Poesie und Prosa. Der Mensch kann seine Gedanken durch die Sprache auf doppelte Weise zum Ausdruck bringen, entweder in Prosa oder in Poesie. Im gewöhnlichen Leben, im geselligen Umgange, auch in der Wissenschaft bedient man sich in der Regel der Prosa; durch dieselbe sollen die Gedanken in einfacher und klarer Weise nach Form und Inhalt richtig dargestellt werden. Nachdem wir das Merkwürdigste in Catania gesehen, machten wir uns auf den Weg nach dem Gipfel des Aetna. Ungefähr zwölf englische Meilen bis zum Dorfe Nicolosi steigt man allmählich durch reiche Weinberge und Maulbeerpflanzungen; aber auch diese waren von dem lezten Lavastrome durchbrochen und vielfach zerstört. Die Gegend von Nicolosi war noch rings umher mit trockener, schwarzer Asche bedeckt, und die nächsten Hügel, über welche sich die Lava ergossen hatte, waren noch so unfruchtbar, als wenn der Ausbruch erst gestern geschehen wäre. Von dem Gipfel eines Hügels, welchen ich bestieg, sah ich um mich her eine große Anzahl ähnlicher Erhöhungen, einige gleichfalls unfruchtbar, andere reich mit Wein bepflanzt, andere mit Eichenwäldern bewachsen. In dem Kloster Nicolosi ruhten wir ein wenig aus und verfolgten dann unsere Reise, geführt von einem Bauer des Dorses. Goethe. Poesie nennt man die gebundene Redeweise, weil sich der Dichter dabei an strenge Regeln und Geseze binden muß. Während die Prosa hauptsächlich im Verstande wurzelt und die Belehrung zum Zwecke hat, entspringt die Poesie aus dem Gefühl und der Phantasie, soll darum auch besonders auf das Gemüth einwirken und für alles Wahre, Gute und Schöne begeistern. 3. B. Wanderers Nachtlied. Der du von dem Himmel bist, Doppelt mit Erquickung füllest, Was soll all der Schmerz und Lust? Komm, ach komm in meine Brust. Goethe. Die Dichtungsformen. Die schönsten Gedanken in der schönsten Form auszudrücken, ist die Hauptaufgabe der Dichtkunst. Inhalt und Form, Inneres und Aeußeres eines Gedichtes müssen einander angepaßt sein und das Gepräge des Schönen an sich tragen. Wer darum ein Gedicht verstehen will, muß sich mit den Dichtungsformen bekannt machen; ohne Kenntniß derselben wird nie eine klare Einsicht in das Wesen der Dichtkunst, nie ein voller Genuß an den Werken der Poesie erzielt werden. 1. Der Vers. Ein wesentliches Merkmal der Poesie ist der Rhythmus. Unter Rhythmus versteht man die regelmäßige Abwechselung langer und kurzer, schwerer und leichter Silben. Die schwere Silbe nennt man Tonhebung Arsis und bezeichnet sie mit einem wagerechten Striche, während die leichte Silbe Tonsenkung Thesis heißt und durch einen Bogen dargestellt wird. 3. B. lieblich, heilig, mächtig. -- Werden Tonhebungen und Tonsenkungen in regelmäßiger Ab= wechselung mit einander verbunden, so entstehen Versfüße, durch die Verbindung mehrerer Versfüße zu einem Ganzen aber entsteht ein Vers, der nach der Zahl der Tonhebungen in zwei, drei, vier, fünf 2c. Versfüße zerfallen kann. |