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Jüngling.

Neigung, sage, wie hast du so tief
Im Herzen dich verstecket?

Wer hat dich, die verborgen schlief,
Gewecket?

Ach Liebe, du wohl unsterblich bist!
Nicht kann Verrath und hämische List
Dein göttlich Leben tödten.

Müllerin.

Liebst du mich noch so hoch und sehr,
Wie du mir sonst geschworen,

So ist uns beiden auch nichts mehr
Verloren.

Nimm hin das vielgeliebte Weib!
Den jungen unberührten Leib!

Es ist nun alles dein eigen!

Beide.

Nun, Sonne, gehe hinab und hinauf!

Ihr Sterne, leuchtet und dunkelt!

Es geht ein Liebesgestirn mir auf
Und funkelt.

So lange die Quelle springt und rinnt,
So lange bleiben wir gleichgesinnt,
Eins an des andern Herzen.

Wanderer und Pächterin.

Er.

Kannst du, schöne Pächtrin ohne gleichen, Unter dieser breiten Schattenlinde,

Wo ich Wandrer kurze Ruhe finde,
Labung mir für Durst und Hunger reichen?

Sie.

Willst du, Vielgereis'ter, hier dich laben:
Sauren Rahm und Brod und reife Früchte,
Nur die ganz natürlichsten Gerichte,
Kannst du reichlich an der Quelle haben.
Er.

Ist mir doch, ich müßte schon dich kennen,
Unvergeßne Zierde holder Stunden!

Aehnlichkeiten hab' ich oft gefunden;
Diese muß ich doch ein Wunder nennen.

Sie.

Ohne Wunder findet sich bei Wandrern
Oft ein sehr erklärliches Erstaunen.
Ja, die Blonde gleichet oft der Braunen;
Eine reizet eben, wie die andern.

Er.

Heute nicht, fürwahr, zum erstenmale
Hat mir's diese Bildung abgewonnen!
Damals war sie Sonne aller Sonnen
In dem festlich aufgeschmückten Saale.

Sie.

Freut es dich, so kann es wohl geschehen,
Daß man deinen Mährchenscherz vollende:
Purpurseide floß von ihrer Lende,

Da du sie zum erstenmal gesehen.

Er.

Nein, fürwahr, das hast du nicht gedichtet! Konnten Geister dir es offenbaren;

Von Juwelen hast du auch erfahren
Und von Perlen, die ihr Blick vernichtet.

Sie.

Dieses Eine ward mir wohl vertrauet:
Daß die Schöne, schamhaft zu gestehen,
Und in Hoffnung, wieder dich zu sehen,
Manche Schlösser in die Luft erbauet.

Er.

Trieben mich umher doch alle Winde!
Sucht' ich Ehr' und Geld auf jede Weise!
Doch gesegnet, wenn am Schluß der Reise
Ich das edle Bildniß wieder finde!

Sie.

Nicht ein Bildniß, wirklich siehst du jene
Hohe Tochter des verdrängten Blutes;
Nun im Pachte des verlaßnen Gutes
Mit dem Bruder freuet sich Helene.

Er.

Aber diese herrlichen Gefilde

Kann sie der Besizer selbst vermeiden? Reiche Felder, breite Wies' und Weiden, Mächt'ge Quellen, füße Himmelsmilde.

Sie.

Ist er doch in alle Welt entlaufen!
Wir Geschwister haben viel erworben,

Wenn der Gute, wie man sagt, gestorben,
Wollen wir das Hinterlaßne kaufen.

Er.

Wohl zu kaufen ist es, meine Schöne!

Vom Besizer hört' ich die Bedinge;

Doch der Preis ist keineswegs geringe,
Denn das leßte Wort, es ist: Helene!
Sie.

Konnt' uns Glück und Höhe nicht vereinen!
Hat die Liebe diesen Weg genommen?
Doch ich seh' den wackren Bruder kommen;
Wenn er's hören wird, was kann er meinen?

Wirkung in die Ferne.

Die Königin steht im hohen Saal,

Da brennen der Kerzen so viele;

Sie spricht zum Pagen: „Du läufst einmal

Und holst mir den Beutel zum Spiele.

Er liegt zur Hand

Auf meines Tisches Rand.“

Der Knabe, der eilt so behende,

War bald an des Schlosses Ende.

Und neben der Königin schlürft zur Stund'

Sorbet die schönste der Frauen.

Da brach ihr die Tasse so hart an dem Mund,

Es war ein Gräuel zu schauen.

Verlegenheit! Scham!

Um's Prachtkleid ist's gethan!
Sie eilt und fliegt so behende
Entgegen des Schlosses Ende.

Der Knabe zurück zu laufen kam
Entgegen der Schönen in Schmerzen,

Es mußt es niemand, doch beide zusamm', Sie hegten einander im Herzen;

Und o des Glücks,

Des günst'gen Geschicks!

Sie warfen mit Brust sich zu Brüsten
Und herzten und küßten nach Lüsten.

Doch endlich beide sich reißen los;
Sie eilt in ihre Gemächer;

Der Page drängt sich zur Königin groß
Durch alle die Degen und Fächer.
Die Fürstin entdeckt

Das Westchen befleckt:

Für sie war nichts unerreichbar,
Der Kön'gin von Saba vergleichbar.

Und sie die Hofmeisterin rufen läßt:

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Wir kamen doch neulich zu Streite,

Und ihr behauptetet steif und fest,

Nicht reiche der Geist in die Weite;
Die Gegenwart nur

Die lasse wohl Spur;

Doch niemand wirk' in die Ferne,

Sogar nicht die himmlischen Sterne."

Nun seht! So eben ward mir zur Seit'

Der geistige Süßtrank verschüttet,

Und gleich darauf hat er dort hinten so weit

Dem Knaben die Weste zerrüttet.

Besorg' dir sie neu!

Und weil ich mich freu',

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