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Diese Gestalten, ich formte sie selbst! Verzeih' mir, ich prahle

Dießmal nicht; du gestehst, was ich dir sage, sey wahr. Nun du mir lässiger dienst, wo sind die schönen Gestalten, Wo die Farben, der Glanz deiner Erfindungen hin? Denkst du nun wieder zu bilden, o Freund? Die Schule der Griechen

Blieb noch offen, das Thor schlossen die Jahre nicht zu. Jch, der Lehrer, bin ewig jung, und liebe die Jungen. Altklug lieb' ich dich nicht! Munter! begreife mich wohl! War das Antike doch neu, da jene Glücklichen lebten !

Lebe glücklich, und so lebe die Vorzeit in dir! Stoff zum Liede, wo nimmst du ihn her? Ich muß dir ihn geben

Und den höheren Styl lehret die Liebe dich nur.“ Also sprach der Sophist. Wer widerspräch' ihm? und leider

Bin ich zu folgen gewöhnt, wenn der Gebieter befiehlt. Nun, verrätherisch hält er sein Wort, giebt Stoff zu Gefängen,

Ach! und raubt mir die Zeit, Kraft und Besinnung zugleich;

Blick und Händedruck, und Küsse, gemüthliche Worte, Sylben köstlichen Sinns wechselt ein liebendes Paar, Da wird Lispeln Geschwäß, wird Stottern liebliche Rede: Solch ein Hymnus verhallt ohne prosodisches Maaß. Dich, Aurora, wie kannt' ich dich sonst als Freundin der Musen?

Hat, Aurora, dich auch Amor, der lose, verführt? Du erscheinest mir nun als seine Freundin, und weckest Mich an seinem Altar wieder zum festlichen Tag.

Find' ich die Fülle der Locken an meinem Busen! das Köpfchen

Ruhet und drucket den Arm, der sich dem Halse bequemt.

Welch ein freudig Erwachen erhieltet ihr, ruhige Stunden, Mir das Denkmal der Lust, die in den Schlaf uns ge=

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Sie bewegt sich im Schlummer, und sinkt auf die Breite des Lagers

Weggewendet; und doch läßt sie mir Hand noch in Hand. Herzliche Liebe verbindet uns stets und treues Verlangen, Und den Wechsel behielt nur die Begierde sich vor. Einen Druck der Hand, ich sehe die himmlischen Augen Wieder offen. O nein! laßt auf der Bildung mich

ruhn!

Bleibt geschlossen! Ihr macht mich verwirrt und trunken,

ihr raubet

Mir den stillen Genuß reiner Betrachtung zu früh. Diese Formen wie groß! wie edel gewendet die Glieder! Schlief Ariadne so schön, Theseus, du konntest entfliehn? Diesen Lippen ein einziger Kuß! O Theseus, nun scheide! Blid' ihr ins Auge! sie wacht! Ewig nun hält sie

dich fest.

XIV.

Zünde mir Licht an, Knabe!

Noch ist es hell. Ihr

verzehret

Del und Docht nur umsonst. Schließet die Läden doch nicht!

Hinter die Häuser entwich, nicht hinter den Berg, uns die Sonne!

Ein halb Stündchen noch währt's bis zum Geläute der

Nacht."

Unglückseliger! geh und gehorch'! Mein Mädchen erwart' ich; Tröste mich, Lämpchen, indeß, lieblicher Bote der Nacht!

XV.

