäste,
Jedem ächten deutschen Sinn;
Denn das Herrlichste, das Beste,
Bringt allein dem Geist Gewinn.

Begeisterung.

Fassest du die Muse nur beim Zipfel,
Hast du wenig nur gethan;

Geist und Kunst, auf ihrem höchsten Gipfel,
Muthen alle Menschen an.

Typus.

Es ist nichts in der Haut,
Was nicht im Knochen ist.

Vor schlechtem Gebilde jedem graut,

Das ein Augenschmerz ihm ist.

Was freut denn jeden? Blühen zu sehn,

Das von innen schon gut gestaltet:

Außen mag's in Glätte, mag in Farben gehn, Es ist ihm schon voran gewaltet.

Modernes.

,,Wie aber kann sich Hans van Eyck.

Mit Phidias nur messen?"

Ihr müßt, so lehr' ich, alsogleich

Einen um den andern vergessen.

Denn wärt ihr stets bei Einer geblieben:

Wie könntet ihr noch immer lieben?
Das ist die Kunst, das ist die Welt,
Daß eins um's andere gefällt.

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