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Sie leuchtet mir freundlich und treu,
Wie durch des Nordlichts bewegliche Strahlen
Ewige Sterne schimmern.

Für ewig.

Denn was der Mensch in seinen Erdeschranken
Von hohem Glück mit Götternamen nennt,
Die Harmonie der Treue, die kein Wanken,
Der Freundschaft, die nicht Zweifelsorge kennt;
Das Licht, das Weisen nur zu einsamen Gedanken,
Das Dichtern nur in schönen Bildern brennt,
Das hatt' ich all' in meinen besten Stunden
In ihr entdeckt und es für mich gefunden.

Bwischen beiden Welten.

Einer Einzigen angehören,
Einen Einzigen verehren,

Wie vereint es Herz und Sinn!
Lida! Glück der nächsten Nähe,
William! Stern der schönsten Höhe,
Euch verdank' ich, was ich bin.
Tag' und Jahre sind verschwunden,
Und doch ruht auf jenen Stunden
Meines Werthes Vollgewinn.

Aus einem Stammbuch von 1604.

Hoffnung beschwingt Gedanken, Liebe Hoffnung.
In klarster Nacht hinauf zu Cynthien, Liebe!
Und sprich: Wie sie sich oben umgestaltet,
So auf der Erde schwindet, wächs't mein Glück.
Und wispere sanft-bescheiden ihr an's Ohr,
Wie Zweifel oft das Haupt hing, Treue thränte.
Und ihr Gedanken, mißzutraun geneigt,
Beschilt euch die Geliebte dessenthalb,

So sagt: ihr wechselt zwar, doch ändert nicht,
Wie sie dieselbe bleibt und immer wechselt.
Untrauen tritt in's Herz, vergiftet's nicht,
Denn Lieb' ist süßer, von Verdacht gewürzt.
Wenn sie verdrießlich dann das Aug' umwölkt,
Des Himmels Kläre widerwärtig schwärzt,
Dann Seufzerwinde scheucht die Wolken weg,
Thränt nieder sie in Regen aufzulösen.
Gedanke, Hoffnung, Liebe bleibt nur dort,
Bis Cynthia scheint, wie sie mir sonst gethan.

Um Mitternacht.

Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
Klein-kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin

Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern am Sterne
Sie leuchteten doch alle gar zu schön;

Um Mitternacht.

Wenn ich dann ferner, in des Lebens Weite,
Zur Liebsten mußte, mußte, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein' über mir im Streite,
Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
Um Mitternacht.

Bis dann zulet des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir in's Finstre drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
Sich um's Vergangne wie um's Künft'ge schlang;
Um Mitternacht.

Bei Betrachtung von Schillers Schädel.

Im ernsten Beinhaus war's, wo ich beschaute,
Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten;
Die alte Zeit gedacht' ich, die ergraute.
Sie stehn in Reih' geklemmt, die sonst sich haßten,
Und derbe Knochen, die sich tödtlich schlugen,
Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten.
Entrenkte Schulterblätter! Was sie trugen?
Fragt niemand mehr; und zierlich thät'ge Glieder,
Die Hand, der Fuß zerstreut aus Lebensfugen.
Jhr Müden also lagt vergebens nieder;

Nicht Ruh' im Grabe ließ man euch, vertrieben
Send ihr herauf zum lichten Tage wieder,
Und niemand kann die dürre Schale lieben,
Welch herrlich edlen Kern sie auch bewahrte.
Doch mir Adepten war die Schrift geschrieben,
Die heil'gen Sinn nicht jedem offenbarte,

Als ich in Mitten solcher starren Menge
Unschäßbar herrlich ein Gebild gewahrte,
Daß in des Raumes Moderkält' und Enge
Ich frei und wärmefühlend mich erquickte,
Als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge.
Wie mich geheimnißvoll die Form entzückte!
Die gottgedachte Spur, die sich erhalten!
Ein Blick, der mich an jenes Meer entrückte,
Das fluthend strömt gesteigerte Gestalten.

Geheim Gefäß! Orakelsprüche spendend,

Wie bin ich werth dich in der Hand zu halten? Dich höchsten Schaß aus Moder fromm entwendend, Und in die freie Luft, zu freiem Sinnen, Zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend. Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen Als daß sich Gott-Natur ihm offenbare, Wie sie das Feste läßt zu Geist verrinnen, Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.

Aus den Leiden des jungen Werthers.

1775.

Jeder Jüngling sehnt sich so zu lieben,
Jedes Mädchen so geliebt zu seyn;
Ach, der heiligste von unsern Trieben,
Warum quillt aus ihm die grimme Pein?

Du beweinst, du liebst ihn, liebe Seele,
Rettest sein Gedächtniß von der Schmach;
Sieh, dir winkt sein Geist aus seiner Höhle:
Sey ein Mann, und folge mir nicht nach.

Trilogie der Leidenschaft.

An Werther.

Noch einmal wagst du, vielbeweinter Schatten,
Hervor dich an das Tageslicht,

Begegnest mir auf neu beblümten Matten
Und meinen Anblick scheust du nicht.
Es ist als ob du lebtest in der Frühe,
Wo uns der Thau auf Einem Feld erquickt,
Und nach des Tages unwillkommner Mühe
Der Scheidesonne letter Strahl entzückt;
Zum Bleiben ich, zum Scheiden du, erkoren,
Gingst du voran und hast nicht viel verloren.

Des Menschen Leben scheint ein herrlich Loos:
Der Tag, wie lieblich, so die Nacht, wie groß!
Und wir gepflanzt in Paradieses Wonne,
Genießen kaum der hocherlauchten Sonne,
Da kämpft sogleich verworrene Bestrebung
Bald mit uns selbst und bald mit der Umgebung;
Keins wird vom andern wünschenswerth ergänzt,
Von außen düstert's, wenn es innen glänzt,
Ein glänzend Aeußres deckt mein trüber Blick,
Da steht es nah und man verkennt das Glück.

Nun glauben wir's zu kennen! Mit Gewalt
Ergreift uns Liebreiz weiblicher Gestalt;
Der Jüngling, froh wie in der Kindheit Flor,
Im Frühling tritt als Frühling selbst hervor,
Entzückt, erstaunt, wer dieß ihm angethan?
Er schaut umher, die Welt gehört ihm an.

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