Cäsarn wär' ich wohl nie zu fernen Britannen gefolget,
Florus hätte mich leicht in die Popine geschleppt!
Denn mir bleiben weit mehr die Nebel des traurigen
Nordens,

Als ein geschäftiges Volk südlicher Flöhe verhaßt.
Und noch schöner von heut an seyd mir gegrüßet, ihr
Schenken,

Osterien, wie euch schicklich der Römer benennt; Denn ihr zeigtet mir heute die Liebste, begleitet vom Oheim, Den die Gute so oft, mich zu besigen, betrügt. Hier stand unser Tisch, den Deutsche vertraulich umgaben; Drüben suchte das Kind neben der Mutter den Play, Rückte vielmals die Bank, und wußt' es artig zu machen,

Daß ich halb ihr Gesicht, völlig den Nacken gewann. Lauter sprach sie, als hier die Römerin pfleget, credenzte,

Blickte gewendet nach mir, goß und verfehlte das Glas. Wein floß über den Tisch, und sie, mit zierlichem Finger,

Zog auf dem hölzernen Blatt Kreise der Feuchtigkeit hin. Meinen Namen verschlang sie dem ihrigen; immer begierig Schaut' ich dem Fingerchen nach, und sie bemerkte mich wohl.

Goethe, Gedichte.

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Endlich zog sie behende das Zeichen der römischen Fünfe Und ein Strichlein davor. Schnell, und sobald ich's gesehn, Schlang sie Kreise durch Kreise, die Lettern und Ziffern zu Löschen;

Aber die köstliche Vier blieb mir ins Auge geprägt. Stumm war ich sizen geblieben, und biß die glühende Lippe Halb aus Schalkheit und Lust, halb aus Begierde mir wund.

Erst noch so lange bis Nacht! dann noch vier Stunden zu warten!

Hohe Sonne, du weilst und du beschauest dein Rom. Größeres sahest du nichts und wirst nichts Größeres sehen, Wie es dein Priester Horaz in der Entzückung versprach. Aber heute verweile mir nicht, und wende die Blicke Von dem Siebengebirg früher und williger ab! Einem Dichter zu Liebe verkürze die herrlichen Stunden, Die mit begierigem Blick selig der Maler genießt; Glühend blicke noch schnell zu diesen hohen Façaden, Kuppeln und Säulen zuleßt und Obelisken herauf; Stürze dich eilig ins Meer, um morgen früher zu sehen, Was Jahrhunderte schon göttliche Lust dir gewährt: Diese feuchten mit Rohr so lange bewachs'nen Gestade,

Diese mit Bäumen und Busch düster beschatteten Höhn. Wenig Hütten zeigten sie erst; dann sahst du auf einmal Sie vom wimmelnden Volk glücklicher Räuber belebt. Alles schleppten sie drauf an diese Stätte zusammen; Kaum war das übrige Rund deiner Betrachtung noch werth.

Sahst eine Welt hier entstehn, sahst dann eine Welt hier in Trümmern,

Aus den Trümmern auf's neu fast eine größere Welt!

Daß ich diese noch lange, von dir beleuchtet, erblicke, Spinne die Parze mir flug langsam den Faden herab; Aber sie eile herbei, die schön bezeichnete Stunde! Glücklich! Hör' ich sie schon? Nein, doch ich höre schon Drei.

So, ihr lieben Musen, betrogt ihr wieder die Länge

Dieser Weile, die mich von der Geliebten getrennt. Lebet wohl! Nun eil' ich, und fürcht' euch nicht zu be leid'gen;

Denn, ihr Stolzen, ihr gebt Amorn doch immer den Rang.

XVI.

„Warum bist du, Geliebter, nicht heute zur Vigne ge=

kommen?

Einsam, wie ich versprach, wartet' ich oben auf dich.“

Beste, schon war ich hinein:

da sah ich zum Glücke den

Oheim

Neben den Stöcken, bemüht hin sich und her sich zu

drehn.

Schleichend eilt' ich hinaus! -,, welch ein Irrthum

ergriff dich!

Eine Scheuche nur war's, was dich vertrieb! Die Gestalt Flickten wir emsig zusammen aus alten Kleidern und Rohren; Emsig half ich daran, selbst mir zu schaden bemüht. Nun, des Alten Wunsch ist erfüllt, den losesten Vogel Scheucht' er heute, der ihm Gärtchen und Nichte bestiehlt."

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