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Nun lallt alles Volk entzückt die Sprache der Franken; Zürnet, Mächtige, nicht! Was ihr verlangtet, geschieht.

60.

„Seyd doch nicht so frech, Epigramme!" Warum nicht? Wir sind nur

Ueberschriften; die Welt hat die Capitel des Buchs.

61.

Wie dem hohen Apostel ein Tuch voll Thiere gezeigt ward, Rein und unrein, zeigt, Lieber, das Büchlein sich dir.

62.

Ein Epigramm, ob es wohl auch gut sey? Kannst du's entscheiden?

Weiß man doch eben nicht stets, was er sich dachte, der

63.

Schalt.

Um so gemeiner es ist, und näher dem Neide, der Miß

gunst;

Um so eher begreifst du das Gedichtchen gewiß.

64.

Chloe schwöret, sie liebt mich; ich glaub's nicht. Aber sie

liebt dich!

Sagt mir ein Kenner. Schon gut; glaubt' ich's, da wär' es vorbei.

65.

Niemand liebst du, und mich, Philarchos, liebst du so

heftig.

Ist denn kein anderer Weg, mich zu bezwingen, als der?

66.

Ist's denn so großes Geheimniß, was Gott und der Mensch und die Welt sey?

Nein! Doch Niemand hört's gerne; da bleibt es geheim.

67.

Vieles kann ich ertragen. Die meisten beschwerlichen Dinge Duld' ich mit ruhigem Muth, wie es ein Gott mir gebeut. Wenige sind mir jedoch wie Gift und Schlange zuwider; Viere: Rauch des Tabaks, Wanzen und Knoblauch und †.

68.

Längst schon hätt' ich euch gern von jenen Thierchen gesprochen,

Die so zierlich und schnell fahren dahin und daher. Schlängelchen scheinen sie gleich, doch viergefüßet; sie

laufen,

Kriechen und schleichen, und leicht schleppen die Schwänz

chen sie nach.

Seht, hier sind sie! und hier! Nun sind sie verschwunden! Wo sind sie?

Welche Rize, welch Kraut nahm die Entfliehenden auf? Wollt ihr mir's künftig erlauben, so nenn' ich die Thierchen Lacerten:

Denn ich brauche sie noch oft als gefälliges Bild.

69.

Wer Lacerten gesehn, der kann sich die zierlichen Mädchen

Denken, die über den Plaz fahren dahin und daher. Schnell und beweglich sind sie, und gleiten, stehen und

schwagen,

Und es rauscht das Gewand hinter den eilenden drein. Sieh, hier ist sie! und hier! Verlierst du sie einmal, so suchst du

Sie vergebens; so bald kommt sie nicht wieder hervor. Wenn du aber die Winkel nicht scheust, nicht Gäßchen und Treppchen,

Folg' ihr, weil sie dich lockt, in die Spelunke hinein!

Goethe, Gedichte.

16

70.

Was Spelunke nun sey, verlangt ihr zu wissen? Da wird ja

Fast zum Lerikon dieß epigrammatische Buch. Dunkele Häuser find's in engen Gäßchen; zum Kaffee Führt dich die Schöne, und sie zeigt sich geschäftig,

71.

nicht du.

Zwei der feinsten Lacerten, sie hielten sich immer zusammen; Eine beinahe zu groß, eine beinahe zu klein.

Siehst du beide zusammen, so wird die Wahl dir unmöglich; Jede besonders, fie schien einzig die schönste zu seyn.

72.

Heilige Leute, sagt man, sie wollten besonders dem Sünder Und der Sünderin wohl. Geht's mir doch eben auch so.

73.

Wär' ich ein häusliches Weib, und hätte was ich bedürfte, Treu seyn wollt' ich und froh, herzen und küssen den Mann.

So sang, unter andern gemeinen Liedern, ein Dirnchen Mir in Venedig, und nie hört' ich ein frömmer Gebet.

74.

Wundern kann es mich nicht, daß Menschen die Hunde so lieben;

Denn ein erbärmlicher Schuft ist, wie der Mensch, so der

75.

Hund.

Frech wohl bin ich geworden; es ist kein Wunder. Jhr

Götter,

Wißt, und wißt nicht allein, daß ich auch fromm bin

und treu.

76.

Hast du nicht gute Gesellschaft gesehn? Es zeigt uns dein Büchlein

Fast nur Gaukler und Volk, ja was noch niedriger ist. Gute Gesellschaft hab' ich gesehn, man nennt sie die gute, Wenn sie zum kleinsten Gedicht keine Gelegenheit giebt.

77.

Was mit mir das Schicksal gewollt? Es wäre verwegen, Das zu fragen; denn meist will es mit vielen nicht viel. . Einen Dichter zu bilden, die Absicht wär' ihm gelungen, Hätte die Sprache sich nicht unüberwindlich gezeigt.

78.

Mit Botanik giebst du dich ab? mit Optik? was thust du? Ist es nicht schönrer Gewinn, rühren ein zärtliches Herz? Ach, die zärtlichen Herzen! Ein Pfuscher vermag sie zu rühren ; Sey es mein einziges Glück, dich zu berühren, Natur!

79.

Weiß hat Newton gemacht aus allen Farben. Gar manches Hat er euch weis gemacht, das ihr ein Säculum glaubt.

80.

„Alles erklärt sich wohl," so sagt mir ein Schüler, „aus jenen

Theorien, die uns weislich der Meister gelehrt."

Habt ihr einmal das Kreuz von Holze tüchtig gezimmert, Baßt ein lebendiger Leib freilich zur Strafe daran.

81.

Wenn auf beschwerlichen Reisen ein Jüngling zur Liebsten sich windet,

Hab' er dieß Büchlein: es ist reizend und tröstlich zugleich; Und erwartet dereinst ein Mädchen den Liebsten, sie halte Dieses Büchlein, und nur, kommt er, so werfe sie's weg.

82.

Gleich den Winken des Mädchens, des eilenden, welches verstohlen

Im Vorbeigehn nur freundlich mir streifet den Arm, So vergönnt, ihr Musen, dem Reisenden kleine Gedichte: O, behaltet dem Freund größere Gunst noch bevor!

83.

Wenn, in Wolken und Dünste verhüllt, die Sonne nur trübe Stunden sendet, wie still wandeln die Pfade wir fort! Dränget Regen den Wandrer, wie ist uns des ländlichen Daches

Schirm willkommen! Wie sanft ruht sich's in stürmischer

Nacht!

Aber die Göttin kehret zurück; schnell scheuche die Nebel Von der Stirne hinweg! gleiche der Mutter Natur!

84.

Willst du mit reinem Gefühl der Liebe Freuden genießen, O, laß Frechheit und Ernst ferne vom Herzen dir seyn. Die will Amorn verjagen, und der gedenkt ihn zu fesseln; Beiden das Gegentheil lächelt der schelmische Gott.

85.

Göttlicher Morpheus, umsonst bewegst du die lieblichen

Mohne;

Bleibt das Auge doch wach, wenn mir es Amor nicht

86.

schließt.

Liebe flößest du ein, und Begier; ich fühl' es, und brenne. Liebenswürdige, nun flöße Vertrauen mir ein!

87.

Ha! ich kenne dich, Amor, so gut als einer! Da bringst du Deine Fackel, und sie leuchtet im Dunkel uns vor.

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