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Nun bin ich fern! Der jeßigen Minute

Was ziemt denn der? Ich wüßt' es nicht zu sagen;
Sie bietet mir zum Schönen manches Gute,
Das lastet nur, ich muß mich ihm entschlagen;
Mich treibt umber ein unbezwinglich Sehnen,
Da bleibt kein Rath als gränzenlose Thränen.

So quellt denn fort und fließet unaufhaltsam!
Doch nie geläng's die innre Gluth zu dämpfen!
Schon rast's und reißt in meiner Brust gewaltsam,
Wo Tod und Leben grausend sich bekämpfen.

Wohl Kräuter gäb's, des Körpers Qual zu stillen;
Allein dem Geist fehlt's am Entschluß und Willen,
Fehlt's am Begriff: wie sollt' er sie vermissen?
Er wiederholt ihr Bild zu tausendmalen.
Das zaudert bald, bald wird es weggerissen,
Undeutlich jezt, und jezt im reinsten Strahlen;
Wie könnte dieß geringstem Troste frommen?
Die Ebb' und Fluth, das Gehen wie das Kommen!

Verlaßt mich hier, getreue Weggenossen!

Laßt mich allein am Fels, in Moor und Moos,
Nur immer zu! euch ist die Welt erschlossen,
Die Erde weit, der Himmel hehr und groß;
Betrachtet, forscht, die Einzelheiten sammelt,
Naturgeheimniß werde nachgestammelt.

Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren,
Der ich noch erst den Göttern Liebling war;
Sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,
So reich an Gütern, reicher an Gefahr;

Sie drängten mich zum gabeseligen Munde,
Sie trennen mich, und richten mich zu Grunde.

Aussöhnung.

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Wer beschwichtigt

Die Leidenschaft bringt Leiden!
Beklommnes Herz, das allzuviel verloren?
Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt?
Vergebens war das Schönste dir erkoren!
Trüb' ist der Geist, verworren das Beginnen;
Die hehre Welt, wie schwindet sie den Sinnen!

Da schwebt hervor Musik mit Engelschwingen,
Verflicht zu Millionen Tön' um Töne,
Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,
Zu überfüllen ihn mit ew'ger Schöne:

Das Auge nezt sich, fühlt im höhern Sehnen,
Den Götterwerth der Töne wie der Thränen.

Und so das Herz erleichtert merkt behende,
Daß es noch lebt und schlägt und möchte schlagen,
Zum reinsten Dank der überreichen Spende

Sich selbst erwiedernd willig darzutragen.

Da fühlte sich

o daß es ewig bliebe! Das Doppelglück der Töne wie der Liebe.

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Acolsharfen.

Gespräch.

Er.

Ich dacht', ich habe keinen Schmerz,
Und doch war mir so bang um's Herz,
Mir war's gebunden vor der Stirn
Und hohl im innersten Gehirn

Bis endlich Thrän' auf Thräne fließt,
Verhaltnes Lebewohl ergießt.

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Ihr Lebewohl war heitre Ruh,
Sie weint wohl jezund auch wie du.
Sie.

Ja er ist fort, das muß nun seyn!
Ihr Lieben, laßt mich nur allein ;
Sollt' ich euch seltsam scheinen,
Es wird nicht ewig währen!

Jezt kann ich ihn nicht entbehren,

Und da muß ich weinen.

Er.

Zur Trauer bin ich nicht gestimmt
Und Freude kann ich auch nicht haben:
Was sollen mir die reifen Gaben,
Die man von jedem Baume nimmt!
Der Tag ist mir zum Ueberdruß,

Langweilig ist's, wenn Nächte sich befeuern;
Mir bleibt der einzige Genuß

Dein holdes Bild mir ewig zu erneuern,

Und fühltest du den Wunsch nach diesem Segen, Du tämest mir auf halbem Weg entgegen.

Sie.

Du trauerst, daß ich nicht erscheine,
Vielleicht entfernt so treu nicht meine,
Sonst wär' mein Geist im Bilde da.
Schmückt Jris wohl des Himmels Bläue?
Laß regnen, gleich erscheint die neue;
Du weinst! schon bin ich wieder da.

Er.

Ja du bist wohl an Iris zu vergleichen!
Ein liebenswürdig Wunderzeichen.

So schmiegsam herrlich, bunt in Harmonie,
Und immer neu und immer gleich wie sie.

Mai.

Leichte Silberwolken schweben
Durch die erst erwärmten Lüfte,
Mild, von Schimmer sanft umgeben,
Blickt die Sonne durch die Düfte;
Leise wallt und drängt die Welle
Sich am reichen Ufer hin;
Und wie reingewaschen, helle,
Schwankend hin und her und hin,
Spiegelt sich das junge Grün.

Still ist Luft und Lüftchen stille;
Was bewegt mir das Gezweige?
Schwüle Liebe dieser Fülle,

Von den Bäumen durch's Gesträuche.

Goethe, Gedichte.

23

Nun der Blick auf einmal helle, Sieh! der Bübchen Flatterschaar, Das bewegt und regt so schnelle, Wie der Morgen fie gebar, Flügelhaft sich Paar und Paar.

Fangen an das Dach zu flechten
Wer bedürfte dieser Hütte?
Und wie Zimmrer, die gerechten,
Bank und Tischchen in der Mitte!
Und so bin ich noch verwundert,
Sonne sinkt, ich fühl' es kaum;
Und nun führen aber hundert
Mir das Liebchen in den Raum,
Tag und Abend, welch ein Traum!

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